LeverkusenEuphorische Werkself träumt von Endspielen und Titeln

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Leverkusener Spieler feiern den Sieg gegen Dortmund

Leverkusen – Was ist ein Spiel im Alltag der Fußball-Bundesliga? Die kleinste messbare Einheit, ein Vierunddreißigstel oder knapp drei Prozent der Saison, eine Singularität, aus der für das große Ganze wenig abzulesen ist. Normalerweise. Denn es gibt Spiele, die einen Klub durchrütteln und aus seinem normalen Trott zwischen Selbstgewissheit und Selbstzweifel reißen.

So eines war für Bayer 04 Leverkusen der 4:3-Sieg über Borussia Dortmund, dessen Wert gesteigert wurde durch den Vorgang einer Auslosung. Im DFB-Pokal, so wurde 24 Stunden später ermittelt, erhält der Werksklub das Privileg eines Heimspiels, zu dem Union Berlin als Gegner erscheint. Das hat die Fantasie ziemlich beflügelt.

"Wir wollen noch ganz viele K.o.-Spiele"

„Wir sind in allen Wettbewerben noch dabei, wir können alle Ziele noch erreichen“, sagte Sportdirektor Simon Rolfes am Montag im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Konkret meint er damit: „Wir wollen in der Bundesliga unter die ersten Vier, im Pokal unbedingt ins Halbfinale und in der Europa League Porto ausschalten. Wir wollen in dieser Saison noch viele K.o.-Spiele haben bis ganz zuletzt und freuen uns darauf.“

Noch am Freitagnachmittag hatte die Welt für Bayer 04 ganz anders ausgesehen. In der Liga war durch die dumme Niederlage in Hoffenheim Boden auf die Top-Vier verloren gegangen, der DFB-Pokalsieg über den Zweitligisten VfB Stuttgart glich mühseliger Pflichterfüllung. Und dann fielen vor dem Bundesliga-Hit gegen Dortmund alle vier etatmäßigen defensiven Mittelfeldspieler aus. Peter Bosz musste Notlösungen erfinden und einen neu verpflichteten Verteidiger einsetzen – den aus Portugal verpflichteten Edmond Tapsoba (22), der gerade vier Trainingseinheiten mit dem Team verbracht hatte und kein Deutsch spricht. Daraus resultierte nach zweimaligem Rückstand der spektakuläre Sieg, dem am Sonntag das Bonbon aus der Lostrommel folgte. 

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„Das zeigt, wie flexibel unser Kader ist“, sagt Simon Rolfes, „wir haben viele Optionen und viele Spieler mit unterschiedlichen Qualitäten. Und die Mannschaft hat sich selbst bewiesen, dass auch nach Rückschlägen und Rückständen alles möglich ist. Dieses Bewusstsein können wir jetzt in die nächsten Spiele nehmen.“

Einen ersten Realitäts-Check wird die Euphorie schon am Samstag im Auswärtsspiel bei Union Berlin erfahren, der Mannschaft, die Anfang März Gegner im DFB-Pokal sein wird. „Wir wissen, wie schwer Union zu schlagen ist“, sagt Rolfes. Aber genau in diesen Spielen, in denen Bayer mit seinem Ballbesitzfußball Favorit ist gegen einen tief stehenden und auf Konter lauernden Gegner, wird sich zeigen, wie viel die Siege gegen die Top-Teams Bayern, Schalke und Dortmund in dieser Saison wert sind.

Ein wichtiger Faktor bleibt, solange er für Bayer 04 spielt, Kai Havertz, der sich offenbar dazu entschlossen hat, sich die seit langem vermisste Leichtigkeit durch maximalen Einsatz zurück zu erkämpfen. Gegen Hoffenheim, Stuttgart und Dortmund war er ein unermüdlicher Antreiber, dem die Belohnung in Form eines Tores oder einer Vorlage jedoch versagt blieb. „Ich fand trotzdem, dass Kai ein Super-Spiel gemacht hat“, sagt Simon Rolfes, „er war sehr präsent und hat mit einem ganz schwierigen Pass das 1:0 eingeleitet, der nur deshalb leicht aussah, weil er ihn hat leicht aussehen lassen.“

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Sportdirektor Simon Rolfes (rechts) und Trainer Peter Bosz

Die permanente Diskussion darüber, zu welchem Klub der noch bis Juni 2022 vertraglich an Bayer 04 Gebundene im Sommer für wie viele Millionen wechseln wird, versuchen alle an sich abperlen zu lassen, so gut es geht. „Wir sind da ganz entspannt“, erklärt Rolfes, obwohl man durchaus annehmen darf, dass bei einem Deal in geplant dreistelliger Millionenhöhe alle von Verbissenheit befallen sind. Es geht für den Klub um eine Rekordablöse und für den Spieler um seine Karriere, die durch eine falsche Entscheidung Schaden nehmen könnte.

Im Moment sucht man Zweifel in Leverkusen jedoch vergeblich. Ein spektakuläres Spiel und ein günstiges Los haben den Werksklub euphorisiert. Simon Rolfes sagt: „Alles ist möglich.“

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