Friedhelm Funkel war viele Jahre Bundesliga-Trainer. Seine Karriere endete kurz vor dem Beginn der Corona-Krise.
Im Interview spricht er über die Folgen der Pandemie für den Fußball.
Zudem blickt er auf seinen Rauswurf bei Fortuna Düsseldorf zurück.
Köln – Herr Funkel, nimmt sich der Fußball in diesen Zeiten zu wichtig?
Der Fußball ist total ausgebremst worden. Er bekommt den Spiegel vorgehalten für die rasanten Entwicklungen der letzten Jahre, in denen eigentlich immer das Motto „höher, schneller, weiter“ galt. Keiner weiß, wie lang diese Pause jetzt gehen wird. Wir sollten sie nutzten, um uns auch über bestimmte Dinge grundlegende Gedanken zu machen. Es zeigt sich, dass viele Vereine relativ wenige Rücklagen gebildet, um solch eine außergewöhnliche Situation zu überstehen. Wir werden deshalb sicher über die Kadergrößen und die Gehälter diskutieren. Müssen Verein 30 bis 35 Spieler im Kader haben? Ich finde, wir sollten die Kader wieder verkleinern. Auch wird es für viele Vereine nicht mehr möglich sein, immer höhere Gehälter zu zahlen.
Die Liga will im Mai den Spielbetrieb wieder aufnehmen und vor leeren Rängen spielen. Das würde neun Spiele in zwei Monaten bedeuten, plus DFB- und Europapokal.
Das muss möglich sein und ist es auch. Ich könnte das Gejammer über einen engen Spielplan nicht verstehen. 1986 habe ich mit Bayer Uerdingen 15 Spiele in nur 43 Tagen bestritten, da im Winter mehrere Partien abgesagt worden waren. Wir hatten kaum noch trainiert, aber es ging. Die fehlenden Zuschauereinnahmen kann jeder Bundesligist verkraften, ausbleibende TV-Einnahmen dagegen nicht.
Und was ist, wenn die Saison nicht zu Ende gespielt werden kann?
Aus meiner Sicht muss dann die Bundesliga auf 22 Mannschaften aufgestockt werden, also die 18 Bundesligisten und die ersten vier Teams aus der 2. Bundesliga. Wenn es dann keinen Meister im Jahr 2020 gibt, dann ist das leider halt mal so. Allen Vereinen wird man in dieser für alle völlig neuen Situation ohnehin nicht gerecht werden.
Inwieweit sind die Profis gefordert, ihren Teil zur Lösung der Krise beizutragen?
Wir sind da alle in der Pflicht, einen Beitrag zu leisten. Markus Söder hat das Thema Gehaltsverzicht der Profis populistisch angeschoben. Ich kann verstehen, dass sich Horst Heldt darüber geärgert hat. Denn die Profis sind solidarischer, sozialer und verantwortungsvoller, als viele glauben. Ich finde es toll, dass Top-Verdiener und Vorbilder wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka bereits vorangegangen sind und Geld spendeten. Ich bin mir sicher, dass noch viele Fußballer diesem Beispiel folgen oder teilweise schon auf Teile ihres Gehalts verzichtet haben. Die meisten von ihnen wissen ganz genau, dass sie schon in jungen Jahren privilegiert sind und es ihnen besser geht als vielen Menschen, die gerade um ihre nackte Existenz kämpfen.
Wie gingen die Spieler damit um, dass sie mehrere Wochen nur alleine trainieren konnten?
Das war sicherlich unangenehm, aber es gibt derzeit nun wirklich Schlimmeres. Da ging es sehr um die Selbstdisziplin. Aber natürlich kann ein individuelles Training nie das intensive Mannschaftstraining in einer Gruppe ersetzen. Es fehlt die Konkurrenz, das Anspornen der Mitspieler, das Einfordern und die Anweisungen des Trainers. Es wird Spieler geben, die das jetzt besser hinbekommen – oder schlechter. Ich gebe zu, dass ich eher zur zweiten Kategorie gezählt hätte. Aber im Gegensatz zu früher kann ein Trainer heute dank der technischen Hilfsmittel überprüfen, ob ein Spieler seine Hausaufgaben gemacht hat. Wenn wieder gespielt wird, dann wird anfangs das Niveau sicherlich nicht mehr ganz so hoch sein wie vor der Pause. Aber das betrifft ja nicht einzelne Spieler und Vereine, sondern einfach alle.
Friedhelm Funkel
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Vor rund zwei Monaten sind Sie bei Fortuna Düsseldorf beurlaubt worden und haben Ihre Trainerkarriere beendet. Sind Sie noch sauer über die Umstände Ihrer Entlassung?
Nein, da ist kein Groll mehr. Ich habe schon ein Stück vom Geschäft loslassen können. Und das ging sogar schneller, als ich es mir vorgestellt hätte. Stark beschäftigt hat mich mein Aus bei Fortuna vielleicht acht bis zehn Tage. Ich kann Dinge recht schnell verarbeiten. Da hilft mir mein großer Freundeskreis, da war auch mal wieder mehr Zeit, sich mit einem Kumpel auf ein Bier zu treffen. Am Anfang habe ich viel Tennis gespielt, jetzt gehe ich alle zwei Tage joggen, um mich fit zu halten. Leider kann ich derzeit auch nicht meine Enkel und mein fast 90-jährige Mutter nicht mehr sehen, aber dies gilt es eben zu akzeptieren. Ein Traum von uns ist auch eine Reise nach Neuseeland, aber die bedarf ohnehin einer größeren Planung und ist erstmal nicht so wichtig. Ich hoffe, dass meine Familie, Freunde, Verwandte und ich gesund bleibe. Das ist wichtig.
Was sind Ihre Pläne, wenn der Ball wieder rollt?
Ganz ohne Fußball kann ich ja nicht. Ich könnte mir schon vorstellen, als TV-Experte zu arbeiten, erste Gespräche diesbezüglich gab es auch schon. Beim Geisterspiel kürzlich zwischen Gladbach und Köln war ich als Co-Kommentator bei Sky im Einsatz, das hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich könnte mir aber auch vorstellen, als Berater oder Repräsentant für einen Verein zu arbeiten. Aber nicht mehr in diesem Jahr.
Wird die Begeisterung für den Fußball noch mehr entfachen, wenn es wieder losgeht?
Da bin ich mir sicher, die Freude der Menschen wird noch größer sein, wenn sie wieder ins Stadion dürfen. Denn das hieße ja, dass sich die Lage wieder normalisiert hat. Und ein Leben in Deutschland ganz ohne Fußball ist undenkbar.