Das Pokalfinale gegen Aachen wird Olaf Janßens letztes Spiel als Viktoria-Trainer. Im Interview blickt er auf viereinhalb Jahre Höhenberg zurück.
Olaf Janßen„Ich will mit dem Pokal im Arm einschlafen“

Olaf Janßen (58) war 2018 für eine Rückrunde und zwischen Winter 2021 und Sommer 2025 Trainer von Viktoria Köln.
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Herr Janßen, das Mittelrheinpokal-Finale am Samstag (16.30 Uhr/ARD) wird Ihr letztes Spiel als Trainer von Viktoria Köln. Wie ist Ihre Gefühlslage so kurz vor dem Abschied?
Aktuell bin ich im Tunnel und einfach ein Trainer, der sich auf ein Highlight freut: Das Spiel findet in unserem Wohnzimmer statt, der Sportpark ist ausverkauft und wir haben mit Alemannia Aachen den schwerstmöglichen Gegner. Deutschland guckt dieses Spiel im Fernsehen. Alles, was nach Abpfiff passiert, steht auf einem anderen Blatt. Es wird mit Sicherheit noch einmal emotional.
Wie wichtig wäre ein Titel für Sie persönlich zum Abschluss?
Es wäre das Sahnehäubchen. Spielen wir den negativen Fall durch und wir verlieren: Dann wäre ja nicht alles weg, was wir hier in viereinhalb Jahren aufgebaut haben. Aber natürlich würde ich gerne in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit dem Pokal in meinem Arm einschlafen.
Für Viktoria Köln ist es das zehnte Mittelrheinpokal-Finale. Die bisherigen neun wurden allesamt gewonnen, vier davon unter Ihrer Leitung.
In meiner Zeit hier habe ich 22 von 23 Pokalspielen gewonnen. Es gab eine Niederlage – ein Viertelfinale in Aachen. Aber daraus zu schließen, dass es einfach so weitergeht mit den Siegen, ist natürlich Unsinn.
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Gehen wir ein Jahr zurück, als Sie im Sommer 2024 entschieden haben, dass Sie in Ihre letzte Saison bei Viktoria gehen würden. Der Klub steckte im Umbruch, es musste gespart werden, nur wenige Spieler standen unter Vertrag.
Es gab dieses außergewöhnliche Gespräch: Der Verein ist auf mich zugekommen und hat mir mitgeteilt, wo gespart werden muss: Mitarbeiter, Mannschaft, überall. Unsere vielen Abgänge konnten wir wirtschaftlich nicht gleichwertig ersetzen. Und Franz Wunderlich hat mir gesagt: Wenn dir das zu viel ist, nach allem, was du hier geleistet hast, dann würden wir dir keine Steine in den Weg legen.
Was hat Sie veranlasst, weiterzumachen?
Erst einmal die Aussicht, Marian Wilhelm, den ich schon sehr lange kenne, als meinen Nachfolger einzuarbeiten. Und dann einfach das Vertrauen in die handelnden Personen. Ich weiß, dass ich auf das, was Franz Wunderlich sagt, zu 1000 Prozent vertrauen kann. Auch das Verhältnis zu Stephan Küsters als Sportchef und Valentin Schäfer als Kaderplaner ist überragend. Es war schnell klar, dass wir einen guten Kader zusammenbekommen würden. Das hat mich gepackt – weil es sich noch nicht fertig angefühlt hat. Rückblickend bin ich super-froh. Es war wahrscheinlich das schönste Trainerjahr meiner Karriere.
Haben Sie ihren feststehenden Abschied im Verlauf der Saison bereut? Gerade, als der Zweitliga-Aufstieg noch möglich war?
Ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass ich auch gegangen wäre, wenn wir diesen Aufstieg geschafft hätten. Denn die Viktoria als Drittligisten weiter zu etablieren und im Nachwuchsbereich für eine Durchlässigkeit zu sorgen, war meine Zielsetzung. Das war erreicht und das Projekt für mich deshalb abgeschlossen.
Welcher Viktoria-Moment wird Ihnen am deutlichsten in Erinnerung bleiben?
