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Kölner Tennis-ProfiParis ist für Oscar Otte dank Roger Federer ein besonderer Ort

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Ottebild

Oscar Otte 

Köln/Paris – Beim Turnier in Miami hat Oscar Otte mit seinem Freund Andreas Mies über das neue Leben auf der Tour gesprochen. Die beiden Kölner erinnerten sich daran, wie es früher war, als sie zusammen in Karachi oder Rabat bei den kleinen Turnieren ohne Glamour ihren Lebensunterhalt als Tennis-Profis bestreiten mussten. Und sie kamen zu einem Schluss, den Otte für sich so formuliert: „Wenn ich irgendwann einmal im Ranking zurückfallen sollte, dann ist die Sache für mich klar. Ich würde ohne Probleme, ohne mit der Wimper zu zucken, wieder die kleineren Turniere spielen. Weil es mir einfach Spaß macht, weil es seit Jahren mein Beruf ist, und weil ich damit überhaupt kein Problem habe.“

Diese Demut vor seinem Sport und dem Privileg seines Jobs zeichnet Oscar Otte aus. Aber die Gefahr, dass er als Profi sportlich wieder in die Vergangenheit reisen muss, ist bei ihm so gering wie nie zuvor. Am Dienstag tritt Otte, aktuell Nummer 59 der Weltrangliste, bei den French Open in Paris gegen den Spanier Roberto Carballes Baena (Nr. 102) an und ist auf dem Papier klarer Favorit. Andreas Mies und sein Partner Kevin Krawietz (Coburg) gelten nach ihren beiden Turniersiegen des Frühjahres im Doppel sogar als Anwärter auf den Grand-Slam-Titel in Paris, den sie bereits zweimal (2019/2020) gewonnen haben.

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Der Kölner Oscar Otte weiß, dass die Arithmetik des Rankings für ihn wenig Aussagekraft besitzt. Obwohl er zuletzt verlässlich seine Erstrundenspiele bei großen Turnieren gewonnen hat und  in München mit dem Einzug ins Halbfinale überraschte, zollt er jedem Gegner denselben Respekt. „Es gibt keine Partie, von der du sicher weißt, dass du sie gewinnst. Die Jungen sind besser geworden, die Älteren spielen immer länger, es ist viel schwerer geworden als noch vor Jahren. Die Anzahl der Spieler, die wirklich gut spielen, ist viel größer geworden“, sagt der aktuell drittbeste Deutsche in der Weltrangliste im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dennoch hat er den Einzug in die zweite Woche als Ziel im Hinterkopf, auch wenn er in der zweiten Runde auf den hochbegabten Italiener Jannik Sinner (20), die Nummer elf der Setzliste, treffen könnte.

Paris ist ein spezieller Ort für Oscar Otte. Hier traf er als Niemand, der sich durch die Qualifikation gekämpft hatte, 2019 erstmals auf die lebende Legende Roger Federer. Trotz einer Dreisatz-Niederlage hat er dem Maestro einige Anstrengung abgerungen. „Es war ein gutes Spiel“, erinnert sich Otte, der damals noch in Ehrfurcht erstarrte, wenn einer der Großen in der Umkleide plötzlich neben ihm stand. Inzwischen kennt man sich besser. „Ich werde von allen gegrüßt und spüre Respekt“, sagt der Kölner, der dieses Jahr auch im Doppel mit dem Davis-Cup-Kollegen Daniel Altmaier (Kempen) antritt.

Im für Tennis-Profis relativ hohen Alter von 28 Jahren hat Oscar Otte bei den US Open 2021 erstmals das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers erreicht und seitdem nicht nachgelassen. Er ist von Verletzungen verschont geblieben, hat hart an seiner Fitness gearbeitet und trainiert mit Coach Peter Moraing auch den psychischen Aspekt des Stress-Spiels Tennis.

Im März wurde er mit einer Daviscup-Nominierung für den Trip nach Brasilien belohnt, der auf ihn großen Eindruck gemacht hat. Obwohl ihm der geplante Einsatz im letzten Einzel verwehrt blieb, weil die Brasilianer beim Stand von 1:3 nicht mehr antreten wollten, hat sich Oscar Otte als vollwertiger Teil einer Nationalmannschaft gefühlt. „Du hast da einen Trainingsanzug, da steht Germany drauf. Und dann die Nationalhymne. Das waren neu, das war Gänsehaut pur“, berichtet er. In der Gruppenphase im September in Hamburg wird er wieder dabei sein.

Für Oscar Otte ist es bereits ein riesiger Karrieresprung, dank seiner Weltranglistenposition auf absehbare Zeit sicher für die ersten Runden der Grand-Slam-Turniere gesetzt zu sein. Alleine die Teilnahme am Turnier garantiert allen 128 des Hauptfeldes in Roland Garros 62 000 Euro. Bei den Australian Open hat der Kölner durch das Erreichen der zweiten Runde mit rund 100 000 Euro fast so viel Siegprämie erhalten wie im Durchschnitt der letzten zehn Jahre pro Saison.

Die Top 20 fest im Blick

Ein Sieg in Paris über den Spanier Carballes Baena (29), der nie besser als 71. der Weltrangliste war, wäre eine Bestätigung der neuen Klasse, die das Leben langfristig beeinflusst. „Wenn die nächsten Jahre noch so laufen, wie dieses Jahr jetzt läuft, könnte ich nach der Karriere vermutlich gut und sorgenfrei leben“, sagt Otte, der allerdings noch ehrgeizigere Ziele hat als die Bewahrung des Status Quo: „Mittelfristig würde ich gerne dauerhaft die Top 50 der Welt erreichen. Zu den ersten 20 ist es dann noch einmal ein großer Schritt. Ich mache ungern große Sprüche, aber unmöglich ist das auch nicht.“

Wenn das jedoch alles nicht funktionieren sollte, ginge für ihn die Welt auch nicht unter. Oscar Otte spielt überall gern Tennis. Zur Not auch in Karachi und Rabat.