5:0 gegen Union BerlinBayer 04 Leverkusen schießt sich den Frust von der Seele

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Diaby Jubel Union

Jubel mit den Fans: Leverkusens Diaby jubelt nach seinem Treffer zum 2:0

Leverkusen – Neben dem Flutlicht erhellten am frühen Sonntagabend kurzzeitig auch noch hunderte Smartphone-Taschenlampen die Bay-Arena und sorgten im Leverkusener Fußball-Wohnzimmer für eine dieser Tage selten gespürte friedlich-zufriedene Atmosphäre. Zumal der lautstarke Berliner Anhang sich mit dem Monty-Python-Klassiker „Always Look on the Bright Side of Life“ selbst feierte und über den Verlust der Bundesliga-Tabellenführung hinwegtröstete. 

Es war Erstaunliches passiert an diesem 13. Spieltag: Nach einem rational nur schwer zu erklärenden Spielverlauf hatte Bayer 04 den bisherigen Spitzenreiter 1. FC Union mit 5:0 (0:0) abgefertigt und sich dank einer bestechenden Effizienz in der zweiten Halbzeit im Abstiegskampf Luft verschafft. Robert Andrich (46.), Moussa Diaby (56./58.), Adam Hlozek (68.) und Mitchel Bakker (76.) sorgten nach der Pause für ein Leverkusener Torfestival und reichlich Balsam für das geschundene Selbstvertrauen.

Derby am Mittwoch beim 1. FC Köln

Nach dem zweiten Sieg unter Trainer Xabi Alonso beträgt der Vorsprung des neuen Tabellenvierzehnten auf den Relegationsplatz immerhin einen Punkt. Und die Stimmung vor dem Derby am Mittwoch beim 1. FC Köln (18.30 Uhr) wurde deutlich aufgehellt. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Sieg und mit der Leistung heute. Die erste Halbzeit war sehr eng, die zweite war sehr gut“, sagte Xabi Alonso. „Morgen gibt es aber wieder ein anderes Thema. Wir haben noch zwei Spiele in einer Woche, wir wollen mehr.“

Union verlor die Tabellenführung nach fast zwei Monaten an den FC Bayern München. „Dass wir Platz eins verloren haben, ist mir komplett egal. Nicht egal ist mit die Art und Weise, wie wir dieses Spiel verloren haben“, kritisierte Union-Coach Urs Fischer. „Leverkusens Sieg war auch in der Höhe verdient. Wir haben einen großen Teil dazu beigetragen. Wenn Bayer Raum bekommt, hat die Mannschaft unglaubliche Qualitäten. Einige Gegentore waren Geschenke.“

In der ersten Halbzeit hatte Leverkusen offensiv zunächst an die Leistung des 0:2 bei RB Leipzig angeschlossen, als Bayer 04 über 90 Minuten ohne echte Torchance blieb. Gegen Union Berlin setzte sich die Harmlosigkeit fort. Der Werkself fehlten Tempo und Kreativität, die Eisernen verteidigten und kämpften auf ihre bekannt kompromisslose Art. „Sie waren aus guten Gründen bislang Spitzenreiter“, sagte Xabi Alonso. „In der ersten Halbzeit haben wir zu wenig kombiniert und waren zu statisch.“

Xabi Alonso findet die richtigen Worte in der Pause

In der Kabine fand der spanische Weltstar offenbar die richtigen Worte. „Keine magischen oder weisen“, wie der 40-Jährige berichtete. „Die kleinen Details sind wichtig. In der Halbzeit haben wir gesagt, dass wir konzentriert bleiben müssen. Ein Fehler von uns oder vom Gegner kann wichtig sein – so war es dann bei der Ecke.“ Wenige Sekunden nach dem Wiederanpfiff schlug der bis dahin erschreckend schwache Kerem Demirbay eine Ecke (Leverkusens einzige im gesamten Spiel) an den Fünfmeterraum. Dort stand Andrich richtig und drückte den Ball gegen seinen Ex-Klub zum 1:0 über die Linie (46.), auf einen Jubel verzichtete der Mittelfeldmann.

Allen Leverkusenern schien eine Last von den Schultern und Beinen zu fallen. Dem Hauptstadt-Klub fiel das Laufen und Denken von Minute zu Minute hingegen immer schwerer. Der von Bayer 04 an Union ausgeliehene Torhüter Lennart Grill ließ sich in der 56. Minute vor einem langen Schlag zu viel Zeit, so dass Jeremie Frimpong den Ball abblocken und in Diabys Laufweg bringen konnte. Diverse Berliner versuchten noch, den schnellen Franzosen zu foulen – doch der Außenstürmer blieb bei seinem langen Sprint standhaft und schloss präzise zum 2:0 ab.

Mitchel Bakker mit Tor und Vorlage

Nun brachen beim bisherigen Spitzenreiter alle Dämme, bei Bayer 04 gelang jedes Kunststück. Mitchel Bakker, Leverkusens Linksaußen in der Dauerkrise, spielte wenig später einen perfekten Querpass auf Diaby, der Franzose überwand den bedauernswerten Grill zum 3:0 (58.). Adam Hlozek erzielte auf Vorarbeit von Nadiem Amiri mit der Hacke sein erstes Bundesliga-Tor und das 4:0 (68.). Und Bakker krönte seine mit gewaltigem Abstand beste Saisonleistung mit dem 5:0 (76.) – vorbereitet von Hlozek. Von acht Schüssen auf das Gäste-Tor hatte die Werkself fünf im Netz untergebracht. „Mit Raum und Zeit ist es einfach zu spielen“, sagte Xabi Alonso, der weder von einer Kehrtwende noch von einem Befreiungsschlag sprach. „Wir müssen lernen, auch ohne Raum und Zeit zu kombinieren und uns Chancen zu erspielen.“

Nach dem 4:0 gegen hilflose Schalker war das 5:0 gegen ein kraftloses Union Berlin der zweite torreiche Heimsieg von Bayer 04 unter seinem spanischen Coach. Ob dieser Erfolg, anders als der erste, für einen nachhaltigen Aufschwung in Leverkusen sorgen kann, ist schwer zu beurteilen.

Mehr Klarheit dürfte das Derby in Köln bringen. Stürmer Patrik Schick, der am Sonntag wegen Adduktorenproblemen nicht spielen konnte, wird wohl wieder zur Verfügung stehen. 

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