„Ich war ein Ahnungsloser“Boxweltmeister Charr und sein Manager Jäger im Interview

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Manuel Charr (r.) und sein Manager Christian Jäger am Donnerstag beim Redaktionsbesuch.

Manuel Charr (r.) und sein Manager Christian Jäger am Donnerstag beim Redaktionsbesuch.

Herr Charr, Herr Jäger, Sie sind ein ungewöhnliches Team. Ein Boxer, dem niemand den WM-Titel zugetraut hat und ein Manager, der ganz neu ist in diesem Geschäft. Wie sind Sie zusammengekommen?

Christian Jäger: Ich bin ein extremer Zocker. Ich habe mich mit 22 Jahren selbstständig gemacht und bin durchmarschiert. Der Kontakt zu Manuel kam über einen Trainer in meiner Fitnessfirma Easy Motion Skin. Es hieß, da sei ein Boxer aus Deutschland, der mit Bauchschüssen niedergestreckt wurde und ein Aufbautraining bekommen sollte. Soll er kommen, habe ich gesagt – und ein bisschen recherchiert, wer das eigentlich ist. Das ist mal eine andere Geschichte, habe ich dann gedacht.

Manuel Charr kam also nach Seefeld, um mit Ihrem Elektro-Stimulations-Anzug zu trainieren?

Jäger: Ja, da sind wir immer mehr zusammengewachsen. Ich habe gemerkt: Bis zu den Bauchschüssen hatte er viele Schulterklopfer. Aber die waren alle weg. Er hatte niemanden mehr, keinen Sponsor, nichts. Keiner hat in irgendeiner Form zu Manuel gehalten. Da habe ich gesagt: Dann machen wir beide das jetzt eben.

Manuel Charr: Das Leben ist wie eine Zugfahrt. Da kommen zwischendurch viele Schwarzfahrer, die irgendwann wieder aussteigen. Aber wer begleitet dich bis zum Schluss? Wir saßen also mit Christian zusammen und er sagt: Ich mache dich zum Weltmeister. Ich dachte: Schon wieder so ein Schwarzfahrer. Aber kaum war ich wieder in Köln, kam der Anruf, dass ich ein Ticket buchen soll. Ein neues Gym in Seefeld war aufgebaut, alles war fertig.

Dabei hatten Sie bis dahin nichts mit dem Boxen zu tun, oder Herr Jäger?

Jäger: Ich war ein Ahnungsloser. Meine Berührungen mit dem Boxen bis dahin waren, dass meine Oma um vier Uhr früh aufgestanden ist, um Ali zu gucken. Die Klitschkos kenne ich, die haben ja immer in Österreich trainiert, ich war auch bei einigen Kämpfen. Und meine Eltern haben mir 1966 eine Karte aus Frankfurt geschrieben – ich bin 1965 geboren –, wo sie beim Kampf von Muhammad Ali gegen Karl Mildenberger waren. Die Karte habe ich noch. Und – jetzt muss ich fast weinen – wie ich dann in Oberhausen in der Halle saß und daran gedacht habe, dass ich das jetzt alles gemacht habe mit meinem Schützling, dass wir um die Weltmeisterschaft boxen, und vor 51 Jahren habe ich diese Karte bekommen ...

Und wie finden Sie sich zurecht in diesem eingeschworenen Kreis der Box-Manager?

Jäger: Vielleicht ist gerade das mein und unser Erfolg gewesen, dass ich das alles so ganz anders angegangen bin. Weil ich eben vielleicht keine Ahnung habe. Es ist natürlich ein Haifischbecken, auch wenn ich nicht gerade behaupten will, dass ich der Goldfisch darin bin. Ich kann mich schon zurechtfinden. Und es hat ja auch alles geklappt.

Haben Sie von Anfang an daran geglaubt, dass Ihnen ein Fachfremder einen WM-Kampf würde beschaffen können, Herr Charr?

Charr: Wenn du einen erfolgreichen, seriösen Geschäftsmann hast, der mehrere Firmen an die Spitze geführt hat, dann kannst du dir sicher sein, dass er auch eine Boxfirma führen kann. Man hat das Talent als Geschäftsmann, oder man hat es nicht. Christian Jäger ist ein Macher. Ich bin ein Macher auf meine Art und Weise, weil ich so groß und verrückt denke. Er ist ein Macher auf seine Art und Weise, in geschäftlicher Hinsicht immer erfolgreich gewesen. Man hat in Deutschland gedacht, das Boxen stirbt. Es gab ja kein Boxen mehr ...

