Olympische Spiele 2032„Rhein-Ruhr hat die bessere Ausgangslage als Berlin“

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Im Juli und August 2020 finden die Olympischen Spiele in Tokio statt. Für 2032 möchten sich die Rhein-Ruhr-Region und Berlin bewerben. 

Frankfurt/Main – Bei der möglichen Bewerbung um die Olympischen Spiele 2032 ist eine Vorentscheidung zugunsten der Region Rhein-Ruhr gefallen. Die Stimmungslage im Rhein-Ruhr-Gebiet zeichne „ein erfreulich positives Bild in jeder der beteiligten Kommunen“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann im Interview. Damit biete die Initiative in Nordrhein-Westfalen „eindeutig die bessere Ausgangslage“ als derzeit Berlin.

Das Thema Olympia-Bewerbung wird seit Monaten diskutiert. Sie wollten die nicht erfolgreichen Bewerbungsanläufe mit München und Hamburg analysieren und unter anderem die Stimmung in der Bevölkerung berücksichtigen. Wie weit ist DOSB schon gekommen?

Wir haben uns in den letzten Monaten sehr intensiv mit verschiedenen Analysen auseinandergesetzt. Zum einen haben wir das Erbe unserer verschiedenen Bewerbungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten systematisch analysiert. Dabei ist deutlich geworden, wie wertvoll Bewerbungen um die Olympischen und Paralympischen Spiele für die Infrastruktur, die Sportentwicklung, das Image und das internationale Netzwerk einer Stadt sind. Diese wertvolle Übersicht wollen wir in den nächsten zwei Monaten als Grundlage für die weiteren Diskussionen komplettieren.

Gibt es schon Erkenntnisse zur Haltung der Bürger?

Dazu haben wir auch die momentane Stimmungslage in der Bevölkerung von Berlin und Nordrhein-Westfalen zum gesamten Themenkomplex durch eine Forsa-Umfrage ermitteln lassen. Auch diese Erkenntnisse werden wir nun mit den betroffenen Regionen und mit den Mitgliedsorganisationen des DOSB in aller Ruhe besprechen.

Was bedeutet das konkret für Berlin und NRW?

Der Bewerbungsprozess hat sich verändert und die Entscheidung wird, wie es aktuell aussieht, für die Sommerspiele im Jahr 2032 vom Internationalen Olympischen Komitee wesentlich früher getroffen, so dass man nur noch einen relativ überschaubaren Zeitraum zur Verfügung hat, um eine mögliche Bewerbung auf den Weg zu bringen. Um dieses Szenario mit einer denkbaren Vergabe bereits im Jahr 2022 zielgerichtet und erfolgreich zu gestalten, fehlt Berlin wohl die dafür notwendige Vorlaufzeit. Das gilt zum einen für das Konzept, weil das ehemalige Konzept 2024 nicht mehr vollumfänglich verwendbar ist. Zum anderen zeigt sich in der Forsa-Analyse, dass die Stimmungslage in Rhein-Ruhr ein erfreulich positives Bild in jeder der beteiligten Kommunen zeichnet und damit eindeutig die bessere Ausgangslage bietet als derzeit Berlin.

Zur Person

Alfons Hörmann (59) ist seit 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Der Unternehmer war zuvor von 2005 bis 2013 Präsident des Deutschen Skiverbandes. (dpa)

Berlin ist damit für 2032 aus dem Rennen?

Fairerweise muss man dazu natürlich betonen, dass Rhein-Ruhr bereits einen zwei- bis dreijährigen Prozess hinter sich hat, den Berlin so nicht hatte. Somit reicht nach menschlichem Ermessen und logischer Abwägung die für eine Bewerbung 2032 zur Verfügung stehende Zeit für Berlin nicht mehr aus. Berlin als Hauptstadt und Sportstadt Nr. 1 in Deutschland wäre aber für 2036 oder 2040 allemal ein interessanter und nahe liegender Bewerber.

Hat also die von der Landesregierung unterstützte Initiative Rhein-Ruhr den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung?

Michael Mronz hat mit der Landesregierung und den beteiligten 14 Städten der Region in den letzten beiden Jahren eine sehr gute Grundlagenarbeit geleistet. Dem zwischenzeitlich erarbeiteten tragfähigen Konzept hat neben dem Landtag auch bereits etwa die Hälfte der Stadträte zugestimmt. Auch die erfreulichen Ergebnisse der Forsa-Umfrage lassen den Schluss zu, dass aus heutiger Sicht eine solide Ausgangsbasis für weitere Aktivitäten gegeben sein sollte.

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Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Im Zuge des Hamburger Bewerbungsvorhabens für die Sommerspiele 2024 lag die Zustimmung in der Stadt und in Deutschland bei rund 60 Prozent. Am Ende votierten 51,6 Prozent der Hanseaten in einem Referendum dagegen. Was für einen konkreten Wert haben Umfragen?