Das ist einfach. Mein erstes Spiel Anfang Februar 2021 in Ingolstadt, nach vier Trainingstagen, an denen ich die Jungs nicht überfordern wollte. Aber dann spielen wir in Ingolstadt, als hätten wir schon Monate zusammengearbeitet! Wir machen das 1:0, haben Chancen für noch mehr Tore. In der 90. Minute wechsle ich Mike Wunderlich aus, er geht auf der anderen Seite des Felds vom Platz. Und als er an der Bank ankommt, führt Ingolstadt 2:1. Erst geht bei einer Ecke der Torhüter mit nach vorne und macht das 1:1, danach gibt es noch einen langen Ball – 2:1, der Schiedsrichter pfeift ab. Die Jungs lagen am Boden. Aber ich wusste und konnte es den Jungs sagen: Wenn wir genauso weitermachen, werden wir es schaffen.
Gab es einen besonders schmerzhaften Moment?
Vielleicht in der ersten kompletten Saison, als wir am 9. Spieltag 0:1 in Havelse verlieren, richtig schlecht spielen und bei fünf Punkten stehen. Das war ein Brett, das tat weh. Da denkst du dir als Trainer: Was machst du hier? Irgendwas läuft verkehrt. In neun von zehn Vereinen hätte man mich wahrscheinlich entlassen – nicht aber bei Viktoria. Franz Wunderlich und Andreas Rettig haben mir damals sogar noch den Rücken gestärkt. Am Ende haben wir den Karren dann gemeinsam aus dem Dreck gezerrt.
Sie schwärmen immer wieder vom familiären Gefühl bei Viktoria. Machen Sie sich Sorgen, dass sich womöglich kein künftiger Arbeitgeber damit messen kann?
Nein, überhaupt nicht. Da gebe ich mich keinen Illusionen hin. Es ist nicht so, dass ich dem beim SV Sandhausen nachtrauern werde. Ich bin eher glücklich, dass ich es hier bei Viktoria hatte. Beispiel Franz Wunderlich: Ich habe noch nie mit jemandem so viele kritische Streitgespräche geführt, aber gleichzeitig gemerkt, dass es für beide nur um die Sache geht. Diese offene Kommunikation in diesem kleinen Team der Entscheidungsträger ist wahrscheinlich einer der Schlüssel zum Erfolg der letzten Jahre.

Die Viktoria-Fans verabschieden Olaf Janßen beim letzten Liga-Spiel in Sandhausen.
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Wo sehen Sie die entscheidenden Veränderungen im Klub in den vergangenen Jahren?
Das Fundament ist die Qualität der Mitarbeiter, die hat sich brutal entwickelt. Wenn ich nur Kevin Rauhut als Torwart-Trainer, Florian Braband für die Athletik und Patrick Loch für die Reha nehme – die haben alle das Zeug für zwei Ligen höher. Über Marian Wilhelm brauch ich nicht viel sagen. Auch Valentin Schäfer mit der Kaderplanung – das ist Bundesliga. Gleiches gilt für unsere medizinische Abteilung. Wir haben inzwischen herausragende Trainingsplätze, einen Kraftraum, der der Liga seines Gleichen sucht. Und zur neuen Saison werden noch die Mannschaftskabinen erneuert. Was die Dinge angeht, die du im Alltag zum Arbeiten brauchst, sind wir hier nah dran am Optimum. Klar ist, ohne Sprit läuft die Maschine nicht. Aber die Verantwortlichen haben bewiesen, dass man auch mit wenig Sprit gut vorankommt.
Vor ein paar Jahren war noch viel mehr Geld für „Sprit“ da. Jetzt muss man in Höhenberg viel mehr darauf achten – doch es läuft besser.
Das sehe ich auch so. Aber erst einmal ist klar: Diese massive Unterstützung von Franz-Josef Wernze war notwendig auf dem Weg nach oben, keine Frage. Dass man auf diesem Weg Fehler macht, ist auch klar. Für mich ist das Entscheidende, dass man aus Fehlern lernt. Und das ist hier eindeutig passiert. Das ist in erster Linie ein Verdienst von Franz Wunderlich, der hier seit über einem Jahrzehnt alles lenkt. Wenn früher irgendwo ein Abfluss verstopft oder ein Dachziegel locker war, wen hat man angerufen? Den Franz natürlich. Und auch jetzt steht er wieder in der Mannschaftskabine und dirigiert die Bauarbeiten. Das ist eine unfassbare Energie, die er aufbringt – neben seinem eigentlichen Hauptjob, der Leitung seiner Firma. Ich ziehe oft den Vergleich, den Franz gar nicht gerne hört, zu Uli Hoeneß. Aber da fallen mir im bezahlten Fußball als Architekten ihrer Vereine nur die beiden ein. Alle anderen sind austauschbar.
