Kommentar zu European GamesLiebeserklärung an die kleinen, großen Spiele von München

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Münchenkommi

Gina Lückenkemper feiert den Sieg

Köln – So schön. So schön kann olympischer Sport sein. Leichtathletische Momente für die Ewigkeit in einem architektonischen Meisterwerk. Pulsierende Wettkämpfe mitten in der Innenstadt. Praktikable Wettkampfstätten, die man abbauen und woanders wiederverwenden kann wie im Bahnradfahren. Alles ohne Zwang zu Gigantomanie, alles nah bei den Menschen. Die Europameisterschaften von München zeigen, wie und vor allem was der Sport in einer Welt sein sollte, die an ihrer Größe erstickt, wenn sie sich nicht mäßigt. Niemand hatte das von dieser Veranstaltung erwartet, deren sportlicher Wert von vielen vorher sogar gering geschätzt wurde. Und jetzt kommt man aus dem Staunen gar nicht heraus.

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Selbstverständlich hat die entstehende Euphorie auch damit zu tun, dass deutsche Sportlerinnen und Sportler plötzlich Heldengeschichten schreiben wie Niklas Kaul und Gina Lückenkemper an diesem unvergesslichen Leichtathletik-Abend im Münchner Olympiastadion. Ohne die Abwesenheit amerikanischer, asiatischer und afrikanischer Sportler wäre das so nicht möglich gewesen. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Der Sport existiert, er lebt, er fasziniert Menschen, wenn er die richtige Bühne bekommt und richtig präsentiert wird. Er reißt mit, er transportiert Geschichten. Er ist wichtig. Und es stellt sich die Frage, ob darin die Aufforderung zu einer ultimativen, von allen getragenen deutschen Bewerbung für Olympische Spiele steckt.

Sie kann nach kurzem Nachdenken mit Nein beantwortet werden. Die Olympischen Spiele mit zuletzt 33 Sportarten und 11 300 Athleten stehen immer noch für Gier, Kommerz, Größenwahn, Doping, Ressourcenzerstörung und den politischen Missbrauch des Sports. Trotz aller Bekenntnisse und der erst einmal ermutigenden Vergabe der Spiele an die Städte Paris, Los Angeles und Brisbane hat das Internationale Olympische Komitee noch nicht den Beweis dafür angetreten, dass es ihm ernst ist mit der Abkehr vom Bösen. Dass ein Olympia mit der Besinnung auf die Werte von Fairness, Gleichheit, Respekt und Nachhaltigkeit in seinen Augen eine Chance hat.

Die große Leistung der kleinen Spiele von München mit neun Sportarten und rund 4700 Athleten liegt im Beweis dafür, dass eine internationale Sportveranstaltung mit diesen Werten möglich ist. In ihnen ist Raum für Fröhlichkeit, Ungezwungenheit, Faszination, man möchte fast schon sagen: Naivität. Hier scheinen Sportler, die keine Superstars sind, zum ersten Mal seit langem zu erfahren, dass sie gemocht werden und wichtig sind. Und das fantastische Publikum erfährt, wie wichtig auch es selbst ist. Wie wichtig Sport ist. Und wie schön.

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