Kommentar zum Kölner NHL-StarDraisaitls WM-Absage ist nur verständlich

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Leon Draisaitl

Leon Draisaitl

Leon Draisaitl zeigt sich nach seinem Playoff-Rückschlag selbstkritisch und sagt dem DEB-Team ab.

Die Eishockey-Saison für Leon Draisaitl ist also beendet. Der Kölner NHL-Superstar war kürzlich in den Playoffs an den Las Vegas Golden Knights gescheitert, nun folgte der Entschluss, auch keine Spiele mehr für die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft anzuhängen.

Nach dem bitteren Aus mit den Edmonton Oilers ging der 27-Jährige hart mit sich ins Gericht, sprach von „Versagen“, von einem weiteren „verlorenen Jahr“ und monierte seine eigene Leistung, nachdem er in den Spielen zuvor mit einer beeindruckenden Performance von Rekord zu Rekord geeilt war.

Die Frage, ob Draisaitl als bester deutscher Eishockeyspieler noch ins finnische Tempere zur laufenden Eishockey-WM reisen würde, kam sofort auf. Die Hoffnung beim DEB-Team war groß, schließlich schied der Oilers-Angreifer im Vergleich zum letzten Jahr eine Runde früher aus und wirkte körperlich fit. Doch der Kölner entschied sich nun anders.

DEB-Sportdirektor Christian Künast erklärt Draisaitl-Entscheidung

DEB-Sportdirektor Christian Künast gab als Grund für Draisaitls Entschluss dessen körperliche Strapazen „nach 92 NHL-Spielen inklusive zweier intensiven Serien“ an. Und er verwies auf die enge Termin-Lage nach dem Ausscheiden in der NHL. Beim kanadischen Kult-Verein dauert die Aufarbeitung der sporltichen Geschehnisse immer etwas länger. Eishockey ist in Edmonton Lebenselixier. 

Und die Erklärung von Draisaitl ist absolut verständlich: Das Ausscheiden seiner Oilers hatte zwar nur wenig mit dem Kölner selbst zu tun. Draisaitl blieb – anders als im vorigen Jahr – von Verletzungen verschont, und stellte mit 13 Toren sowie fünf Vorlagen eine tolle Form unter Beweis, die deutsche Eishockey-Fans nur allzu gern im Nationalteam begrüßt hätten.

Leon Draisaitl beim Torjubel in Las Vegas

Leon Draisaitl beim Torjubel in Las Vegas

Doch der Druck, an der Seite des besten Eishockeyspielers der Welt – dem Kanadier Connor McDavid – endlich den Stanley Cup zurück nach Edmonton zu holen, steigert sich im Lande Albertas mit jedem Jahr immens. Fällt dieser in Folge des erneuten Scheiterns erstmal ab, wirken Frust und die Suche nach Erklärungen noch einige Zeit nach; körperliche Schmerzen, die während der Endrunde ignoriert wurden, zeigen sich.

Triumph in der NHL ist nicht planbar

Die Liga ist gespickt von Stars, die noch keinen Stanley-Cup gewonnen haben. Nicht wenige werden bis zum Schluss ihrer Karriere in dieser Kategorie bleiben. Der große silberne Henkelpott in der NHL gilt nicht umsonst als derjenige im Mannschaftsport, der am schwierigsten von allen zu gewinnen ist; ein Triumph in der NHL ist nicht planbar. 32 Mannschaften kämpfen zum den Titel. Favoriten gibt es zahlreiche und Außenseiterchancen stehen nicht so schlecht wie etwa in der DEL oder vergelichsweise in internationalen Fußball-Ligen.

Tampa Bay, die drei Jahre lang hintereinander den schwierigen Osten gewannen und zweimal den Stanley Cup, schieden in der ersten Playoff-Runde aus. Ebenso die Boston Bruins, die in der regulären Saison einen Rekord für die Geschichtsbücher erspielten. Der Titelverteidiger aus Colorado schaffte es nicht, seine Verletzungsprobleme rechtzeitig in den Griff zu kriegen und scheiterte ebenso in Runde eins wie die kurzfristig mit Star-Verpflichtungen aufgepumpten New York Rangers, die sich defensiv nicht stabil genug zeigten.

Und dann ist da noch die Abhängigkeit von einem Torhüter, ein riesiger Faktor im Titel-Rennen. Oilers-Trainer Jay Woodcroft setzte in allen Playoff-Partien auf seinen Rookie-Schlussmann Stuart Skinner, der mit 24 Jahren über die gesamte Saison zwar positiv überraschte, doch in der Endrunde nicht mit der erforderlichen Dominanz und Erfahrung aufgetreten war. Torhüter Jack Campbell, der im Sommer mit einem 5-Millionen-Vertrag ausgestattet worden war, blieb nach zahlreichen fehlerhaften Spielen und mangels Vertrauen in den Playoffs meist nur Zuschauer.

Jack Campbell ersetzt Stuart Skinner im zweiten Drittel des fünften Playoff-Spiels.

Jack Campbell ersetzt Stuart Skinner im zweiten Drittel des fünften Playoff-Spiels.

Für einen Triumphzug in der NHL braucht es insofern Erfolg auf vielen Ebenen. Eine Erkenntnis, um die Leon Draisaitl und sein kongenialer Partner Connor McDavid wissen. Ihre Oilers haben über die gesamte Saison zu viele Heimspiele verloren und nie vermocht, eine imposante Heimstärke aufzubauen. So ist es nur bezeichnend, dass auch das Ausscheiden im eigenen Haus verkraftet werden musste.

Draisaitl befindet sich mit den Edmonton Oilers auf einer „Mission“

Leon Draisaitl sollte sich bei aller Selbstkritik also nicht zu sehr grämen. Zur Realität in der NHL gehört eben auch: Egal wie gut ein Eishockey-Spieler spielt, oder wie hoch seine Ambitionen auch sein mögen, in dieser Sportart hat niemand die Chance, dem Geschehen auf dem Eis über die volle Spielzeit seinen Stempel aufzudrücken. Nicht einmal über ihre Hälfte. Mit einer vergleichsweisen hohen Eiszeit von bis zu 25 Minuten pro Spiel, ist auch der Wirkungsbereich eines EishockeyDraisaitls begrenzt. Verloren hat der Kölner nicht allein, sondern eine Mannschaft, mit der Draisaitl noch mindestens zwei weitere Versuche unternehmen wird. Dann läuft sein Vertrag bei den Oilers aus.

Leon Draisaitl wird den Rückschlag mit ein wenig Distanz überwinden und sich im Sommer auf den nächsten Titel-Versuch in Köln vorbereiten. Ein möglicher Vereinswechsel dürfte den Eishockey-Profi dabei nicht belasten: Der Kölner befindet sich mit seiner Gruppe in Edmonton auf einer „Mission“, wie er bereits mehrfach betonte. Zudem halten die Oilers alle Fäden in der Hand und dürften mit ihren Titelambitionen nicht an einem Abgang interessiert sein. Zumal: Draisaitls Vertrag gilt mit 8,5 Millionen Dollar pro Jahr als bester  Superstar-Vertrag der gesamten Liga.

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