Torhüterin Lisa SchmitzGeh mal in die Kiste!

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Lisa Schmitz, Torhüterin von Bayer 04, träumt von der Teilnahme an der WM 2011 im eigenen Land. (Bild: Britta Berg)

Lisa Schmitz, Torhüterin von Bayer 04, träumt von der Teilnahme an der WM 2011 im eigenen Land. (Bild: Britta Berg)

Leverkusen – Die junge Torhüterin von Bayer 04 nimmt mit der U 17-Nationalelf an der Fußball-Weltmeisterschaft in Neuseeland teil.

Das nennt man Begeisterung auf typisch Kölsche Art. „Nee, dat iss äver ä Leckersche“, entfährt es einer dunkelhaarigen Zuschauerin. „Und dat spielt Fußball.“ Lisa Schmitz fällt auf, ob sie will oder nicht. Wen wundert's? 1,72 Meter groß, schlank und hübsch. Lisa würde als Model auf wohl jedem Laufsteg eine gute Figur abgeben. Aber Glanz und Glamour, das ist (noch) nicht ihre Welt. Die Schülerin zieht der Bühne für die Schönen einen Teppich vor, einen „Rasenteppich“. So bezeichnen jedenfalls Fußballprofis von Bayer 04 das von „Greenkeeper“ (Rasenpfleger) Dieter Prahl und seinem Team so akribisch gepflegte Grün ihres Trainingsplatzes.

Eine andere Qualität

Dort, wo Deutschlands Adler Nummer 1, Vorname René, hinter Bällen herfliegt, dort steht seit einigen Wochen auch Lisa Schmitz zwischen den Pfosten. Sie ist Torhüterin der Leverkusener Frauen, eine talentierte Torhüterin. So talentiert, dass sie Mitte des Jahres vom kleinen Porzer Klub Germania Zündorf zu Bayer 04 wechseln konnte.

„Das ist natürlich eine ganz andere Qualität hier“, erzählt die 16-Jährige. Sie weiß genau, wovon sie spricht. „Vor wenigen Wochen bin ich noch auf Asche durch Dreck und Schlamm gesprungen. Jetzt darf ich auf diesem Rasen trainieren. Das macht viel mehr Spaß“, sagt Lisa und blickt mit einem Lächeln im Gesicht zum Rasenplatz hinter der Ha berland-Halle hinüber. Lächelnd erzählt sie auch von ihrer Kindheit und von den Anfängen als Torhüterin. Papa Jürgen, selbst ein begeisterter Fußballer, spielte mit Sohnemann Niklas im heimischen Garten in Porz, bei Köln. Bei Wind und Wetter dribbelten, schossen und tobten die beiden unterm Kirschbaum. Lisa, ein Jahr jünger als Niklas, schaute zu. Bis es eines Tages dann hieß: „Geh doch mal in die Kiste!“ Lisa geht ins Tor - und hält die Bälle, die eine zierliche Fünfjährige so halten kann. Schnell findet das Mädchen Gefallen am Fußball. Plötzlich steht Lisa nicht nur im Tor, sie spielt auch im Feld mit. Und wie. Vater Jürgen erkennt schnell, nicht nur Niklas, auch Lisa beherrscht den Ball, besonders mit ihrem starken linken Fuß. Eines Tages klagt ein Bekannter, Trainer eines E-Juniorenteams, Jürgen Schmitz, sein Leid. Er suche für seine Jungenmannschaft in Porz-Zündorf eine Torhüterin. Kaum mit dem Vater auf dem Ascheplatz des FC Germania angekommen, hört Lisa den ihr bekannten Satz: „Geh doch mal in die Kiste!“ Lisa geht ins Tor und wehrt Bälle ab. Bälle, die - nach Meinung von Jungs - ein zierliches Mädchen nicht zwingend abwehren muss. Lisa, die kleine Blonde mit dem hübschen Gesicht, scheut weder Wind noch Wetter, wirft sich in Dreck und Schlamm.

