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Zur Kommunikationsstrategie von Özil

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Berlin – Kein Fußball-Nationalspieler und wohl kaum ein anderer deutscher Prominenter ist in den Sozialen Netzwerken so populär wie Mesut Özil. Der 29-Jährige erreicht über Facebook, Twitter und Instagram insgesamt knapp 72 Millionen Follower (Stand Montagmittag).

Kein Wunder, dass der als interviewscheu geltende Özil für seine harsche Kritik an der DFB-Spitze und seinen Rücktritt aus dem Nationalteam diese Kanäle wählte. Am Sonntagabend wurde dort über mehrere Stunden hinweg eine Erklärung in drei Teilen verschickt.

„Mesut Özil findet in seiner Nachricht sehr klare Worte über den Anlass und den Hintergrund seines Bildes”, sagte Nicolas Fink, Experte für Markenmanagement und Öffentlichkeitsarbeit im Sport an der SRH Fernhochschule Riedlingen. Alle Welt richte nun den Fokus auf dieses Statement. „Die Aussagen erhalten eine übermäßige Aufmerksamkeit, die hätte vermieden werden können, wenn Özil seine Beweggründe viel früher kommuniziert hätte.”

Gerade weil er sich auf einen respektvollen Umgang und die Meinungsfreiheit berufe und damit sachliche Gründe für das Foto hätte, hätte er sich in unserer heutigen Informationsgesellschaft viel früher zu Wort melden müssen, so Fink weiter.

Warum aber in drei Teilen? „Ich kann nur vermuten, dass er Spannung aufbauen wollte”, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). „Aber die genaue Antwort kennt nur er.” Dass Özil seine Gedanken nur auf Englisch und nicht auf Deutsch verbreitet habe, habe wahrscheinlich daran gelegen, dass wohl das Management und nicht der Fußballer selbst die Erklärung verfasst und versendet habe, so Überall. Manche Facebook-Nutzer bewerteten das Englisch als „neutrale” Sprache des Deutschen mit türkischen Wurzeln.

Auch Überall kritisiert, dass Özil sich erst spät gerührt habe. „Das ist sehr bedauerlich, denn seine Vorwürfe sind schwerwiegend.” Alle Medien als rassistisch zu verteufeln, sei natürlich Unsinn. Aber wenn er Beispiele genannt und sich einer Diskussion gestellt hätte, gäbe es eindeutig einen Nutzwert. „So aber sieht das nach Dampfablassen aus. Das mag ihm nützen, lässt aber alle anderen ratlos zurück.”

Özil und seine Berater hätten kein besonders großes Vertrauen in die deutschen Medien, sagte Konstantina Vassiliou-Enz, die Geschäftsführerin der Neuen deutschen Medienmacher in Berlin, einem Netzwerk von Journalisten mit hoher kultureller Vielfalt und hohem Anteil an Migrationshintergrund. Die Veröffentlichung seiner Positionen habe der Fußballer daher lieber selbst in die Hand genommen.

Für den Kommunikationsexperten Christoph Schwab aus Köln liegt der Schwarze Peter beim Deutschen Fußball-Bund: „Die Kommunikation vom DFB war grottenschlecht, diese Kommunikation hat ja nicht stattgefunden”, sagte Schwab der dpa. „Jetzt müssen natürlich Konsequenzen erfolgen und der DFB steht in schwerster Kritik.” Der DFB fahre seit Jahren öffentlichkeitswirksame Kampagnen gegen Rassismus, meinte dazu Vassiliou-Enz. „Ich halte es für angebracht, nun auch mal die Chefetage des DFB in Anti-Rassimus-Trainings zu schulen. Besser spät als nie.” (dpa)

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