Villa BraunswerthDas Wohnhaus des Patriarchen

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Die Villa Braunswerth in Engelskirchen wurde von dem Wuppertaler Architekten Christian Heyden entworfen. (Bild: giz)

Die Villa Braunswerth in Engelskirchen wurde von dem Wuppertaler Architekten Christian Heyden entworfen. (Bild: giz)

Engelskirchen – Mächtige hohe Bäume stehen rund um die Villa Braunswerth in der Parkanlage, hinter der Lindenallee am Ende der Anlage rauscht die Agger. Um 1855 ließ der Landschaftsarchitekt Josef Clemens Weye die Bäume, darunter Blutbuchen und Linden, anpflanzen, die alle in der königlich preußischen Baumschule in Düsseldorf-Meerbusch gezogen wurden. Ein idyllisches Umfeld für die klassizistische Villa Braunswerth in Engelskirchen, die genau in jenem Jahr 1855 von der Familie Engels bezogen wurde. Bauherr war der aus Wuppertal stammende Textilunternehmer Friedrich Engels (1796-1860), Vater des Sozialisten und Weggefährten von Karl Marx, Friedrich Engels junior.

In Engelskirchen hatte der Unternehmer einen geeigneten Standort für eine neue Baumwollspinnerei gefunden - direkt an der Agger, aus deren Wasserkraft später die erste Stromenergie produziert wurde.

In der Fabrik waren viele billige Arbeitskräfte tätig, die zwar hart arbeiten mussten, aber auch von der sozialen Fürsorge des protestantischen Wuppertalers profitierten: Unterstützungskasse, Speiseanstalt, Arbeiterhäuser. Die frühere Baumwollspinnerei, ein mächtiger Industriebau von den Unternehmern Ermen & Engels aus Grauwacke, ist seit den späten 80er Jahren Sitz des Rathauses und des Rheinischen Industriemuseums - ein Industriedenkmal.

In unmittelbarer Nähe zu der Industrieanlage ließ Friedrich Engels nach Plänen des Wuppertaler Architekten Christian Heyden die Villa errichten - ein dreigliedriges Gebäude mit einem Mittelhaus für den Patriarchen und zwei Seitenhäusern für die Söhne Emil und Hermann. Bis 1979 lebten dort die Nachkommen von Emil und Hermann, zuletzt Hermann Engels IV, der Ur-Ur-Enkel des Firmengründers.

Patriarch Friedrich Engels senior starb 1860, seine Witwe Elise lebte sowohl in der Villa als auch im angestammten Wohnsitz in Wuppertal, führte einen regen Briefwechsel mit dem ältesten Sohn Friedrich. Dieser arbeitete als Teilhaber und Repräsentant der deutschen Familie in der Fabrik in Manchester. Mehr als die Geschäfte interessierte ihn jedoch das Elend der Arbeiter. Seine Beobachtungen waren die Grundlage für das kommunistische Manifest, das er mit Karl Marx schrieb, und die philosophischen Schriften. Einen Teil seines Werkes „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ schrieb Engels in der Villa Braunswerth.

Ob er sinnierend über die weiten Grasflächen vor und hinter der Villa geschlendert ist, ist nicht überliefert. Aber ein Schwarz-Weiß-Foto von 1900 mit der Familie Engels vor dem monumentalen Gebäude verschafft einen Eindruck vom Leben in Braunswerth. Und noch heute kann Hermann Engels IV über jedes Zimmer in der Villa berichten - über das Kaminzimmer, in dem sich die Jagdgesellschaften trafen, aber auch über den Park, in dem Fußball gespielt wurde.

Nach dem Auszug der letzten Familie Engels bezog der Bergische Abfallwirtschaftsverband BAV die herrschaftlichen Räume. Abfall- und Entsorgungsthemen werden hier diskutiert, Zukunftspläne wie das Projekt „metabolon“ entwickelt. Von den langen Fluren mit dem Marmorboden gelangt man in die Arbeitsräume mit dem etwas strengen Outfit, in denen früher die Familien lebten und Kinder aufzogen. „Ich liebe dieses Haus - es hat Tradition und Geschichte, die mir zeigt, wie vergänglich und unwichtig wir sind“, sagt BAV-Geschäftsführerin Monika Lichtinghagen-Wirths über ihre Wirkungsstätte. „Das Haus hat so viel mitgemacht und steht immer noch.“

Nicht nur die Mitarbeiter des Abfallwirtschaftsverbandes für Rhein-Berg, Oberberg und Leverkusen haben hier eine illustre Arbeitsstätte im Park gefunden, auch die Kunst ist heute in der Villa zu Hause. Bereits vor circa 15 Jahren wurden im Park und in der Lindenallee mit der Aktion „Kunstplätze“ Kunst- und Klangperformances zum Thema Baumwolle und Wasser veranstaltet. Seit einigen Jahren ist die Villa regelmäßig in der „BAV-Galeriediele“ Ausstellungsort für die Engelskirchener Künstlergruppe von EngelsArt, die immer wieder namhafte Künstlerkollegen in ihre Veranstaltungen einbindet.

Eine Führung durch die Villa Braunswerth findet am Freitag, 25. September, um 15 Uhr mit Paul Funken statt. Treffpunkt ist die Museumskasse des Rheinischen Industriemuseums in Engelskirchen. Anmeldung bei Kulturinfo Rheinland unter 02234 / 99 21 555.

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