Bayer 04Trainer Seoane hat auch Verständnis für Rot-Sünder Demirbay

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Gerardo Seoane (rechts) im Tumult mit Kerem Demirbay (10) und Nabil Fekir (8)

Leverkusen – Gerardo Seoane war am Tag nach dem 4:0-Sieg über Betis Sevilla voll des Lobes über seine Mannschaft. Der Trainer bescheinigte ihr „großes Engagement, eine super Einstellung, gute Kompaktheit“ und pries insgesamt „die Attitüde“ der vorwiegend jungen Spieler, denen nach drei Heimniederlagen in Folge eine Kurskorrektur durch den Sieg in der Europa League gelungen war.

Der spektakuläre Leverkusener Abend, der mit einer wüsten Rauferei und zwei Roten Karten endete, hätte ein paar Tage der Aufarbeitung und Rekonvaleszenz nötig. Im internationalen Herbst des Profi-Fußballs ist das allerdings unmöglich. Und so muss Bayer Leverkusen den ersten Erfolg nach fünf sieglosen Spielen schon am Sonntag bei Hertha BSC (15.30 Uhr) bestätigen. Der körperliche Aspekt der Herausforderung schreckt Gerardo Seoane nicht. „Es ist der Vorteil bei jungen Spielern, dass sie sich physisch schneller erholen. Da reichen meistens 48 Stunden“, sagt der Schweizer, „die große Herausforderung ist allerdings, dass sie das auch mental schaffen. Die Frage ist, ob wir nach dieser kurzen Zeit in Berlin wieder diese Energie auf den Platz bringen.“

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Das wird allerdings unbedingt nötig sein gegen eine Hertha, die in jedem Spiel um ihre Position, ihr Selbstverständnis und ihre Zukunft kämpft. Drei Punkte trennen den Tabellenzwölften mit dem geplatzten Traum vom „Big City Club“ von der Abstiegszone. Der Status des Übergangstrainers Pal Dardai ist immer noch ungeklärt. Geschäftsführer Bobic verriet vor dem Spiel gegen die Werkself auf DAZN, wie kurz der Ungar nach dem 0:5 gegen Bayern München vor dem Rauswurf stand. „Pal hat gemerkt: Er hätte nach drei Niederlagen und seinem emotionalen Fehler eigentlich fliegen müssen“, sagte der 50-Jährige über den indirekt angebotenen Rücktritt von Dardai, „das habe ich aber nicht gemacht, weil ich ihm und dem Verein zeigen wollte: Wir brauchen Ruhe und Stabilität.“

Die fußballerische Rollenverteilung am Sonntag ist eindeutig. Bayer 04 geht mit seinem Talent, seiner Geschwindigkeit und seinem Mut als Favorit in diese Auseinandersetzung. Hertha ist das ganz recht, weil es sich in der Außenseiterrolle ungenierter verteidigen lässt. Dass der Rasen des Olympiastadions nach dem Europa-Conference-Spiel von Union arg ramponiert ist und danach gegen einen neuen ausgetauscht wird, scheint den Berlinern entgegenzukommen. Sie haben die Leistung des VfL Wolfsburg beim 2:0-Sieg in Leverkusen als Anschauungsbeispiel. Allerdings verfügen sie nicht über dieselben physischen Qualitäten wie das VW-Team. Und Moussa Diaby spielt im Trikot der Werkself nach verbüßter Gelb-Sperre wieder mit. Welchen Unterschied das macht, haben alle am Donnerstag gesehen, als der Franzose zwei Tore erzielte und zwei vorbereitete beim 4:0-Sieg über Real Betis.

Vermutlich wird Bayer 04 auch wieder mit einem echten Mittelstürmer antreten. Gegen Betis war nach Patrik Schick (Sprunggelenkverletzung) auch Lucas Alario (Wadenprobleme) ausgefallen. Die Lücke im Angriffszentrum füllten abwechselnd die vier leichtgewichtigen Offensivspieler Wirtz, Adli, Diaby und Paulinho. Das wirkte zwar anfangs ein wenig wirr, war für den Gegner aber nicht ausrechenbar. Gegen die körperlich starke Hertha-Innenverteidigung wird ein klassischer Neuner jedoch hilfreich sein.

Den Misston am Ende der Partie gegen Betis hat Gerardo Seoane allerdings nicht vergessen. Für die Bundesliga hat der Platzverweis gegen Kerem Demirbay – er schlug Nabil Fekir, der ihn zuvor gewürgt hatte – keine Auswirkungen. Für die Europa League schon. „Das ist etwas, was wir nicht sehen wollen“, sagt der Schweizer Trainer, „allerdings habe ich auch ein klein wenig Verständnis für die Spieler. Für Fekir, der viel bearbeitet wurde und auch für Kerem. Wenn einem jemand so an die Gurgel geht, ist eine Reaktion menschlich. Auch wenn sie ausbleiben sollte.“ In Berlin wird Bayer 04 Aggressivität und Wehrhaftigkeit gut gebrauchen können. Allerdings in einer anderen Form.

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