Tipps für ElternTaufpate gesucht

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Conrad und Susanne Berk mit Sohn Henri. (BILD: RAKOCZY)

Conrad und Susanne Berk mit Sohn Henri. (BILD: RAKOCZY)

Henri ist noch kein Jahr alt, einen ersten Berufswunsch können seine Eltern aber schon erkennen: „Gas-Wasser-Installateur - er liebt es, mit Werkzeugen und Wasser zu spielen“, sagt Susanne Berk über ihren zehn Monate alten Sohn. Dass er Wasser mag, wird seinen Eltern am 17. August viel Geschrei ersparen: An dem Sonntag wird Henri in der Kölner Lutherkirche evangelisch getauft. Mit den Vorbereitungen zu dem Fest fingen die Eltern drei Monate vor dem großen Tag an. Dabei stellte sich die Frage: Wer sollen eigentlich die Taufpaten für unseren Sohn werden? Eine Wahl, die vor der Taufe gut überlegt sein will: Denn wenn die Paten einmal urkundlich vermerkt sind, lässt sich das weder in der katholischen noch in der evangelischen Kirche ändern. Auch nicht, wenn der Taufpate sich mit dem Täufling nicht versteht.

Das erste Ergebnis der Kandidatensuche für Familie Berk: Conrad Berks bester Freund. „Ich hätte ihn gerne als Taufpaten für Henri gehabt, aber was bringt es, wenn sich die beiden nur einmal jährlich sehen?“, erzählt der Vater. Denn Conrad wohnt zwar seit 28 Jahren in Deutschland, ist aber gebürtiger Brasilianer. Sein Wunschpate für den Sohn lebt in der alten Heimat. Dass sie Henri taufen lassen, stand für den Erzieher und die Lehrerin von Anfang an fest. „Wir möchten, dass unserem Sohn Werte vermittelt werden“, erklärt Conrad. Nachdem sein brasilianischer Freund als erster Vorschlag vom Tisch war, kam den beiden schnell ein neuer Einfall: Jenny, die Tochter einer guten Freundin, würde sich bestimmt gerne als Patin um den kleinen Henri kümmern. „Wir fanden es zunächst eine gute Idee, dass Jenny mit ihren Anfang 20 eine recht junge Patin für unseren Sohn wäre“, so Susanne, „aber nach längerem Nachdenken haben wir uns dann gegen sie entschieden: In dem Alter hat man doch andere Dinge im Kopf - sie will studieren und ins Ausland gehen.“ Zu Henri würde dann der direkte Kontakt fehlen, auf den seine Eltern großen Wert legen.

Symbolischer Wert

Der nächste Vorschlag: Eine Freundin der Familie, die sich regelmäßig nach Henri erkundigt, gerne mit ihm spielt und sich freut, dass er da ist. „Im Endeffekt haben wir uns wegen ihres Alters gegen sie entschieden - sie ist schon über 60“, erzählt Susanne. Wenn Henri zehn Jahre alt ist, wäre seine Taufpatin über 70. „Der Taufpate soll sich aber auch um unseren Sohn kümmern können, falls uns etwas zustößt“, sagt Conrad. Dabei wird gerade das durch die Taufe gar nicht gewährleistet: Die Patenschaft hat heute nur noch einen symbolischen Wert. „Rein rechtlich hat eine Taufe keinerlei Bedeutung“, sagt Rechtsanwalt Winfried Schwabe. „Im Falle des Todes der Eltern entscheidet allein das Vormundschaftsgericht darüber, bei wem das Kind bleiben soll, also wer das Sorgerecht bekommt.“ Auch ein entsprechender Vermerk im Testament ist für das Gericht nicht bindend. „Aber wenn sich herausstellt, dass die Eltern schon zu Lebzeiten wollten, dass das Kind zum Taufpaten kommt, er sich in den vergangenen Jahren auch vernünftig gekümmert und als zuverlässig erwiesen hat, kann dies in der Summe für das Gericht durchaus ausschlaggebend sein“, so Schwabe. Nach mehreren Wochen der Patensuche hatten Henris Eltern zu dem Zeitpunkt also schon drei Kandidaten in die engere Auswahl genommen und sich nach langem Hin und Her jeweils gegen sie entschieden. „Dann haben wir gemerkt, dass es noch zwei Menschen gibt, die sehr gerne Zeit mit Henri verbringen“, erzählt Susanne. Die Rede ist von ihrem Bruder Thomas und seinem Lebensgefährten Jens. Beide sind Mitte 40, engagieren sich in der evangelischen Kirche und wohnen in Köln. Es war auch klar, dass nicht nur einer der beiden Patenonkel werden sollte: „Eine Entscheidung für einen von ihnen wäre uns sehr schwer gefallen und der andere wäre sicherlich enttäuscht gewesen“, sagt Susanne.

Rührender Moment

Als Paten wären sie für Henri perfekt: Sie wohnen auch in Köln, sind weder zu alt noch zu jung und verbringen gerne Zeit mit dem Kind von Conrad und Susanne. Denn das ist für die Eltern das Wichtigste - und nicht etwa die potenziell teuren Paten-Geschenke. An den Tag, an dem sie das schwule Pärchen gefragt haben, erinnern sich die Eltern noch sehr gerne: „Wir hatten eine Karte in Henris Namen geschrieben - »Wollt ihr meine Taufpaten werden?«“, erzählt Susanne, „sie haben sofort Ja gesagt und wir lagen uns mit Tränen vor Glück und Rührung in den Armen.“ Dass ein homosexuelles Paar die Patenschaft übernimmt, hat keinerlei negative Reaktionen hervorgerufen. „In unserem Freundeskreis ist das sowieso kein Thema“, sagt Conrad, „und wir glauben, dass es Henris Entwicklung zu einem toleranten und weltoffenen Menschen fördert.“

Dabei ist es längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Kinder überhaupt getauft werden. „Manche Eltern haben uns belächelt, weil sie das nicht mehr zeitgemäß finden“, erzählt Susanne. Statistiken belegen diesen Trend: Während 2006 in Deutschland etwa 26 Prozent weniger Kinder geboren wurden als noch 1990, ist allein die Zahl der katholischen Taufen im selben Zeitraum um 37 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Anteil an Taufen älterer Kinder und Erwachsenentaufen gestiegen.

Eher Freunde als Familienangehörige

„Bei den Paten geht der Trend dahin, dass heute eher Freunde als Familienangehörige genommen werden“, sagt Pfarrer Hans Mörtter, der auch Henri taufen wird. Früher sei öfters auch mal die Oma Patin geworden. Heute wüssten Eltern, dass Großeltern zwar wichtig für das Kind seien, aber andere Aufgaben haben als Paten. „Ich rate immer zu jemandem, der wirklich Zeit mit dem Patenkind verbringen möchte und als erwachsener Ansprechpartner außerhalb der Familie zur Verfügung steht - gerade wenn der Täufling in die Pubertät kommt“, so der Pfarrer.

Die Suche nach Henris Taufpaten war mit Susannes Bruder Thomas und seinem Partner Jens beendet - vorerst. Dann erfuhr Susanne im Gespräch mit anderen Eltern, dass man in der evangelischen Kirche mehr als zwei Paten haben kann. Sie wollte neben den beiden Männern gerne noch eine Patin für Henri. Die Wahl fiel auf ihre beste Freundin - und die 35-jährige Frya sagte sofort zu.

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