Bora-Chef im InterviewRalph Denk über den Rockstar des Radsports

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Peter Sagan zählt zur Weltspitze des Radsports.

  • Ralph Denk ist Teamchef des deutschen World-Tour-Teams Bora-hansgrohe.
  • 2010 gründete er die Mannschaft zunächst als Team NetApp.
  • Im Interview spricht er unter anderem über Topfahrer Peter Sagan und den Klassiker Mailand - Sanremo.

Köln – Herr Denk, Ihre Mannschaft hat in dieser Saison bereits acht Siege eingefahren, es rangiert damit auf Position fünf der Weltrangliste wie am Ende der vorigen Saison, wo Ihrer Auswahl 33 Erfolge gelungen sind. Entsprechend zufrieden dürften Sie sein.

Es läuft gut. Allerdings ist die Anzahl der Siege für uns nicht das Wichtigste. Für uns ist entscheidend, dass wir die großen Rennen wie Paris-Roubaix gewinnen, wie es uns im Vorjahr mit dem Slowaken Peter Sagan gelungen ist. Die Wertigkeit und das mediale Interesse sind nach einem Sieg bei Paris-Roubaix einfach riesengroß. Deshalb ist für uns die Quantität der Siege nicht so entscheidend wie die Qualität eines Erfolges.

Wie bewerten Sie Ihr Teamprojekt? Wo stehen Sie mit Bora-hansgrohe?

Ich würde schon sagen, dass wir eines der besten Radteams der Welt haben. Wir haben 2018 das größte Eintagesrennen mit Paris-Roubaix gewonnen, wir haben an einem Tag schon das Gelbe Trikot der Tour de France tragen dürfen, haben dort Etappen gewonnen – alles durch Peter Sagan. Aber nun gut, der Ritterschlag ist einfach der Gesamtsieg bei der Tour de France. Das ist mein persönliches Ziel. Allerdings ist es schon sehr schwer, weil man da einen wahnsinnig starken Kader braucht, für den man sehr viel Geld benötigt. Und in der Geldrangliste gehören wir sicherlich nicht zu den Top-Drei der Welt.

Wer aus Ihrem Team könnte Ihren Tour-Traum denn umsetzen?

Wir haben einige junge Sportler, die sehr interessant sind. Ich denke da an die beiden Deutschen Emanuel Buchmann und Maximilian Schachmann sowie die Österreicher Gregor Mühlberger, Patrick Konrad oder Felix Großschartner. Ob einer von den Fünfen das Potenzial für einen Tour-Sieger hat, ist noch zu früh zu sagen, sie brauchen noch ein bis zwei Jahre.

Haben Sie denn die Hoffnung, dass Sie den nötigen Etat für eine Mannschaft zusammenbekommen, die ein Tour-Sieger benötigt?

Im Moment haben wir eine andere Ausrichtung. Wir haben mit Peter Sagan den Rockstar des Radsports bei uns, der verschlingt natürlich schon finanziellen Ressourcen. Wenn man die in einen Bergfahrer investiert, dann könnte man vielleicht aus unserem Budget schon eine Tour-Siegermannschaft zusammenstellen. Aber beides gemeinsam geht nicht.

Die acht Saisonsiege Ihres Teams haben fünf verschiedene Profis eingefahren und eben nicht Peter Sagan, der auf einen Erfolg kommt. Was bedeutet Ihnen das?

Das war mein oberstes Ziel. Wir sind seit 2017 in der ersten Liga dabei und haben für dieses erste World-Tour-Saison schon Peter Sagan verpflichtet. Dann hieß es: Klar, die haben Sagan, der gewinnt denen schön was und das ist das Sagan-Team. Aber das wollte ich überhaupt nicht. Ich wollte weiterhin meine Identität weiterverfolgen: Erfolg auf mehrere Schultern verteilen. Dass wir Peter Sagan haben, hat aber letztlich allen gutgetan. Er bietet Hilfestellung an und gibt sich nicht arrogant.

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Ralph Denk

Welchen Wert  hat Peter Sagan für Sie, Ihr Projekt und Ihr Team?

Er hat einen sehr großen Wert, weil er der einzige Radsportler ist, der medial und was die Werbung betrifft, auch außerhalb der Radsport-Szene funktioniert, weltweit. Und dazu kommen ja noch seine herausragenden sportlichen Fähigkeiten.

Wie haben Sie  Sagan bisher in Ihrem Team erlebt?

Er versteht, dass er nur gut fahren kann, wenn die Mannschaft funktioniert. Er kann seine Helfer sehr gut motivieren. Das fängt an bei Kleinigkeiten und endet bei interessanten Dingen. Bei seinem 100. Profisieg im vorigen Jahr in Montreal hat jeder – vom Mechaniker über den Pfleger bis hin zu seinen Helfern, insgesamt 24 Mann – ein neues iPad von ihm bekommen.  Er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass er dieses Ding 24-Mal in Montreal einkaufen konnte. Das sind Gesten, die viel mehr wert sind, als würde er den Leuten den Wert eines iPads aufs Konto überweisen. 

Was zeichnet  Sagan sportlich aus?

Er ist vielleicht nicht mehr so ungestüm wie er es als junger Fahrer einmal war. Er geht nun sehr überlegt an seine Aufgaben heran, und er ist ein richtig starker, vielseitiger Fahrer. Dass er große Rennen gewinnen kann, beweist er immer wieder. Wir sind sehr happy mit ihm.

Hat Sie die Tatsache, dass  Sagan viel Aufmerksamkeit garantiert durch seine bisweilen exaltierten Aktionen, auch gereizt?

Ja, auf jeden Fall. Das ist das, was unsere Sponsoren eingekauft haben. Wenn ein Sportler erfolgreich ist, hat er eigentlich auch einen speziellen Charakter. Die großen Aushängeschilder haben, freundlich formuliert, auch einen kleinen Hau weg. Aber das zahlt auf die Marke ein und macht Sportler wie Sagan sympathisch.

Am Samstag nun steht der erste große Frühjahrsklassiker an, Mailand-Sanremo, ein Rennen, das schwer ist, selektiv und insofern wie gemacht für Ihren Kapitän. Was trauen Sie Sagan zu?

Die Vorbereitung lief nicht ganz optimal. Peter war ein paar Tage krank. Für uns ist es ganz gut, dass der Ire Sam Bennett in Topform ist, er hat zwei Etappen bei Paris-Nizza gewonnen. Insofern hätten wir einen Plan B, wobei Bennett aktuell deutlich mehr ist als ein Plan B.

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Das Problem für Sagan ist, dass er zwar viel versucht bei Mailand-Sanremo, vor allem in den letzten Anstiegen Cipressa und Poggio, dass er aber  quasi manngedeckt wird, und sich kaum vom Feld lösen kann…

… vielleicht ist es für ihn jetzt einfacher, wo er nicht so auffällig ist, weil er 2019 nicht das Regenbogentrikot des Weltmeisters trägt. Er war schon zweimal Zweiter in San Remo, einmal auch, 2017, bei uns, das war ein taktisches Missgeschick, da hat er den Sprint zu früh eröffnet.  Das passiert ihm hoffentlich nicht noch einmal.

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