Unruhe beim „Spiegel“

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Die Verlagsgebäude des „Spiegel“ in Hamburg

Die Verlagsgebäude des „Spiegel“ in Hamburg

Leo Lattke ist ein Kotzbrocken. Er hält sich für den „Gröraz“, den größten Reporter aller Zeiten. Sein Mund „mit den schief gehängten Lippen“ signalisiert „stete Anschnauzbereitschaft“. So beschreibt Thomas Brussig in seinem Wende-Roman „Wie es leuchtet“ jenen Journalisten, der im wahren Leben Matthias Matussek heißt. Matussek hatte sich nach dem Fall der Mauer im Ost-berliner Palasthotel einquartiert, um für den „Spiegel“ die Episoden der rasenden Einheit aufzuschreiben. Daraus wurde später ein Buch, das vielleicht beste aus diesen Jahren.

Wie der Zufall so spielte: Im Palasthotel arbeitete damals Brussig als Portier. Er machte aus Matussek die Romanfigur Leo Lattke, die offenbar ziemlich lebensnah gezeichnet ist. Denn als unangenehmer Zeitgenosse wird Matussek auch heute noch gesehen von Kollegen beim Hamburger Magazin, wo er es aufgrund seiner Reporterverdienste zum Ressortleiter Kultur brachte. Mehrfach soll Matussek von Chefredakteur Stefan Aust, der ihm den Spitzenjob im deutschen Feuilleton verschaffte, wegen seines ruppigen Führungsstils zur Ordnung gerufen worden sein. Gerüchte über eine bevorstehende Kündigung kursierten schon seit längerem, jetzt steht fest: Matussek wird abgelöst.

Der 53-Jährige erhielt eine Änderungskündigung und bekam zugleich einen Autorenvertrag angeboten. Falls er zustimmt, bleibt Matussek, der zurzeit im Urlaub weilt, dem Magazin erhalten, sagen Insider. Offiziell gibt es freilich keine Bestätigung. „Zu Personalangelegenheiten geben wir keine Auskunft“, sagt Verlagssprecher Hans-Ulrich Stoldt.

Unterdessen ist die Nachfolge von Stefan Aust, dessen Vertrag Ende 2008 ausläuft, immer noch nicht geregelt. „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo wolle zum jetzigen Zeitpunkt nicht den Job wechseln, heißt es. Er fürchte offenbar, als Profiteur des erzwungenen Abgangs von Aust zu gelten. Überhaupt, so erzählen Eingeweihte, ist eine Neubesetzung von außen eher unwahrscheinlich. Denkbar sei etwa eine Doppelspitze aus Aust-Intimus Gabor Steingart und Online-Chef Mathias Müller von Blumencron. Andere sagen, Steingart sei vielen in der Mitarbeiter KG, die beim „Spiegel“ die Mehrheit hat, zu rechts, Blumencron nicht „tough“ genug. Angeblich hat Minderheitsgesellschafter Gruner & Jahr den stellvertretenden „Stern“-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges ins Spiel gebracht - der allerdings wegen seiner selbstherrlichen Art bei den meisten „Spiegel“-Redakteuren erst recht auf Ablehnung stoße.

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