Die Fußballminis staunen, die Trainer wundern sich. Lisa fällt auf, ob sie es will oder nicht. Papa Jürgen unterstützt die sportlichen Ambitionen seines Sohnes - und die seiner Tochter - gleichermaßen. In Zündorf übernimmt er sogar das Torwarttraining mit Lisa. Sie genießt indessen den Respekt, genießt die Anerkennung, die einer Torhüterin in einem Jungenteam entgegen gebracht werden. Und sie profitiert von dieser Schule. Jungs laufen und spielen nicht nur schneller, sie schießen meist auch wesentlich härter. Lisa liebt diese Herausforderung, sie widersteht den Angeboten, für Mädchenmannschaften zu spielen. Sie bleibt in Zündorf, im Tor ihrer Jungs - und wird belohnt. Späher des Deutschen Fußball bundes (DFB) sind auf die talentierte Torhüterin aufmerksam geworden. Fortan geht es hinaus in die internationale Welt des Fußballs. Am 11. April 2007 gibt die 15-Jährige Lisa Schmitz ihr Debüt in der U 15-Nationalelf der Juniorinnen. Ein gelungenes Debüt. Deutschland besiegt England in Buckinghamshire mit 2:0-Toren. Lisa darf wiederkommen. Lehrgänge, Turniere, Spiele stehen nun zusätzlich auf dem Terminkalender. Dafür muss sie in der Schule freigestellt werden.

Das hat Konsequenzen. Im Sommer verlässt der Teenager - Notendurchschnitt 2 - auf Empfehlung der Schulleitung das nur zehn Minuten von ihrem Wohnort entfernte Porzer Stadtgymnasium. „Schweren Herzens“, wie Lisa gesteht. Sie hat sich an der Schule stets wohlgefühlt und dort viele Freunde. Nun geht die 16-Jährige auf das Apostelgymnasium in Köln-Lindenthal. Eine sportorientierte Schule, deren Lehrer die junge Nationalspielerin bei ihrem zeitintensiven Hobby unterstützen. Sie erhält während der Freistellung für DFB-Maßnahmen exakte Lernvorgaben und darf während ihrer Fehlzeiten anfallende Klassenarbeiten nachschreiben. Das funktioniert hervorragend. Doch jener Spagat zwischen Sport und Schule kostet Kraft, viel Kraft. Punkt sechs Uhr in der Früh klingelt Lisas Wecker. Das übliche Prozedere vor dem Spiegel, dann ein kurzes Frühstück, schon muss sie aus dem Haus. Die Fahrtzeit mit Bus und Bahn von Porz zum Gymnasium in Lindenthal beträgt eine knappe Stunde. Dauert der Unterricht bis 16 Uhr, kommt sie gegen 17 Uhr nach Hause. Dann wird gegessen und im Anschluss die Sporttasche gepackt. Kurz nach sechs am späten Nachmittag steigt sie aufs Mofa, fährt zur Autobahnauffahrt Köln-Wahn. Dort wartet Kai Kubierske. Im Kleinwagen ihres Torwarttrainers geht es zu den Übungseinheiten nach Leverkusen und gegen 22 Uhr wieder zurück - dreimal pro Woche.

Lisa hat im Sommer nicht nur die Schule, sondern auch den Verein gewechselt. Dass Trikot von Germania Zündorf wurde gegen eines des Zweitligisten Bayer 04 getauscht. Nun steht sie im Tor der neu gegründeten Leverkusener Frauen-Mann schaft. Aufstieg in Liga eins lautet das Ziel. Je schneller, desto besser. Schließlich findet die Fifa-Frauen-WM 2011 in Deutschland statt. Mindestens drei Spiele sollen in der modernisierten Bay-Arena in Leverkusen ausgetragen werden. Spätestens dann möchte Lisa Schmitz zum Kader des A-Nationalteams gehören. Zum Kreis der deutschen U 17 gehört sie bereits. Mit der spielt die Leverkusener Torhüterin in Neuseeland um den WM-Titel. Und auch im zweigeteilten Inselstaat im südlichen Pazifik wird Lisa auffallen, ob sie will oder nicht.

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