„Bin massiv stolz auf mich“Kölner Turnerin Sarah Voss schafft Einzug ins WM-Finale

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Sarah Voss bei der WM in Stuttgart

  • Sarah Voss sorgt bei der Turn-WM in Stuttgart für Furore.
  • Die Kölnerin vom Turnteam der Deutschen Sporthochschule steht in zwei Finals.
  • Voss ist bei den Frauen das, was den Männern fehlt: Das Gesicht der Zukunft.

Stuttgart – Die Turn-WM geht weiter für Sarah Voss, und sie kann es gar nicht recht glauben. Die 19-Jährige vom Turnteam der Deutschen Sporthochschule Köln kann nur staunen, dass sie   es ebenso wie die Stuttgarterin Elisabeth Seitz, ihr „Idol aus Kindertagen“, ins Mehrkampffinale am Donnerstag  und zudem ins Schwebebalken-Finale am Sonntag geschafft hat. „Das ist ein immenser Erfolg, ich bin massiv stolz auf mich“, sagte Voss dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. 

Alles im Leben von Sarah Voss ist schon seit vielen Jahren auf die Olympischen Spiele im nächsten Sommer in Tokio ausgerichtet. Sie wird dann im perfekten Alter sein.  Einerseits erfahren genug für einen großen Auftritt, andererseits jung und frisch genug für absolute Höchstleistungen. „Tokio 2020, darauf haben wir bei Sarah alles ausgerichtet“, sagte ihre Heimtrainerin Shanna Poljakowa. Für Stuttgart 2019 hatte die Trainerin diese Prämisse ausgegeben: „Wir wollen das Beste für das Team geben, um im nächsten Jahr noch einen drauf zu setzen.“

Voss ist bei den Frauen das, was den Männern  fehlt: Das Gesicht der Zukunft. Ihre Vorbereitung in diesem Jahr war nicht perfekt. Sie konnte es nicht sein. Bis zum Abitur im Mai hatte die Schule Vorrang. Zuletzt plagte sie zudem eine Fußverletzung. Ihr Programm ist deshalb leicht abgespeckt. Beim Abgang am Schwebebalken kann sie mehr, am Sprung, ihrem Paradegerät, sowieso. Hier hatte sie bei der EM im vergangenen Jahr ganz knapp Bronze verpasst. 

So kam der WM-Vierkampf völlig unverhofft für Sarah Voss, eigentlich war sie nur für drei Geräte vorgesehen. Der Stufenbarren, das beste Gerät der deutschen Turnerinnen, ist ihr schwächstes. Oder anders: Andere Deutsche sind hier stärker. Elisabeth Seitz etwa. Die 25-Jährige ist WM- und EM-Dritte an diesem Gerät und hat am Sonntag beste Chancen, in ihrer Heimatstadt eine weitere Stufenbarren-Medaille zu gewinnen.

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Sarah Voss

Sophie Scheder aus Chemnitz hat 2016 in Rio Bronze an den Doppelholmen gewonnen. Und auch Kim Bui (30/Stuttgart) und die 16 Jahre alte Emelie Petz (Backnang) sind ausgemachte Spezialistinnen am Stufenbarren. Es gab für Voss also keinen Grund, sich im Sinne der Team-Qualifikation explizit am Stufenbarren vorzubereiten. Trainiert hat sie das Gerät trotzdem, zuletzt auf Grund ihrer Fußverletzung sogar etwas mehr als normalerweise – aber nie mit dem Gedanken, hier bei der WM in Stuttgart  antreten zu müssen.

Doch dann fiel die Olympiadritte Scheder aus, und Pauline Schäfer (22/Chemnitz), Schwebebalken-Weltmeisterin von 2017, rückte ins Team.  Sie ist die einzige mit einer schwächeren Schwebebalken-Übung als Voss. Also musste die Kölnerin in der WM-Qualifikation doch am Stufenbarren turnen. Sie machte ihre Sache richtig gut. „Und das hat mir die Finalteilnahme im Mehrkampf beschert“, sagte sie. „Damit habe ich meinen Soll erfüllt, jetzt hoffe ich, meine Leistung noch einmal so abrufen zu können.“ 

Überraschung bei den Deutschen Meisterschaften

Schon bei den Deutschen Meisterschaften in diesem Jahr stahl Sarah Voss allen die Show und gewann überraschend den Mehrkampf. Sie ist also gut für Überraschungen und hat keine Hemmungen, sich auch gegen jene durchzusetzen, die sie als Idol bezeichnet. In diesem Jahr hat sich Voss zudem eine neue mentale Stärke zugelegt. Den Kopf aus und den Körper auf Automatik schalten, das ist das Ziel. „Dem Körper vertrauen, dass er alles kann und der Verstand eigentlich nur stört“, so beschreibt es Voss. Sie kann das inzwischen ganz gut. „Das kann nicht jeder so gut umsetzen“, erklärt Shanna Poljakowa.

Mit ihren 1,67 Metern ist Voss eine große, sehr elegante Turnerin. Ganz anders als die 1,42 Meter kleine Simone Biles aus den USA, als Mehrkampf-Olympiasiegerin und mit 14 WM-Titeln aktuell der Shooting-Star der Szene. Für sie geht es in Stuttgart um Superlative: Alle sechs möglichen Titel (Team, Mehrkampf, vier Geräte-Goldmedaillen)  – das hat noch keine Turnerin bei einer WM geschafft. Sarah Voss kann hautnah dabei sein. Und viel lernen für ihr großes Ziel: Die Olympischen Spiele 2020.

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