Solche Umfragen spiegeln naturgemäß immer nur die aktuelle Stimmungslage wider. Die damaligen Umstände in Hamburg waren jedoch absolut außergewöhnlich, weil zahlreiche negative Einflüsse auf internationaler und nationaler Ebene binnen weniger Wochen zusammengekommen sind und zu einem negativen Stimmungsumschwung geführt haben. Vom Anschlag im Stadion in Paris mit der folgenden Länderspielabsage in Hannover über die gleichzeitige Flüchtlingskrise im Herbst 2015 bis hin zum FIFA-Skandal und den Bedenken der Bürger rund um die offene Finanzierungsfrage zwischen der Stadt Hamburg und der Bundesregierung – das waren im Rückblick die wohl prägenden Themen, die zum knapp negativen Ergebnis für Hamburg führten.

Wie kann man die Bevölkerung wieder mehr begeistern? Mit modernisierten Sportstätten?

Eine solche Initiative wäre eine mehr als wertvolle Unterstützung für eine Verbesserung der Stimmungslage, weil die Menschen im ganzen Land davon in hohem Maße profitieren würden. Für jeden in Sportdeutschland wäre praktisch erkennbar, wie eng die Breite und die Spitze im Sport verbunden sind und sich wechselseitig befruchten. Wenn sich die Menschen in Deutschland aufgrund einer solchen Initiative wieder mehr bewegen würden, dann hilft das sicher auch im Hinblick auf die Akzeptanz der wertvollen Sportgroßveranstaltungen.

Was muss nun die Initiative Rhein-Ruhr und das Land NRW tun, um von einem Interessenten zum Bewerber zu werden?

Zum einen muss das fertige Konzept von Rhein-Ruhr vorliegen. Dabei muss insbesondere klar sein, wie die mögliche Finanzierung aussieht. Es gilt, die entscheidende Frage zu beantworten, wie eine konkrete Mittelverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen gestaltet werden kann. Denn gerade das war der wohl entscheidende Punkt auf der Zielgeraden in Hamburg: Es wurde ein erheblicher Mittelbedarf aufgezeigt, aber niemand konnte ganz konkret sagen, wie dieser gedeckt wird. Der zweite entscheidende Punkt ist die demokratische Legitimation: Wie und wann werden das Land und die Städte die mögliche Bürgerbeteiligung organisieren? Gerade in den Kernstädten wie zum Beispiel Köln und Düsseldorf brauchen wir eine deutliche Zustimmung, weil das Konzept andernfalls sinnlos und zum Scheitern verurteilt wäre.

Anders als bei den vorherigen Olympia-Bewerbungen soll diesmal erst die Zustimmung aus der Politik erfolgen?

Auch wenn uns das zum Teil als defensive Haltung oder Passivität ausgelegt wurde, sind wir uns mit NRW einig, dass erst die Grundvoraussetzungen seitens der Politik und der Region geschaffen werden müssen, bevor sich der nationale Sport endgültig festlegen und entscheiden kann. Bei den Bewerbungen von Berlin und Hamburg war es noch umgekehrt, aber wir haben gelernt, dass diese nunmehr abgestimmte Schrittfolge die sinnvollere ist.

Wird die Entscheidung noch in diesem Halbjahr getroffen?

Die offizielle Entscheidung über eine Bewerbung kann nur von einer Mitgliederversammlung des DOSB getroffen werden. Im zweiten Quartal 2020 werden wir uns im Präsidium des DOSB klar positionieren, wie der weitere Fahrplan aussehen kann und welche Grundlagen gegeben sind, so dass man im zweiten Halbjahr mit NRW in den sehr intensiven Dialog gehen könnte. Damit scheint es gut möglich, die wichtigen Fragen bis zur Mitgliederversammlung im Dezember 2020 zu klären und dort auch das weitere Verfahren abzustimmen.

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Wie ist der Ruf Deutschlands beim IOC nach den gescheiterten oder verlorenen Olympia-Bewerbungen, zuletzt mit München und Hamburg?

Das ist bei den vergangenen Bewerbungen wohl unterschiedlich zu bewerten. Die Münchener Bewerbung, die für die Winterspiele 2018 an Pyeongchang gescheitert ist, fand uneingeschränkt Zustimmung, Wohlwollen und große Zuneigung. Pyeongchang hatte sich aber zum dritten Mal beworben und war damit einfach dran. Nach der von den Bürgern abgelehnten zweiten Bewerbung von München um die Winterspiele 2022 wurde im internationalen Sport ein eher kritisches Fazit gezogen. In Hamburg hingegen hat die Bewerbung trotz des negativen Referendums viel Positives hinterlassen. Es wurde erkannt, dass wir zum Zeitpunkt der Befragung urplötzlich alle negativen internationalen Einflüsse gegen uns hatten. Die Hamburger Bewerbung hat uns international somit wohl eher gutgetan.

Was heißt dies zusammengefasst?

Dass Deutschland international als Ausrichter und Veranstalter und nicht zuletzt als starkes NOK-Mitglied in der Weltsportfamilie akzeptiert und anerkannt ist, kann man wohl als gegeben sehen. Von daher gehen wir sicher davon aus, dass eine deutsche Bewerbung in der internationalen Sportfamilie erst einmal grundsätzlich ernst genommen und auch mit einem gewissen Wohlwollen begleitet wird. Das reicht aber alleine nicht aus und wir haben uns dem offenen und durchaus harten Wettbewerb mit anderen Top-Bewerbern zu stellen. (dpa)

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