Herpes-VirusPferdeseuche führt zu Angst und Schrecken im Reitsport

Lesezeit 4 Minuten
7CF0F6E9-CBD8-4CC2-A79C-5343E949E22C

Pferde von Springreiter Sven Schlüsselburg, hier auf „Bud Spencer“ beim Aachener CHIO 2019,  sind auch von der Virus-Infektion betroffen.

Köln – Die Springreiter erleben gerade ein Alptraum. Sie haben nicht nur mit der humanen Corona-Pandemie zu kämpfen, in Valencia sorgt nun auch eine Pferdeseuche für Angst und Schrecken. Ab Anfang Februar fanden in der spanischen Küstenstadt verschiedene internationale Springreitveranstaltungen statt, bei denen es zu einem Ausbruch eines besonders aggressiven Typs des Equinen Herpes-Virus, EVH 1, kam, der offenbar nicht strikt genug bekämpft worden ist. Mit verheerenden Folgen: Insgesamt vier Pferde, alle aus Deutschland, sind, Stand Mittwoch, gestorben. Sabina Ibañez, Generalsekretärin des Weltverbandes FEI, spricht von dem „wahrscheinlich schwersten Ausbruch von EVH 1 seit Jahrzehnten“.

Bis zum 28. März hat die FEI deshalb europäische Turniere in zehn Ländern abgesagt und den nationalen Verbänden dazu geraten, ihre Veranstaltungen ebenfalls zu canceln. 80 Prozent der 156 Pferde, die sich noch in Valencia befinden, sollen teilweise schwer erkrankt sein. Sie stehen alle unter Quarantäne und dürfen das Gelände nicht verlassen. „Hier tobt Chaos“, berichtet Springtrainer Hilmar Meyer aus Thedinghausen im Fachmagazin „St. Georg“. „Es ist grauenhaft, ich habe aufgehört zu weinen. Das einzig Gute: Hier hilft jetzt jeder jedem, so gut er kann.“ Zwei der 24 Pferde, mit denen Meyer nach Valencia gereist ist, sind gestorben, andere werden in Pferdekliniken behandelt. Der deutsche Verband FN hat Tierärzte zur Unterstützung nach Spanien geschickt.

Nachricht kam vor einer Woche

Vor gut einer Woche gab es erste Nachrichten von der Erkrankungswelle, die ersten Fälle sollen aber schon früher aufgetreten sein. Einige Reiter reisten daraufhin ab, so dass die Gefahr besteht, dass der aggressive Erreger weit verbreitet wird. Nach FN-Angaben waren insgesamt 64 Pferde deutscher Reiter bei der Turnierserie, davon haben 48 Valencia wieder verlassen. Aus Doha, wo seit vergangener Woche die erste Etappe der Global Champions Tour stattfinden, wurden am Donnerstag auch schon zwei positive Tests gemeldet, und zwar bei Pferden des deutschen Springreiters Sven Schlüsselburg.

Das könnte Sie auch interessieren:

Laut Bundestrainer Otto Becker war der Reiter aber schon vor Ausbruch der Infektionen aus Valencia abgereist. „Er wusste nichts davon“, sagt Becker. Schüsselburgs Rösser sind in Doha laut deutscher FN sicherheitshalber in eine Klinik verlegt worden. Sie scheinen Glück zu haben. Eines der Tiere habe leichtes Fieber gehabt, das andere sei ohne Symptome und inzwischen mit negativem Testergebnis.

Equine Herpes-Viren sind in der Tiermedizin lange bekannt. Es gab und gibt auch in Deutschland immer wieder Fälle, zum Beispiel im Jahr 2015 in einem Stall in Wermelskirchen im Bergischen Land. Geschätzte 80 Prozent aller Pferde tragen Herpes-Viren in sich, die in der Regel vom Immunsystem kontrolliert werden. Wenn ein Pferd aber gestresst oder geschwächt ist, kann das Virus ausbrechen und das Tier, je nach Variante des Erregers, leichter oder schwerer krank machen. Am häufigsten treten Atemwegserkrankungen bis hin zur Lungenentzündung auf. Bei trächtigen Stuten kann es auch zu einem Verlust des Fohlens kommen.  Bei der Variante aus Valencia scheint es sich den Berichten zufolge um das sogenannte „Paralytische Syndrom“ zu handeln, um eine Rückenmarkentzündung, in deren Folge Lähmungen auftreten, die Pferde können sich nicht mehr auf den Beinen halten. Besonders schwer sollen Stuten betroffen sein.

Einmal ausgebrochen, ist das Equine Herpes-Virus als Tröpfchen-Infektion sehr ansteckend, schon wenn sich zwei Pferde beschnuppern, ist eine Übertragung möglich. Die Gefahr einer Zoonose, Ansteckung von Tier auf Mensch, besteht nach dem Stand der Forschung nicht.  Geholfen werden kann erkrankten Tieren nur durch stärkende Behandlungen, Mittel gegen das Virus gibt es nicht. Ställe, in denen es zu Ausbrüchen kommt, werden bis zu drei Wochen nach Auftreten einer Infektion unter Quarantäne gestellt.

Impfung hilft nicht umfassend

 Zwar existiert eine Impfung gegen Pferde-Herpes, allerdings bietet sie keinen Rundum-Schutz. Laut „St. Georg“ befanden sich unter den in Valencia verstorbenen Pferden auch geimpfte Tiere. „All das muss von der FEI aufgearbeitet werden“, meint Becker. Man müsse auch schauen, ob die Impfung verbessert werden könnte, denn sie wirke offenbar nicht gegen diesen Virus-Typ. „Ich hoffe, dass wir es unter Kontrolle bekommen“, sagt Becker. „Die ganze Situation ist momentan einfach eine Katastrophe.“ Zumal im Sommer in Tokio Olympische Spiele, inklusive Reiterwettbewerbe, stattfinden sollen.

KStA abonnieren