Von Frechen aus die Welt erobert

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Die früheren Frechener Katharina und Heinz Meul (r.) sowie ihre große Familie besitzen zahlreiche Restaurants auf Teneriffa.

Die früheren Frechener Katharina und Heinz Meul (r.) sowie ihre große Familie besitzen zahlreiche Restaurants auf Teneriffa.

Es klingt wie der Stoff für eine kitschige TV-Serie vor paradiesischer Kulisse. Aber die Geschichte ist wahr.

Frechen / Teneriffa - Damals in Frechen: Nach den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges hungern die Menschen mehr als je zuvor. Winand Meul, Eisenbahner und Vater von Heinrich Meul, kann nicht mitansehen, wie sein 14 Jahre junger Sohn auf der Straße umherstreunt. Eine Lehre beim Bäcker Nicolin, an der nächsten Straßenecke, scheint ihm vernünftig angesichts der Nahrungsmittelknappheit.

Rückblickend betrachtet, war es mehr als vernünftig, ja, sogar goldrichtig. Denn vom Konditormeister in Frechen wurde Heinrich Meul zum Besitzer einer eigenen Bäckerei. Von dort aus nahmen er und seine Familie später Reißaus - um ein kleines, stolzes Imperium zu gründen auf einer Insel fernab ihrer Heimat.

Heute im grünen Norden Teneriffas: Ein Pfau breitet das Gefieder aus und präsentiert stolz seinen in der Sonne türkisblau, smaragdgrün und golden schimmernden Fächer. Wie bestellt, stolziert er vor den Gästen der Terrasse des „El Monasterio“ umher. Auf karierten Tischdecken wird ihnen währenddessen ein Frühstück wie bei Mama oder besser Oma kredenzt: Selbst gebackenes Brot, frische Eier, von Hennen, die hier ebenfalls herumlaufen, und eine feine Auswahl an Wurst- und Käsesorten sowie selbst gemachte Marmelade.

So ein reichliches Frühstück hat in Spanien Seltenheitswert. Der Blick auf den grünen Hügel gegenüber mit stufigen Bananenplantagen, vereinzelten Drachenbäumen und bunten Häusern in Würfelform vollendet das Idyll. Das „El Monasterio“ selbst ist ein Kleinod kanarischer Baukunst: ein altes Kloster mit wunderschönem Innenhof, in dem nicht nur für Marienstatuen, sondern auch für Ponys, Esel und Schildkröten Platz ist. „Essen anzubieten alleine reicht heutzutage nicht mehr. Das Drumherum ist genauso wichtig“, sagt Heinz Meul. „Und Tiere faszinieren natürlich vor allem die Kinder.“ Zusammen mit seiner Frau Katharina ist der Unternehmer im Jahr 1971 nach Teneriffa gezogen. „Geplant war das nicht. Wir wollten ein Café in Bayern eröffnen“, erklärt der Auswanderer.

Dabei hatte er eine richtig gut funktionierende Bäckerei in seiner Heimat - die Bäckerei Meul an der Ecke Heinrich-Wolf-Straße / Fliederweg. Dennoch war er auf der Suche nach neuen Herausforderungen. „Wenn ich jetzt nicht aufbreche, dann nie“, hatte sich der damals 39-Jährige gesagt. „Mit vierzig bleibe ich dann für immer hier in Frechen.“ Ein Jahr vor seinem Vierzigsten haben die Meuls den Absprung geschafft. Heute besitzt die Familie ein ganzes Imperium auf Teneriffa - mit 210 Angestellten. „Als wir im Urlaub waren, haben wir ihn entdeckt: einen Strandpavillon, den wir zum ersten echten Café auf der Insel - mit eigenem Konditor - umgebaut haben.“

Heute befindet sich dort in der Hafenstadt Puerto de la Cruz im Norden der Insel ein schlichter Kiosk. Denn 1993 ist die Konzession für ihr Café, das sie „Columbus“ nannten, abgelaufen. Das wussten die Meuls. „Ich wollte anschließend in Rente gehen“, sagt der heute 74-Jährige Heinz Meul, der jetzt noch immer voll im Berufsleben steckt. Die seit 1979 existierende Aktiengesellschaft der Meuls heißt noch immer „Columbus S.A.“. Katharina Meul ist ebenfalls sehr aktiv. „Sie hält alles am Laufen“, erklärt Schwiegersohn Volker Beck, der mit seiner Frau Lydia selbst voll in das Familienunternehmen integriert ist.

Meterhohe Wellen

„Viele Objekte brauchen natürlich viele Hände, die mit anpacken.“ Das „Columbus“ war nur der Anfang. „Das lief vom ersten Tag an“, sagt Heinz Meul. „Schließlich lag es an der Hauptpromenade von Puerto de la Cruz am Meer.“ Man muss sich das so vorstellen: Direkt unterhalb der Silhouette aus grauen Hotels und Souvenirläden braust der Atlantik mit meterhohen Wellen gegen die Sockel der Gebäude. Eines von ihnen fällt besonders auf durch die Fassade im original kanarischen Stil mit geschnitztem Teakholz-Balkon, weißem Putz und roten Schindeln: das „Rancho Grande“, ein Grill-Restaurant mit eigener Bäckerei. Die Meuls haben es 1976 vom Architekten Hans Minarik, der bekannt ist für den „Bayerischen Hof“, umbauen lassen. Volker Beck, seine Frau und seine drei Kinder wohnen einen Stock höher, über dem Rancho Grande.