Wenn früher irgendwo ein Abfluss verstopft oder ein Dachziegel locker war, wen hat man angerufen? Den Franz natürlich.
Sie sind auch das Gesicht der Viktoria. Da wird Marian Wilhelm Sie kaum auf Anhieb ersetzen können. Noch ein Job für Franz Wunderlich?
Franz wird auf jeden Fall mit Adleraugen auf Marian aufpassen, das ist Fakt. Alles andere wird sich ergeben, da bin ich mir sicher.
Hat Sie die Entwicklung eines Spielers besonders überrascht?
Dass Said El Mala so durch die Decke schießt, war nicht zu erwarten. Wenn er nur einen Teil seiner vergebenen Großchancen genutzt hätte, wäre er Torschützenkönig geworden. Aber auch Dudu, von einem Spielerleben auf der Ersatzbank zum Stammkeeper – diesen Sprung hätte ich ihm nicht so zugetraut. Enrique Lofolomo hatte vorher Schwierigkeiten, einen Ball richtig gut zu stoppen. Jetzt ist er heißbegehrt, er hat einen Riesenschritt gemacht. Sie merken – ich kann hier eine halbe Mannschaft aufzählen.
Trauen Sie Said El Mala den Durchbruch beim 1. FC Köln zu?
Ja, ich traue ihm eine Menge zu. Am Ende des Tages wird es um Einsatzzeiten gehen, damit er sich an das neue Niveau gewöhnen kann. Wenn er von seinem Stammplatz bei uns zu alle fünf Spiele zehn Minuten beim FC kommt, wird es schwierig.
Aktuell gibt es im FC-Kader keinen Profi, der Tempo, Dribbelstärke und Abschluss so vereint, wie Said El Mala.
Absolut, das sehe ich auch so.
Er wird einen Teil der Vorbereitung aufgrund der U-19-EM verpassen.
Förderlich ist das nicht – auf der anderen Seite ist die Europameisterschaft ein absolutes Highlight. Und Said ein absoluter Eckpfeiler der Mannschaft.
Was erwarten Sie für Viktorias neue Saison?
Die Situation ist ähnlich wie im letzten Sommer: Es wird nicht mehr Geld zur Verfügung stehen und einige der Jungs, die wir toll entwickelt haben, werden uns verlassen. Aber: Aufgrund der Erfahrung, die alle gemeinsam gemacht haben, hat da niemand große Kopfschmerzen. Die Viktoria wird wieder konkurrenzfähig sein – gerade in der Kombination mit Marian bin davon total überzeugt. Der Weg, den wir gegangen sind, ist so gefestigt. Wenn ich die Transfers sehe, dann machen die schon wieder viel Sinn. Die Dellen, die mit Sicherheit kommen werden, müssen einfach geschlossen weggeatmet werden. Dann würde ich einen Besen fressen, wenn nicht mindestens vier Teams am Ende der nächsten Saison unter der Viktoria stehen – eher noch mehr.
Welche Rolle hat Marian Wilhelm für den Erfolg der aktuellen Saison gespielt?
Eine entscheidende. Marian hat so viele Dinge übernommen, die ich früher nie aus der Hand gegeben hätte – wie Gegner-Analyse, Spiel-Simulation. Die Jungs mussten sich eigentlich denken: Was ist denn mit dem Alten los? Aber es war ein abgekartetes Spiel von uns (lacht).
Sie sprechen bei ihren Vereinen von „Projekten“. Was steht in Sandhausen am Ende des Projekts? Dient die Viktoria als Vorbild?
Ein großes Vorbild, auf jeden Fall. Aber als ihr zur Viktoria gekommen bin, war das Fundament schon gegossen. In Sandhausen bin ich noch dabei, mit einer Schaufel das Loch für das Fundament zu buddeln. Letztlich fühle ich mich in dieser Rolle wohl. Ich habe da meine Mitarbeiter und meine Ruhe. Wir können es Stein für Stein aufbauen – das macht mir eine Riesen-Freude. Und am Ende möchte ich ein Haus haben, wie hier bei Viktoria.