Verborgenes ErbeDas Ruhrgebiet des Mittelalters

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Herbert und Gisela Brühl mit dem Abbild eines historischen Schmelzofens. (Bild: Roland U. Neumann)

Herbert und Gisela Brühl mit dem Abbild eines historischen Schmelzofens. (Bild: Roland U. Neumann)

Odenthal – Umweltschützer wären auf die Barrikaden gegangen, hätte es im neunten Jahrhundert schon eine grüne Bewegung gegeben. Denn was sich im heute so idyllischen Dhünntal und auf der Hochfläche nahe Eichholz und Bömberg jahrhundertelang abspielte, das kann Herbert Brühl nur als „Raubbau an der Natur“ bezeichnen. „Hier gab es bald keinen einzigen Baum mehr, statt dessen breiteten sich Ödland und Heideflächen aus“, sagt der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege, Außenstelle Overath, mit Blick auf die heute wieder üppige Vegetation.

Der Grund für den Kahlschlag der Gegend, die - wie rund 200 Scherbenfunde belegen - wohl schon in der Jungsteinzeit (5300 bis 2000 vor Christus) besiedelt war, lag in der Geschäftigkeit der Bewohner. Sie nahmen hier im Frühmittelalter eine rege Produktionstätigkeit auf. Die an der Dhünn lebenden Menschen hatten früh entdeckt, dass das direkt an der Oberfläche vorhandene Gestein jede Menge Eisenerz enthielt, ein höchst wertvoller Rohstoff. Aus Eisen ließen sich nicht nur wichtige Gebrauchsgegenstände wie Äxte und Sensen herstellen, die viel effektiver waren als primitive Stein- oder Holzwerkzeuge, sondern auch Waffen wie Schwerter und Dolche.

Ab dem neunten oder zehnten Jahrhundert, so Brühl, erlebte die Eisenerzeugung hier eine Blüte, die bis ins 18. und 19. Jahrhundert fortgesetzt wurde. „Eigentlich war das hier das Ruhrgebiet des Mittelalters“, sagt Brühl. Erst die im Ruhrgebiet vorhandene Steinkohle habe das Ende für die bergische Produktion gebracht. Die Eisenerzeugnisse wurden nicht nur zum Eigengebrauch hergestellt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit über alte, heute noch im Gelände zu erkennende Hohlwege nach Altenberg und Köln transportiert. „Für die hier im Mittelalter geschmiedeten Waffenrohlinge waren sicherlich die Grafen von Berg dankbare Abnehmer“, vermutet Brühl. Doch seine Schätze gab der Boden nur widerwillig preis. „Die Gewinnung von schmiedbarem Eisen war Knochenarbeit“, meint Brühl. In Schmelzöfen, die sich stets in der Nähe von Quellen oder Bächen befanden, musste das Gestein über Stunden erhitzt werden, um am Ende ein kleines Stückchen schmiedbares Eisen in Händen zu halten (siehe Kasten). „Wenn es nicht direkt zu einem Rohling weiterverarbeitet wurde, dann stellte man für den Handel kleine Eisenbarren her“, erläutert Brühl und hält so ein Stück hoch - nicht mal so groß wie ein Schokoriegel, aber deutlich schwerer.

Rund 30 ehemalige Meiler

Der gesamte Brennvorgang verschlang Unmengen an Holz. „Für einen Zentner Eisen benötigte man zehn Zentner Holzkohle“, so Brühl. Baum um Baum wurde gefällt, zunächst die wertvollen Buchen, am Ende auch minderwertigere Hölzer wir Birken. Alles landete im Kohlenmeiler, um Holzkohle für die Brennöfen herzustellen. Bei ihren Geländeuntersuchungen, die Herbert und Gisela Brühl mehrere Jahre lang durchführten, entdeckten die Bodendenkmalpfleger rund 30 ehemalige Kohlenmeiler. „Diese große Dichte der Meiler ist ein wichtiges Indiz für die hier stattgefundene Eisenerzgewinnung“, sagt Herbert Brühl.

Eisenschlacke, die die Brühls bei Geländegängen in einem Bach fanden, und zahlreiche keltische Scherben hatten bei ihnen schon früh den Verdacht geschürt, dass hier bereits vor Jahrhunderten Eisen hergestellt wurde. „Auf Wunsch der Archäologen haben wir dann die Köhlerstellen gesucht - und 30 gefunden“, erzählt Gisela Brühl. In der Nähe von Eichholz, im Tal am „Breibacher Berg“ entdeckten die Bodendenkmalpfleger sogar eine größere Eisenverhüttungsstelle mit Arbeitsplätzen, Holzkohle-Spuren und einem Schmiedeplatz. „Hier befand sich auch ein überdachtes Camp, im Schutz einer Felswand“, so Herbert Brühl. Nahe der Großen Dhünntalsperre fanden sie weitere elf Produktionsstandorte.

Ein Geheimnis hat der Boden in Eichholz aber immer noch nicht freigegeben. „Alte Flurnamen wie »auf'm Burgplatz« und »an der Burg« deuten darauf hin, dass hier eine Burg existiert hat“, so Herbert Brühl. „Eindeutige Bodenfunde fehlen aber bisher.“

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