Bayer 04 verliert weiterLeverkusens Problem: Xabi Alonso kann nicht zaubern

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Trainer Xabi Alonso redet auf Callum Hudson-Odoi ein

Leverkusen – So richtig würde es keiner zugeben von den Verantwortlichen von Bayer 04 Leverkusen. Aber insgeheim hatten sie schon gehofft, dass Xabi Alonso zaubern kann. Dass das, was sich am vergangenen Samstag beim 4:0-Sieg über den FC Schalke 04 zugetragen hatte, die Wahrheit war. Dass alle Probleme, die den Vorjahresdritten zur größten Enttäuschung der aktuellen Bundesliga-Saison gemacht haben, über Nacht irgendwie verschwinden würden.

Aber dann kam die Champions League, der FC Porto, die erste richtige Herausforderung für den Trainer, der erst seit Donnerstag vergangener Woche im Amt ist. Und alle mussten sehen, dass der Welt- und zweifache Europameister Xabi Alonso als Trainer nicht zaubern kann, denn alle Probleme sind noch da. „Das war eine Lektion“, erklärte der 40-Jährige nach der 0:3-Niederlage, die seine Spieler einem guten, aber nicht herausragenden Champions-League-Gegner auf dem Silbertablett serviert hatten.

In der ersten Stunde des Spiels konnte man gut sehen, was der als Spieler herausragende Mittelfeldstratege mit seiner Mannschaft vorhat. Auf der Basis einer aktiven Dreierkette soll die Mannschaft im Zentrum Kontrolle über das Spiel gewinnen, das Geschehen weit in die Hälfte des Gegners verlagern und nach Ballverlusten nah am Mann die Bälle schnell zurückgewinnen.

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Das hätte ohne grobe individuelle Fehler sogar funktionieren können. Aber grobe individuelle Fehler sind das Leiden, das Bayer 04 in die tiefste Krise der letzten Jahre gestürzt hat. Der erste geschah in der sechsten Minute. Portos exzellenter Torwart Diogo Costa knallte den Ball aus der Hand in den Lauf des Brasilianers Galeno, der Odilon Kossounou einfach davonlief und den Kollegen Jonathan Tah am Strafraum mit einem Haken täuschte. Während die Leverkusener kollidierten, schoss er einfach den Ball ins Tor, ohne mit einem gegnerischen Spieler einmal Körperkontakt gehabt zu haben. Diese simple Form der Überrumpelung dauerte von Anfang bis Ende kaum zehn Sekunden.

Das war Teil eins der Lektion für Xabi Alonso. Teil zwei folgte keine zehn Minuten später, als  Mitchel Bakker einen Elfmeter erwirkt hatte und sich kurzzeitig die Frage nach dem Schützen stellte. In einem Team mit Patrik Schick sollte normalerweise immer Patrik Schick dieser Schütze sein. Der Tscheche ist an guten Tagen ein begnadeter Torjäger mit einem begnadeten linken Fuß. Aber er hatte schon lange keine guten Tage mehr. Und sein Elfmeter-Fehlschuss in Porto hatte acht Tage zuvor die 0:2-Niederlage und das Ende des Trainers Gerardo Seoane bei Bayer 04 eingeläutet.

Schick wurde also unsichtbar und überließ Kerem Demirbay die Ausführung. Der Schritt mit herausgestreckter Brust, dem Ball unter dem Arm, aber offensichtlich ohne Plan am Elfmeterpunkt, legte den Ball hin und knallte ihn unplatziert und halbhoch in die Nähe des guten Diogo Costa, der bei der Abwehr dieses Strafstoßes nicht an seine Grenzen gehen musste.

„Das war ein ganz entscheidender Moment im Spiel“, sagte Xabi Alonso, „Elfmeter sind die beste Chance, ein Tor zu erzielen, ich nehme sie ernst.“ Das sollte er seinen Profis unbedingt sagen, dann werden sie dem Gegner in solch wichtigen Spielen nach einem selbst vergebenen Elfmeter nicht zwei Elfmeter schenken wie am Mittwochabend. Fahrlässige Zweikampfaktionen von Amine Adli und Odilon Kossounou haben dazu geführt, dass der iranische Superstar Mehdi Taremi den Leverkusenern zweimal vormachen durfte, wie man das macht. Einmal ließ er Torhüter Hradecky ins Leere fliegen und schlenzte den Ball hoch in die Mitte. Dann war ihm Hradecky egal, und er schoss den Ball so hart und platziert neben den Pfosten, dass auch ein Panthersprung des Bayer-Torhüters in die richtige Ecke das Tor nicht verhindern konnte.  Strategien eines Schützen, der sich ernsthaft mit dem Thema befasst hat.

Es sprach für Xabi Alonso, dass er sich in der Erstanalyse nicht mehr intensiv mit der Frage auseinandersetzte, was geschehen wäre, wenn seine Angreifer aus dem gut halben Dutzend guter Chancen Kapital geschlagen hätten, die sich ihnen vor dem Auseinanderbrechen des Spiels nach dem 0:2 geboten hatten. Es zählten nur die Folgen. Bayer 04 (drei Punkte) liegt auf dem letzten Platz seiner Champions-League-Gruppe und hat nur noch die Spiele gegen Atlético Madrid (26. Oktober) und gegen den FC Brügge (1. November), um das zu ändern.

Brügge schon uneinholbar für die Werkself

Den Spitzenreiter Brügge (zehn Punkte, 7:0 Tore) kann die Werkself schon nicht mehr einholen. Platz zwei, den man Porto geschenkt hat, erscheint schon ehrgeizig. Realistisch ist das Ziel, mit Platz drei im kommenden Jahr wenigstens in der Europa League weitermachen zu dürfen. „Das nächste Spiel wird ein Endspiel“, sagt Xabi Alonso über die Gruppenphase.

Gefühlt gilt das auch für die Bundesliga-Partie am Samstag bei Eintracht Frankfurt. Da muss die Frage beantwortet werden, ob der Xabi-Trend wenigstens national eine Fortsetzung finden kann, ob die Verbesserungen und Fortschritte, die Abwehrchef Jonathan Tah festgestellt haben will („Wir haben schon extrem viel von ihm mitgenommen: Eine höhere Intensität und taktische Dinge“) real sind. Der spanische Trainer hat eine klare Antwort auf die Frage, wie er vor alle die immer wiederkehrenden Aussetzer seiner Spieler abstellen will: „Das ist mein Job, das abzustellen. Und das geht nur mit Arbeit, Arbeit, Arbeit.“

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