Köln – Es gibt keine wichtige Erste Liga in Europa, die einen solch schlechten Hauptstadt-Klub hat wie Berlin.
Natürlich müssen wir uns erst einmal selbst korrigieren. Die deutsche Hauptstadt hat natürlich zwei Erstliga-Vereine, Union und Hertha BSC. Und was die „Eisernen“ aus Köpenick sportlich seit dem Aufstieg 2019 leisten, ist aller Ehren wert. Nach Platz sieben in der vergangenen Saison und der Qualifikation für die Conference League sprangen die Ostberliner, die zuletzt etwas schwächelten, am Wochenende wieder auf Rang sieben. Die Unioner können zudem noch das DFB-Pokalfinale im Olympiastadion erreichen. Am Dienstag empfangen sie im Viertelfinale an der Alten Försterei Zweitligist St. Pauli. Keine einfache Aufgabe, dennoch eine lösbare. Union ist der Favorit. Dann wären die „Eisernen“ nur noch einen Sieg vom Endspiel entfernt und könnten vom großen Coup träumen, dem ein Verein aus der Berlin noch nie gelang.
Vergleicht man die europäischen Top-Ligen England, Spanien, Frankreich und Italien, haben die dortigen Hauptstadt-Klubs insgesamt 115 Mal den Pokal gewonnen. Nur in Berlin steht da bisher eine Null, obwohl es vier Endspiel-Teilnahmen gab: Zweimal stand Hertha im Finale(1977 und 1979), einmal die Hertha-Amateure (1993), einmal Union Berlin (2001).
Hertha ist schon wieder vorzeitig gescheitert, im Achtelfinale. Ausgerechnet gegen den Lokalrivalen Union. Dieser Auftritt war zwar nicht beschämend, doch was Hertha BSC insgesamt leistet, kann man getrost als peinlich bezeichnen. Nach dem 0:3 in Freiburg standen sie wieder mal mit leeren Händen da. Die Lage wird immer prekärer. Nur weil der VfB Stuttgart weiter verliert, haben die Berliner noch vier Punkte Vorsprung auf den Tabellenvorletzten. An Trainer Tayfun Korkut will Herthas Geschäftsführer Fredi Bobic dennoch festhalten. Dabei ist Hertha das schwächste Team der Rückrunde . „Wir müssen schleunigst punkten“, sagt Korkut.
Dabei hat Hertha einen schillernden Investor. Lars Windhorst hat in den letzten Jahren insgesamt 375 Millionen Euro in den Klub gepumpt. Was hat diese gewaltige Finanzspritze bewirkt?
Nichts. Tayfun und die Berliner Luft(ikusse). Windhorst kritisierte Herthas Führung mit selten gehörten und scharfen Worten. Auf die Frage, ob er sein Engagement als Fehler betrachte, sagte Windhorst: „Ehrlich gesagt, aus heutiger Sicht ja, leider.“ Bislang habe das Investment fast nur Nachteile gebracht. Zugleich machte Windhorst deutlich, dass er sich nicht zurückziehen werde: „Ich lasse mir von niemandem dort 375 Millionen Euro verbrennen und werde darum niemals aufgeben.“ Den Verantwortlichen warf er an den Kopf, dass es ihnen um „Machterhalt und Klüngelei“ gehe. Starker Tobak.
Fredi Bobic gilt als emotional. Wie hat der Manager diese Kritik aufgefasst?
Die Worte über „Machterhalt und Klüngelei“ seien zu einem „fatalen Zeitpunkt“ gefallen. Angesichts der prekären Situation im Abstiegskampf brauche man „dieses Schaufenster jetzt nicht“, sagte Bobic und deutete an, dass er sich von Windhorst, zu dem er ein gutes Verhältnis habe, Ruhe in der schwierigen Lage wünsche. „Der schießt keine Tore und die Mannschaft betrifft es erstmal nicht“, sagte er am Sonntag im „Doppelpass“.
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Überraschend im Abstiegskampf befinden sich auch die Gladbacher und Wolfsburger. Sie lieferten sich am Samstag ein spannendes direktes Duell, aus dem am Ende kein Team als Sieger hervorging.
Die Gladbacher zeigten nach dem besorgniserregenden Auftritt beim 0:6 in Dortmund immerhin eine gute Reaktion. Eine umstrittene Rote Karte, ein nicht gepfiffener Elfmeter am „zu fairen“ Wolfsburger Max Kruse, der sich nicht fallen ließ und schließlich der erstickte späte Siegestaumel der Borussia in der Nachspielzeit sorgten aber beim neutralen Beobachter für beste Unterhaltung.
Diskussionen gab es über die Rote Karte gegen den Wolfsburger Maxence Lacroix, der bereits zum dritten Mal in dieser Saison vom Platz gestellt wurde.
Der Franzose behakelte sich als letzter Mann ausgiebig mit Landsmann Marcus Thuram, ehe er den Ball mit der Hand wegschaufelte und dafür Rot sah (70.). Wenig später glich der eingewechselte Breel Embolo (82.) in Überzahl zum 2:2 aus. Thuram hatte zuvor (42.) nach dem Rückstand durch Jonas Wind (6.) und Sebastiaan Bornauw (33.) die Aufholjagd eingeläutet. Matthias Ginter und die 10000 Zuschauer bejubelten in der Nachspielzeit das vermeintliche 3:2, doch Schiedsrichter Tobias Reichel nahm den Treffer nach Ansicht der Videobilder wegen eines Fouls im Spielaufbau zurück. Der neue Gladbacher Sportdirektor und Eberl-Nachfolger Roland Virkus muss somit weiter auf seinen ersten Sieg warten.