UnfallHochseilartist stürzt in die Tiefe

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Der Notarzt versorgte den Schwerverletzten. Im Hintergrund der mit 60 Metern höchste Artisten-Mast Europas der Geschwister Weisheit. (Bild: Schmitz)

Der Notarzt versorgte den Schwerverletzten. Im Hintergrund der mit 60 Metern höchste Artisten-Mast Europas der Geschwister Weisheit. (Bild: Schmitz)

Mechernich-Kommern – Artist André Weisheit von der Hochseiltruppe Geschwister Weisheit aus Gotha ist am späten Dienstagnachmittag bei einer Vorführung im LVR-Freilichtmuseum Kommern abgestürzt. Dabei hat er sich das Becken und die Füße gebrochen. Ein Hubschrauber brachte ihn in die Uni-Klinik Bonn. Eine erste Operation ist gut verlaufen. Innere Verletzungen zog sich der Artist nicht zu.

Der Vorfall passierte gegen 17.10 Uhr während der letzten Vorstellung, im ersten Drittel der Motorradshow. Der Platz rund um den mit 62 Metern höchsten mobilen Artistenmast der Gegenwart war gut besucht. Museumsleiter Dr. Josef Mangold und sein Stellvertreter Dr. Michael Faber schätzten die Zuschauerzahl auf etwa 500.

Auf dem Hinterrad eines Motorrads wollte der 41-Jährige über ein Drahtseil in die Höhe fahren. Unter dem Motorrad hing an einem Trapez seine 18-jährige Tochter Katja. In etwa sechs Metern Höhe passierte dann das Unglück: Aus noch ungeklärter Ursache „bockte das Motorrad wie ein Muli“, wie es Peter Mario Weisheit formulierte, der Bruder des Verunglückten.

Das Motorrad, eine MZ 125, schwankte hin und her und kippte dann nach hinten. André Weisheit konnte sich zunächst noch festhalten. Das in Schwingung geratene Seil riss ihm dann buchstäblich das Motorrad aus den Händen. Der ungesicherte Artist stürzte vor den Augen des Publikums in die Tiefe. Zum Glück waren unter den Zuschauern zwei Ärzte, die sofort Notfallmaßnahmen einleiteten. Katja Weisheit, die auf dem Trapez mit einem Seil gesichert war, blieb unverletzt.

Technische Gründe für den Unfall gibt es keine, wie Peter Mario Weisheit am Mittwoch während einer Pressekonferenz erklärte. „Das Seil war straff gespannt, das Motorrad haben wir inspiziert. Ich kann nicht sagen, ob André einen Fehler gemacht hat, das war von unten nicht zu erkennen.“ Der 41-Jährige sei der beste Artist der Truppe und der einzige auf der Welt, der in 62 Metern Höhe einen Handstand mache.

Die Familie Weisheit ist natürlich geschockt. Vor 110 Jahren gründete der Urgroßvater des Verunglückten das Unternehmen. Peter Mario Weisheit: „Von klein auf werden die Kinder geschult. Das ist ein gefährlicher Beruf, die Sicherheit steht im Vordergrund.“ Trotzdem ist der Motorradfahrer nicht speziell gesichert. Das liegt zum einen daran, dass der Motorradstunt nicht schwierig und nur ein Effekt sei, der die Show flott und attraktiv gestalten soll. „Außerdem hat der Fahrer immer das Motorrad unter sich. Den gefährlicheren Part hat der darunter hängende Artist“, sagte Peter Mario Weisheit. Der Unfall könnte Konsequenzen nach sich ziehen: Die Truppe überlegt, in Zukunft auch den Fahrer zu sichern. „Ein Sicherheitsseil genügt“, meinte Weisheit.

Doch manchmal helfen auch die Sicherungen nicht. 1979 gilt bei den Weisheits als Katastrophenjahr. Rudi Weisheit, der Vater des Verunglückten, stürzte neun Meter in die Tiefe, er brach sich den Mittelfuß. Wenige Wochen später stürzte der 18-jährige Peter Mario Weisheit aus 17 Metern Höhe ab und zog sich zwölf Knochen- und vier Beckenbrüche zu. Erst nach zweieinhalb Jahren konnte er wieder auf den Mast.

Die Vorstellungen im Freilichtmuseum wurden zumindest für den Mittwoch abgesagt. Die Familie will, bevor sie wieder auftritt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit proben.

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