Jäger: Es ist weiter schwierig, Manuel. So ist es nicht, dass durch den Weltmeistertitel gleich wieder der ganz große Hype herrscht.

Charr: Jetzt muss ich dich wieder korrigieren, das ist das Boxwissen, das du nicht hast, Chef. Wir sind Weltmeister im Schwergewicht, das ist die Königsklasse, das ist der oberste Hype in Deutschland. Sei dir sicher, in der nächsten Zeit wirst du Anrufe von interessanten Fernsehsendern bekommen.

Herr Jäger, Sie sagen, dass Sie 1,4 Millionen Euro in den WM-Titel von Manuel Charr investiert haben. Auch von Sky, dem übertragenden Sender, gab es kein Geld?

Jäger: In der Kürze dieser Zeit ist ja nichts möglich. Da musst du froh sein, wenn überhaupt übertragen wird. Wir hatten ja nur sechs Wochen. Ich habe Leute aus meiner Firma genommen und gesagt, wir machen jetzt die Weltmeisterschaft. Die wussten auch nichts. Aber wir haben es gut hinbekommen, es war eine schöne Veranstaltung. Das Geld ist von uns gekommen, fertig aus. Sonst von niemandem. Ich gehe aber auch davon aus, dass wir jetzt gute Angebote bekommen. Nicht nur wegen des boxerischen Erfolgs, sondern weil Manuel ein Typ ist. Es gibt ja klasse Sportler mit Medaillen und Weltmeistertiteln, aber die sind alle so nett und so ordentlich, da bist du nach einem Artikel für das nächste halbe Jahr fertig.

Sportlich gibt es auch Kritik. Manch einer sagt, dieser WM-Kampf sei nicht rechtmäßig, die gute Ranglistenposition von Manuel Charr mehr Glück als Können gewesen.

Jäger: Wenn wir nicht ein bisschen Glück gehabt hätten, und das war das Fehlverhalten der anderen, dann wären wir jetzt noch nicht dran gewesen. So ist es einfach. Aber ich kann nichts erkennen, wo eine Mauschelei oder eine Unsportlichkeit gewesen wäre. Es hat Manuel recht weit nach vorn gespült, als er im letzten September den WBA-International-Titel geholt hat. Die anderen Verschiebungen waren, weil andere rausgeflogen sind, aus verschiedensten Gründen. Und dann kamen wir durch Doping und Nichteinigung in die Position, mit Alexander Ustinov und Fres Oquendo zu reden.

Charr: Für mich war das gegen Ustinov eine echte Weltmeisterschaft. Es ist kein einfaches Ding, gegen einen 2,03-Meter-Hünen zu boxen, der 130 Kilo auf die Waage bringt und in 35 Kämpfen 34 Siege hatte. Ich musste aufpassen.

Jäger: Da hat es zu Zeiten Klitschkos bei seinen freiwilligen Titelverteidigungen sicherlich schwächere Gegner gegeben. Und Manuel noch ein Jahr weiter – dann kann er es sicher auf Augenhöhe mit wirklich jedem aufnehmen. Für die ganz Großen wäre es jetzt noch zu früh (sieben Monate nach dem Einsatz von zwei neuen Hüftgelenken, d. Red.). Nicht vom Mut her, da kannst du ihn hinschicken, wo du willst. Aber von der Vernunft her.

Charr: Du verletzt mich gerade.

Jäger: Aber das ist vernünftig.

Charr: Ich kann nicht vernünftig sein, ich will die Besten boxen.

Das Gespräch führte Susanne Rohlfing.

Charrs nächster Kampf soll in Köln steigen

Nach dem Wirrwarr um seine Nationalität wollen sich der neue WBA-Schwergewichtsweltmeister Manuel Charr und sein Manager Christian Jäger, ein reicher Unternehmer aus Österreich, nun um die sportliche Zukunft des gebürtigen Libanesen, der in Deutschland lebt, seit er vier Jahre alt ist, kümmern. Einen deutschen Pass hat Charr bisher nicht, und Jäger räumt ein: „Es sind Fehler gemacht worden, aber sicherlich nicht absichtlich.“

Bis Ende März 2018 muss Charr seinen Titel gegen Fres Oquendo (44) aus Puerto Rico verteidigen. Am liebsten würde er das in der Kölner Lanxess-Arena tun. (sro)

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