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Trauer und Mangel an SpielstättenDer Afrika-Cup muss gerettet werden

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Gambia Jubel

Musa Barrow von Gambia feiert nach seinem Tor im Achtelfinale gegen Guinea.

Am Sonntag wird viel los sein im Omnisport-Stadion von Yaoundé. Die betagte Arena, eröffnet 1972 anlässlich des ersten in Kamerun ausgetragenen Afrika-Cups, muss kurzerhand aus dem eigentlich vorgesehenen Ruhestand geholt werden. Es gilt, das aktuelle Turnier zu retten. Denn der Afrika-Cup 2022 ist nicht nur von einer Zuschauertragödie erschüttert worden. Ihm gehen vor der letzten Woche des Turniers auch die Spielstätten aus.

Sowohl das 2019 eröffnete Stade de Japoma in der Hafenstadt Douala wie auch das erst vor einem Jahr fertiggestellte Olembe-Stadium in der Hauptstadt Yaoundé sind als nicht mehr spieltauglich eingestuft. Während im Olembe gravierende Sicherheitsmängel festgestellt wurden, die zur Massenpanik mit letztlich acht Todesopfern geführt haben sollen, ist in Douala das ramponierte Spielfeld mittlerweile untauglich. Ein Wunder beinahe, dass das Turnier überhaupt noch fortgesetzt werden kann, denn auch den Rasen im Stadion von Limbe hat es nach zwei Wochen Fußball in eine Kraterlandschaft verwandelt. Gut, dass es wenigstens noch das gute alte Omnisport gibt, das jetzt einspringt.

Schwierige Bedingungen in Kamerun und sportliche Überraschungen

Man wusste schon im Vorfeld, dass es schwierig werden würde in Kamerun. Nicht umsonst war dem Land 2019 das Turnier kurzerhand wegen unzureichender Organisation noch entzogen worden. 2021 bekam man wegen der Corona-Pandemie noch einmal ein Jahr Aufschub. Und dennoch waren die Zweifel am Austragungsort auch 2022 groß. Schließlich herrscht Bürgerkrieg in einem Land, dessen Sicherheitskräfte mit aller Gewalt gegen eine Unabhängigkeitsbewegung im Westen vorgehen und das im Norden von Boko-Haram-Terroristen bedroht wird. Nicht zuletzt die großen Fragezeichen rund um Corona – in Kamerun sind nur etwa drei Prozent der Bevölkerung geimpft – sorgten für Verunsicherung.Die Befürchtungen haben sich zum Teil bestätigt – das Turnier nimmt aber seinen Lauf. Man ist Kummer gewöhnt bei Afrika-Cups, außerdem geht es auch bei Afrikas mit Abstand größtem Sportereignis mittlerweile aufgrund satter TV-Verträge und Sponsoren-Investitionen um viele Millionen US-Dollar.

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Also wird gespielt in Kamerun, am Wochenende stehen die Viertelfinals auf dem Programm. Und rein sportlich hat der Cup so seine Überraschungen zu bieten: Titelverteidiger Algerien mit ManCitys Riyad Mahrez musste ebenso in der Vorrunde die Segel streichen wie Ghana, das mit einigen Stars aus der englischen Premier League besetzt war. Beide Teams, denen im Vorfeld eine Favoritenrolle zugerechnet wurde, spielten vom ersten Anpfiff an zaghaft, ohne Verve. Das rächte sich, denn nicht nur Gernot Rohr, der ehemalige Nationaltrainer Nigerias, hat festgestellt: „Es gibt auch in Afrika keine Kleinen mehr. Die schwächeren Nationen haben enorm aufgeholt, man kann keine Punkte mehr im Vorbeigehen mitnehmen.“

Für Außenstehende ist dabei eher unverständlich, wie die Spieler aus einem gebeutelten Land wie Burkina Faso eine derart sportlich eindrucksvolle Leistung abliefern können, während in ihrer Heimat nach einem Militärputsch politisches Chaos ausgebrochen ist. Sierra Leones Akteure trotzten in der Vorbereitung auf das Turnier geradezu katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnissen in ihrem Land, das sich noch lange nicht von einem blutigen, zehn Jahre währenden Bürgerkrieg erholt hat.

Starke Auftritte der sogenannten „Kleinen“

Eigentlich sollten dem Turnier Stars wie Senegals Sadio Mané und Ägyptens Mo Salah (beide FC Liverpool) oder die der mittlerweile ebenfalls ausgeschiedenen Elfenbeinküste um Franck Kessie (AC Mailand) ihren Stempel aufdrücken. Vielleicht tun das einige von ihnen in den kommenden Spielen auch noch. Eher hängen geblieben in der Erinnerung sind allerdings bisher die starken Auftritte der sogenannten „Kleinen“ des Turniers wie Komoren, Gambia, Malawi und den Kapverden. Sie alle greifen auf Spieler zurück die teils gar nicht in Europa unter Vertrag stehen – und wenn, eher in unterklassigen Ligen.

Afrika Cup (1)

Liverpool-Superstar Mohamed Salah bei einer Ecke.

Die Komoren beispielsweise, die seit 2015 in nahezu gleicher Besetzung wie eine Vereinsmannschaft trainiert werden, greifen auf Spieler zurück, die nahezu sämtlich aus dem Süden Frankreichs stammen und dort in der 2. oder 3. Liga unterwegs sind. Ihr Trainer Amir Abdou – selbst in Marseille geboren – hat nach ihren afrikanischen Wurzeln geforscht und ein Team zusammengebaut, deren Spieler vor ihrer Nationalmannschaftkarriere kaum einmal auf den Komoren gewesen sind.

Oder Gambia. In dem kleinen westafrikanischen Land, in dem gerade einmal um die zwei Millionen Menschen leben, arbeitet seit 2018 Fußball-Weltenbummler Tom Saintfiet als Nationaltrainer. Der Belgier, der seit 2010 weltweit schon über 20 Trainerstationen in seine Vita fügte, hat dort offenbar seine zweite Heimat gefunden. Sein Team der Namenlosen besticht beim Cup mit extremer mannschaftlicher Geschlossenheit, sicherer Defensive und überfallartigem Konterspiel, dem in Kamerun bislang zuerst Mauretanien, dann Mali, Tunesien und im Achtelfinale schließlich Guinea zum Opfer gefallen sind. Gastgeber Kamerun – Gambias Gegner im Viertelfinale am Samstag sollte das Team tunlichst nicht unterschätzen. Sonst ist hier die nächste große Überraschung fällig. 

Olaf Jansen ist freier Journalist und Buchautor. Jahrgang 1966, lebt seit 1988 in Köln. Eines seiner Spezialgebiete ist Fußball in Afrika.