Radsportler aus HürthAndré Greipels schwerste Tour

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André Greipel vor dem Start der Tour

  • Der Sprinter André Greipel aus Hürth hat bei der Tour bisher keine Chance auf einen Etappengewinn gehabt.
  • Die Kollegen in seinem Team Arkéa Samsic beherrschen die Arbeit in den Massensprints nicht ausreichend.
  • Auch am Montag bei der Windkantenetappe nach Albi schaffte es Greipel nicht, in die Entscheidung einzugreifen. Er ist unzufrieden.

Albi – Schon beim Start in der malerischen Kleinstadt Saint-Flour hatte der Tour-Veteran André Greipel am Montag die Gewissheit, dass es nichts geben würde mit einem erfolgreichen Sprint im Finale. „Ich fühle mich zurzeit wie eine Flipperkugel“, sagt er und meint damit seine Position im Sprint, alleingelassen von seinen Kollegen im Team Arkéa Samsic, die die Arbeit, die das Metier der schnellen Männer erfordert, nicht kennen und auch nicht in einem Schnellkurs vermittelt bekommen können. Und so fliegt Greipel im Endspurt von links nach rechts, nach vorn und hinten – wie die silberne Murmel, die im Spiel auf abschüssiges Geläuf gejagt wird.

Am Montag schaffte es Greipel bei der Windkantenetappe nach Albi nicht, in die Entscheidung einzugreifen. Insofern hatte er in Bezug auf seine Person durchaus das richtige Gefühl. Es gab einen Sprint aus einer kleinen Gruppe, in der Greipel nicht vertreten war. Die zehnte Etappe dieser Tour de France beendete er letztlich weit abgeschlagen.

Greipel, der in Hürth-Stotzheim wohnt, ist einer der großen Sprint-Champions seiner Generation, 156 Erfolge sind für ihn bereits zusammengekommen, und auch bei der Tour de France war er sehr erfolgreich: Elf Etappen hat er dort gewonnen. Am Montag wurde er zudem an seine Premiere in Frankreich erinnert, als das Feld nach knapp 190 von 217 Kilometern Carmaux in Okzitanien passierte – dort hatte Greipel am 12. Juli 2011 erstmals eine Tageswertung bei der Tour für sich entschieden. Seine erfolgreichste Zeit bei der Tour erlebte Greipel 2015, als er vier Sprints für sich entschied, darunter auch die Premium-Etappe auf den Champs-Élyseée von Paris, wo er auch 2016 gewann.

Höchste Wertschätzung vom Tour-Direktor

Für Tour-Direktor Christian Prudhomme ist Greipel „ein außergewöhnlicher Sieger“, und es lag gewiss auch an dieser Wertschätzung von höchster Stelle, dass Greipels Team Arkéa Samsic, das nur eine Lizenz für die zweite Kategorie der Profiteams besitzt, in diesem Juli eine Wildcard von den Tour-Organisatoren bekam. Der andere Grund dürfte Warren Barguil sein, der aktuelle französische Meister, der 2017 die Bergwertung der Frankreich-Rundfahrt gewann. Doch das Team hat bisher nicht gehalten, was es versprochen hat. Greipel gibt zu, dass er „sportlich gesehen meine schlechteste Tour“ erlebt. Zweimal Rang zwölf in den Sprints – das ist nicht das, was er will.

Viel ist in diesem Jahr schiefgelaufen rund um Greipel, der an diesem Dienstag 37 Jahre alt wird. Sein Anfahrer Robert Wagner fällt wegen hartnäckiger Verletzungen und zuletzt einer Borreliose aus. Greipel selbst litt lange unwissentlich an einem gestörten Bakterienhaushalt im Magen, im Mai erst wurde die Krankheit entdeckt, was sich auf seine Form auswirkte. Rein sportlich gehe es ihm jetzt aber wieder „richtig gut“. Was fehlt, ist die Sprint-Unterstützung seiner Kollegen. Er werde zwar weiter versuchen, im Finale dabei zu sein. Grundsätzlich aber haben sich bei Greipel nun die Prioritäten verschoben. Ihm geht es derzeit vor allem darum, „hier alles Tag für Tag zu genießen“.

Denn es könnte sein, dass diese Tour – Greipels neunte – seine letzte ist. Er hat zwar noch einen Vertrag bis 2020, doch ob Arkéa-Samsic im nächsten Jahr wieder eine Einladung bekommt, ist offen. Und dann sagt Greipel: „Ich weiß nicht, was mit meinem Vertrag passiert, ob ich bleibe oder aufhöre. Weiß der Geier.“ Doch kurz darauf schwächt er seine Aussage ab: „Ich möchte weiter Rennen fahren.“ Irgendwas mit Radsport schwebt ihm für die Zeit nach der Karriere vor, als Sportdirektor möchte er künftig nicht arbeiten, zu aufwendig für einen verheirateten Vater von zwei Töchtern. Einen Job als Repräsentant kann er sich aber vorstellen. Wann auch immer.

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