Vom Licht ins Dunkel

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Piotr Anderszewski ist am Klavier zu hören.

Piotr Anderszewski ist am Klavier zu hören.

Karol Szymanowski, 1882 inder Ukraine geboren, avanciertevor allem als Pianist inder ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts zur zentralenFigur des polnischen Musiklebens.Inspiriert von der antiken Literatur derarabisch-persischen sowie des griechischenKulturkreises, fühlte er sichbesonders zu den (philosophischen)Gedanken hingezogen, die Liebe, Leidenschaftund Ekstase betrafen. Unddiese Gedanken sollten sich auch in seinemmusikalischen Schaffen niederschlagen.

In enger kollegialer wiefreundschaftlicher Kooperation mitdem polnischen Geiger Paul Kochanski,der ihn in technischen Fragen beriet,entwarf er einen neuen Stil und eineneue Farbigkeit. Anders ausgedrückt:Szymanowskis Phrasen schwingen inbeinahe unerreichbarer Höhe, schimmernmanchmal sinnlich, fast schwebend,zuweilen auch düster und vollerSpannungen.

Dieser Stil wurde bei derArbeit an den „Mythen“ entdeckt undgefestigt, laut Szymanowski „ein neuerAusdruck im Geigenspiel, etwas, dasman epochal nennen kann“. In derSammlung dieser drei musikalischenGedichte, die auf Charakteren der griechischenMythologie basieren, lassenverschiedene Klangeffekte die klassischenGeschichten aufblühen – durchden Gebrauch von Tremoli, Trillern,Doppelgriffen, Obertönen, Pizzicati,den Dämpfer, durch Effekte auf demKlavier wie ausgedehnte Arpeggien,phantastische Akkordik und Pedaleinsatz.Le Poème Harmonique am 19.4.

Couperins „Lesungen der Dunkelheit“(„Leçons de Ténèbres“) dagegen symbolisiereneher eine gedeckte Farbigkeit:Sie stehen ganz im Zeichen der Karwocheund waren für die Lesungen derMatutin (nächtliches Stundengebet,lat.: matutinus = morgendlich) amGründonnerstag bestimmt. TextlicheGrundlage der Tenebrae-Lamentationensind Auszüge aus den Klageliederndes Propheten Jeremia im Alten Testament.Sie betrauern die ZerstörungJerusalems 586 vor Christus.

In derFastenzeit, speziell in der Karwoche,wird diese Zerstörung zum Sinnbild fürdie Gefangennahme, die Kreuzigungund den Tod Jesu. Statt des „GloriaPatri“ (Doxologie) am Ende jedes Psalmsblies man jeweils eine der 15 Kerzen desLeuchters vor dem Altar aus. Einezusätzliche Kerze, Symbol für Jesusselbst und die Hoffnung auf seine Auferstehung,blieb am Ende der Musikbrennen. Die Antwortgesänge nachjeder Lektion kommentierten und vertieftendas Vorausgegangene.

Couperin schrieb seine Leçons auf Bittender frommen Schwestern der PariserAbtei von Longchamp, gegründetvon Isabelle, der Schwester Ludwigs IX.(des „Heiligen“). Aus der Gewohnheit,diese Andacht auf den Vorabend desentsprechenden Tages zu verlegen,erklärt sich Couperins Bezeichnung„Pour le Mercredy“ (für den Mittwoch)im Titel aller drei Leçons. Offensichtlichplante Couperin weitere sechs Kompositionenfür den Karfreitag und den Karsamstag,doch scheinen sie nichtzustande gekommen zu sein, da sieweder im Druck noch handschriftlichüberliefert sind.

In seinem Vorwort zu „Des Balletsanciens et modernes“ (Paris 1682schrieb Père Claude-François Ménestier:»Um eventuelle Missbräuche zu vermeiden,haben sich einige Kirchen gegenMusik und Instrumente entschieden,und mehrere Prälaten haben den pompösenGesang der Klagelieder des Jeremiaan den drei letzten Tagen der Karwocheuntersagt, damit das an diesenheiligen Tagen entstehende Durcheinanderdurch die Massen, die statt ausFrömmigkeit eher von der Symphonieund den prachtvollen Stimmen angezogenwerden, vermieden wird.«

Die Abteivon Longchamp scheint von dieserRegelung nicht betroffen gewesen zusein, denn die »Tenebrae« wurden dortnoch im ganzen 18. Jahrhundert gesungenund zogen große Menschenmengenan. Die Französische Revolutionbrachte die Zerstörung der Abtei mitsich – doch Couperins »Leçons de Ténèbres« leben bis heute als eine der kunstvollstenTenebrae-Kompositionen weiter.

Von Christoph Guddorf

Termin:

18.04.2011 Montag 20:00 Philharmonie für Einsteiger 5

Frank Peter Zimmermann Violine Piotr Anderszewski Klavier Ludwig van Beethoven Sonate für Violine und Klavier F-Dur op. 24(1800-01)

"Frühlingssonate"Karol Szymanowski Mythen op. 30 (1915) Drei Dichtungen für Violine und KlavierRobert Schumann Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 d-Moll op.121 (1851) € 25,-

19.04.2011 Dienstag 20:00

Le Poème Harmonique Claire Lefilliâtre Sopran Claire Debono Sopran Sylvia Abramowicz Bassgambe Frédéric Rivoal Orgel, Cembalo Vincent Dumestre Theorbe und Leitung François Couperin: Leçons de Ténèbres € 25,-

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