Das Ehepaar Meul lebt mit Sohn Heinz (36), der das Down-Syndrom hat, lieber im vornehmen Stadtteil La Paz in einer Villa mit Swimmingpool. Eine 90 Meter hohe Klippenwand trennt La Paz von dem darunter liegenden quirligen Stadtkern. Sie gewährt Ruhe - und den Überblick.

Das Café Paris liegt auch unten an der wuseligen, von Palmen gesäumten Promenade. Das Gebäude, ein Wohnhaus, haben die Meuls 1982 gekauft und 1983 von der „Bavaria Film“ innerhalb von zwei Wochen fertigstellen lassen. „Die Teile wurden in Deutschland hergestellt und dann geliefert“, sagt Volker Beck über das im französischen Stil gehaltene Interieur, das durchaus etwas kulissenartig, aber originell wirkt.

An der Plaza, die von der wilden Promenade weg in die Altstadt führt, befindet sich das „Centro Columbus“, ein Einkaufszentrum der besonderen Art mit ausgewählten Schmuck-, Zigarren-, Bekleidungsläden und einer Eisdiele. Der Raum, ebenfalls von Minarik konzipiert, öffnet sich einem lichtdurchfluteten Patio, umgeben von kanarischen Ringsum-Balkonen auf drei Ebenen. „Wir hatten das Haus 1981 gekauft, und bis 1984 war es ein Restaurant mit Eisdiele. Drei Jahre später ist es abgebrannt. Doch wir haben es zusammen mit dem Nachbarhaus zum Einkaufszentrum umgebaut“, sagt Meul. Die Brandursache ist bis heute unbekannt, doch zum Glück waren die Besitzer gut versichert. „Das war ein Rückschlag“, betont auch Volker Beck.

Doch dieser hat die Familie nicht abgehalten weiterzumachen: 1989 hat sie das Klostergelände für das „El Monasterio“ gekauft, das fünf verschiedene Restaurants, im Kellergewölbe einen reich sortierten Weinkeller und einen kleinen Tierpark beherbergt. Fünf Jahre haben die Meuls mit viel Liebe zum Detail und großem Aufwand restauriert, danach zehn Jahre lang ausgebaut - bis 2003.

Das Kloster liegt in Los Realejos, dem Ort mit San-Fransisco-Gefälle im Norden Teneriffas. Im unteren Teil, Realejo Bajo, führt eine relativ ebene Straße nach La Luz. Dort ragt ein Vulkanaschehügel mit Kapelle empor - ein beliebtes Ausflugsziel von Einheimischen und Touristen. Am Fuße wartet, wie eine Oase nach der Vulkanwanderung, das „El Monasterio“, das selbst renommierte Reiseführer als Sehenswürdigkeit und Restaurant-Tipp zugleich angegeben. Um solch ein Niveau halten zu können, sind Ideen gefragt. „Wir haben seit kurzem auch eine russische Speisekarte“, erklärt Meul, „denn Woche für Woche kommen jetzt vier bis fünf Charterflüge aus St. Petersburg und Moskau auf die Kanaren.“

Auch er war schon in Russland. Das Paar reist überhaupt sehr gerne. Die Idee für das fahrbare Dach im Rancho Grande etwa, mit dem man den Patio wie ein Cabrio je nach Wetterlage öffnen und schließen kann, stammt aus Vancouver. Doch Ideen alleine reichen nicht. „Man muss von Anfang an hart arbeiten“, konstatiert Heinz Meul. „Und zusätzlich muss man sich anpassen.“ Anfangs konnten die Meuls kein Wort Spanisch. Meul: „Da waren Hände und Füße im Einsatz, aber es ging.“ Heute hat das Unternehmen einen spanischen Personalchef. „Das ist wichtig. Der kennt seine Pappenheimer“, sagt Meul und lacht. Heute haben die Meuls und die Becks genauso viele spanische wie deutsche Freunde. „Wir leben mit den Spaniern.“

Auch die Lebensart nimmt man mit der Zeit an, ansonsten ist das auch nicht gut fürs Geschäft: „Wenn man hier etwas möchte beispielsweise, lädt man die betreffende Person zunächst zum Essen ein und beredet die Angelegenheit erst danach.“ Den Meuls dürfte die Wahl des passenden Restaurants nicht allzu schwer fallen. „Eigentlich ging es bei uns stets voran“, überlegt Heinz Meul bei der Frage nach Tiefschlägen und Enttäuschungen. „Da war der Brand, das war schlimm. Und ganz am Anfang, in den Siebzigern, als Franco noch an der Macht war, wurde meine Arbeitsgenehmigung abgelehnt. Begründung: zu viele Ausländer.“ Seine Frau hat die Genehmigung dann wenig später bekommen. „Einfach so.“ Glück gehört eben auch dazu.

Meuls Blick schweift manchmal von der mit Schilf überdachten Monasterio-Terasse auf ein altes Herrenhaus, das am Fuß des Hügels gegenüber liegt. „Wir bauen es gerade um, sagt er ganz nebenbei. „Und in der Industriezone von La Orotava entsteht jetzt eine gläserne Konditorei, die jedem den Einblick in das Handwerk genehmigen soll.“ Hat er denn eigentlich nie genug? „Ich kann mich jederzeit ausklinken. Wir sind ja ein Familienbetrieb. Da bleibt alles in guten Händen.“

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