NHL sucht ihren MeisterLeon Draisaitl & Co. sind im Corona-Modus

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Der Kölner NHL-Star Leon Draisaitl

Köln – Und sie spielen doch noch Eishockey. Am 1. August, nach gut viereinhalb Monaten Pause, setzt die nordamerikanische National Hockey League (NHL) ihre Saison 2019/20 fort, die am 12. März wegen der Corona-Krise unterbrochen wurde. Seit dem 13. Juli sind die besten Eishockey-Profis der Welt wieder im Training, um fit für diese besondere Endrunde zu werden, die nicht wie gewohnt im Frühjahr, sondern im Hochsommer startet. „Den Rhythmus zurück zu bekommen“, sei die größte Herausforderung, sagt der 24-jährige Kölner Draisaitl von den Edmonton Oilers – und: „Das System wieder ins Spiel hineinzukriegen als Team. Das wird nicht einfach, keine Frage. Aber jede Mannschaft sitzt da im gleichen Boot. Wer am besten vorbereitet ist und am besten diese Challenge akzeptiert, wird größtenteils am Erfolgreichsten sein.“

Geister-Eishockey steht an

Die NHL-Playoffs 2020 sind jedoch nicht nur wegen der Jahreszeit speziell für alle Beteiligten. Geister-Eishockey ist angesagt. Zuschauer sind nicht zugelassen. Zudem gelten Hygieneauflagen, welche die Gesundheit der Spieler schützen sollen. Die Partien finden nur in zwei kanadischen Städten statt, Edmonton für die Western und Toronto für die Eastern Conference. An den beiden Spielorten, genannt „Hub Cities“, werden strikte Regeln gelten. Jeweils mehr als 200 Security-Mitarbeiter und Hygienebeauftragte sollen sicherstellen, dass kein Profi, Trainer oder Funktionär mit der Außenwelt und ihren Viren in Berührung kommt. Ab dem Conference Finale wird ausschließlich in Edmonton gespielt.

Mit Zäunen werden die Arenen vom Rest der Welt abgeschirmt. Die Spieler müssen quasi in Kasernen leben, nämlich in abgeriegelten Hotels, drei in Edmonton, zwei in Toronto. Und das eventuell bis zum 4. Oktober, dem Termin, eines möglichen siebten und letzten Playoff-Spiels des Stanley-Cup-Finals. „Ich glaube, dass das nicht ganz so einfach ist für viele Jungs und viele Familien. Wer das am besten ausblenden kann für eine gewisse Zeit, für den wird das am Einfachsten sein“, sagt Draisaitl, der mit den Oilers immerhin in seiner gewohnten Halle antreten darf.

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Täglich sollen sämtliche Profis, die noch im Spielbetrieb sind, auf Corona getestet werden. Die Ergebnisse der Proben sollen stets innerhalb von 24 Stunden vorliegen. Seit dem Start der Trainingscamps gab es nach Angaben der Liga nur zwei positive Tests bei mehr als 800 Spielern. „Ich kann Ihnen sagen, dass wir in dieser Woche bisher noch kein bestätigtes positives Ergebnis hatten“, sagte der stellvertretende NHL-Leiter Bill Daly am vergangenen Donnerstag bei der Präsentation des Playoff-Konzepts. „Ich denke, es zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der die Spieler die notwendigen Vorkehrungen treffen.“ Die Mannschaften haben nach jedem Spiel eine Stunde Zeit, ihre Kabinen zu verlassen, damit sie gereinigt und desinfiziert werden können.

Damit die Eishockey-Cracks während dieser keimfreien Endrunde keinen Lagerkoller bekommen, wird es innerhalb der Sicherheitszonen diverse Restaurants, Kinoräume und Fitnessstudios geben, Terrassen und andere Außenbereiche. Zudem Konferenzräume für Mannschaftsbesprechungen und Spielerlounges, in denen die Profis sich auch die Partien der Konkurrenz ansehen können.

Die Spiele werden mit besonders viel Technik in die ganze Welt übertragen. Die Hallen-Stimmung wird aus Lautsprechern kommen, 32 Kameras, zwölf mehr als sonst, sind pro Begegnung im Einsatz. Jede Mannschaft bekommt ihre eigene Tor-Musik. „Es wird ein insgesamt ungewöhnliches Unterfangen sein“, meint NHL-Chef Gary Bettman. „Manchmal wird es herausfordernd sein, aber ich versichere Ihnen, dass wir alles tun, um es zu einer Erfahrung zu machen, die Sie hoffentlich nie vergessen werden. Auf eine gute Art und Weise.“

Draisaitl trifft mit den Oilers auf Chicago

Die acht Mannschaften, die bereits für die Playoffs qualifiziert sind (Boston, Philadelphia, Colorado, St. Louis, Tampa Bay, Las Vegas, Washington, Dallas), spielen zunächst in einer „Round Robin“ (jeder gegen jeden) um die beste Platzierung für die Endrunde, die im gewohnten Modus „Best of 7“ ausgetragen wird. 16 weitere Mannschaften treten um die restlichen acht Playoff-Plätze in einer Qualifikationsrunde („Best of 5“) an. Draisaitl und die Oilers messen sich ab dem 1. August mit den Chicago Blackhawks.

Überraschungen sind möglich, da sich die Mannschaften zum ungewohnten Zeitpunkt neu formieren und die Profis ihre Wettkampfform finden müssen, mental und physisch – was nicht einfach ist. „Im Eishockey brauchst du normalerweise ein paar Wochen, um wieder reinzukommen“, sagt Draisaitl. „Körperlich probiert man sich so gut wie möglich vorzubereiten, trotzdem wird sich viel im Kopf abspielen.“

Draisaitl, der Topscorer

Vor der Unterbrechung war die Saison, Draisaitls sechste in der NHL, gut für ihn gelaufen, er wurde mit seinen 110 Punkten (43 Tore, 67 Assists) aus 71 Spielen als Topscorer der „Regular Season“ ausgezeichnet – als erster deutscher Profi der NHL-Historie. Außerdem ist Draisaitl, wie am Dienstag bekannt wurde, einer der drei Finalisten für die „Hart Memorial Trophy“ des wertvollsten Spielers der Hauptrunde, der von der der Spielergewerkschaft NHL Players’ Association gewählt und während der Playoffs bekannt gegeben wird. Draisaitls Konkurrenten sind der Kanadier Nathan MacKinnon (24) von den Colorado Avalanche und der Russe Artemi Panarin (28) von den New York Rangers. „Man freut sich natürlich, keine Frage“, sagt Draisaitl. „Es ist eine große Ehre, von den Spielern in der ganzen Liga dafür nominiert zu werden. Ich bin da in einer gewissen Art und Weise auch sehr stolz drauf.“

Sollte Draisaitl die Wahl gewinnen, wäre er ebenfalls der erste Deutsche, dem diese Ehre zu Teil wird. Falls diese speziellen Playoffs außergewöhnlich gut für ihn und die Oilers laufen sollten, sind weitere Auszeichnungen möglich. Auch in der Endrunde wird der wertvollste Spieler gekürt.

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