Kommentar zum Liga-StartDer FC-Fan blickt auf einen verzerrten Wettbewerb

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Modeste unterschreibt Trikots

Anthony Modeste wird in Dortmund von den BVB-Fans empfangen.

Das folgende Szenario ist gar nicht unwahrscheinlich: Ein Fan des 1. FC Köln freut sich vor Saisonbeginn auf die Auswärtspartie gegen RB Leipzig, für die er sich ein Ticket gesichert hat und kauft sich für 80 Euro vorher noch das Trikot mit der Beflockung seines Lieblingsspielers. Sagen wir: Anthony Modeste.

Nachdem die Bundesliga nun schon begonnen hat und zahlreiche Tickets veräußert sind, wechselt FC-Leistungsträger Modeste tatsächlich aber zu Borussia Dortmund. Er möchte dort lieber Champions League spielen. Der BVB braucht einen Ersatz für den an Hodenkrebs erkrankten Sebastien Haller, der auf unbestimmte Zeit ausfällt. Zudem konnte der BVB an seinem ersten Spieltag gegen Bayer Leverkusen erkennen, wie fragil der eigene Angriff ohne einen echten Mittelstürmer noch agiert - zumal Neuzugang Adeyemi sich auch noch früh im Spiel verletzte. Die wirtschaftlichen Zwänge der Kölner kamen da gelegen. Und zwei Tage nach dem Modeste-Wechsel verstärken sich die mäßig in die Liga gestarteten Leipziger im Sturm mit Timo Werner, einem gestandenen Nationalspieler.

Der FC-Fan wird nun am Samstag in der Red Bull Arena sitzen und höchstwahrscheinlich ein anderes Kräfteverhältnis, und auch eine andere Art der Identifikation zu seinem Verein feststellen, als er erwartet hatte. Womöglich zieht er sein Trikot gar nicht an, oder klebt den Spielernamen aus Enttäuschung ab. Geld zurück gibt es nicht.

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Nun ist es nicht neu, dass Fußballspieler den Verein wechseln, sich Dinge eben verändern. Verträge im Profifußball haben ihre Bedeutung längst verloren. Selbst „Basta“ ist nicht mehr „Basta“, wie das prominente Beispiel Robert Lewandowski uns in Erinnerung ruft. Der Fall Modeste ist nur einer von vielen, aber einer, der stutzig macht.

Es mag auch sein, dass der 1. FC Köln nicht ganz unglücklich ist, kurzfristig noch den Spitzenverdiener von der Gehaltsliste zu bekommen und darüber hinaus für einen 34-Jährigen eine Ablöse zu kassieren. Allerdings stellt sich der Wettbewerb aufgrund des bis zum 1. September geöffneten Transferfensters nach Bundesliga-Start völlig anders dar als vorher. Er ist verzerrt.

Transfer-Deadline sollte mit Beginn der Meisterschaftssaison gezogen werden

Dabei ist es so naheliegend: Die Transfer-Deadline sollte mit Beginn der Meisterschaftssaison gezogen werden. Und zwar europaweit bei gleich getakteten Ligastarts. Dies wäre sportlich im Sinne des Wettbewerbs, mehr noch aber im Sinne der Fans. Als zahlender Fußballanhänger ist es nicht vermessen, die eigenen Erwartungen an eine Fußball-Saison vor ihrem Beginn zu formulieren und daran eine Kaufentscheidung zu koppeln. Daran muss die Uefa denken. Daran müssen die Vereine denken, ohne die ein solches Umdenken nicht stattfinden kann.

Für die Bundesliga wäre dann am 4. August 2022 um Mitternacht Schluss gewesen, auch wenn der BVB dadurch unter Druck geraten wäre. Der 1. FC Köln hätte in diesem Fall vielleicht ebenfalls davon profitiert. Denn Zeitdruck kostet in der Branche meist viel Geld.

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