Digitales Bildungsprojekt„Wir möchten Schule revolutionieren“

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Ein Junge hat eine VR-Brille auf, auf der „Beethoven Opus 360 “steht. Um ihn herum haben sich Mitschülerinnen und Mitschüler versammelt.

Tour-Auftakt des VR-Spiels „Beethoven Opus 360“ an einer Brennpunktschule in Hamburg-Billstedt

Zwei Brüder, Anfang 20, aus Bonn möchten mit ihrem Virtual-Reality-Spiel Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit in Schulen bringen. 

Mit eurem gemeinnützigen Bildungsprojekt, dem Virtual-Reality-Spiel ‚Beethoven Opus 360‘, möchtet ihr die Schulbildung gerechter und zukunftsfähiger gestalten, ein nicht gerade bescheidenes Ziel, das ihr wie erreichen wollt?

Arthur Abs: Unsere Vision ist es, mit Game-based Learning, also dem Einsatz von Lernspielen und digitalen Technologien, die Schulbildung zu revolutionieren. Besonders liegt uns dabei die Vermittlung klassischer Kulturinhalte am Herzen, die immer herausfordernder werden wird. Gerade für junge Menschen bestehen häufig große Hürden, die wir spielerisch überwinden wollen, um damit zu mehr Bildungs- und Chancengleichheit beizutragen.

Victor Abs: Wir sind selbst Anfang 20 und wissen, dass klassische Musik im Leben Jugendlicher kaum noch eine Rolle spielt, als langweilig, alt und exklusiv gilt, und zu häufig an elitären Orten stattfindet. Welcher junger Mensch kann heute noch etwas mit dem Namen Beethoven anfangen? Das wollen wir ändern, indem wir zeigen, wie aufregend er war. Wir sind überzeugt davon, dass der intelligente und Spaß-bringende Einsatz digitaler Medien zu einem viel höheren Lernerfolg führt und parallel die Medienkompetenz fördert. Dabei geht es auch darum, neue Wege für unser Schulsystem zu gehen, das im Grunde auf preußischen Ideen von vor 150 Jahren beruht. Lernen muss Spaß machen und aktiv, nicht passiv sein.

Die Brüder Victor und Arthur Abs

Die Brüder und VR-Spiel-Erfinder Victor (links) und Arthur Abs

Könnt ihr das Spiel, beziehungsweise euer Projekt in drei Sätzen beschreiben?

Victor Abs: Wenn man sich die VR-Brille aufsetzt, landet man mitten in einem Rap Battle – umringt und angefeuert von Jugendlichen. Man wählt verschiedene Themen aus, über die Beethoven rappt, etwa über Ruhm oder Geld, Liebe oder Feindschaft, Revolution oder Frieden, und entscheidet über die Musik. Es gibt viele Möglichkeiten, zu interagieren.

Arthur Abs: Aber unser Projekt ist mehr als nur ein VR-Spiel. Wir entwickeln gerade zusätzlich ein begleitendes digitales Lernprogramm zu Beethovens Leben und Werk und analoges Material, sodass wir Schulen ein komplettes Unterrichtspaket anbieten können. Es richtet sich aber nicht nur an Schulen, sondern an alle Bildungs- und Kulturorte, um Ausstellungen und andere Events zu bereichern. Es war zum Beispiel schon im Konzerthaus Berlin zu Gast.

Beethoven als Rap-Star, wie passt das zusammen?

Victor Abs: Sieht vielleicht auf den ersten Blick nicht so aus, aber Beethoven und Rap eint, dass beide unangepasst und rebellisch sind beziehungsweise waren und die Konventionen ihrer Zeit aufbrechen wollten und wollen. 

Arthur Abs: Außerdem wird Rap in unserer Generation rauf- und runter gehört, über dieses Medium Beethoven neu zu erzählen, ist, davon sind wir fest überzeugt, der richtige Zugang, um klassische Musik in die Lebenswelt junger Menschen zu bringen. Kaum eine Sprache kann so schonungslos eine Geschichte erzählen wie der Rap.

Lernen sollte Spaß machen und aktiv, nicht passiv stattfinden. Wir möchten mit unserem Projekt jeden und jede erreichen – nicht nur die Querschnittschüler
Victor Abs

Im März startete die bundesweite Schultour des Projekts an einer Brennpunktschule in Hamburg-Billstedt – mit welcher Resonanz?

Arthur Abs: Wenn anschließend junge Schüler Beethoven-Lieder pfeifend durch die Gänge laufen, ist schon viel erreicht. Wir haben die Brennpunkt-Schule als Start gewählt, weil wir lokal und zielgenau wirken möchten. Für viele junge Menschen ist die Schule oft der einzige Ort ist, an dem sie Zugang zu kultureller Bildung erfahren. Dass wir für die Kooperation das Erzbistum Hamburg als größten Schulträger gewinnen konnten, hat uns besonders gefreut.

Victor Abs: Und eine Musiklehrerin freute sich, dass wir mit unserem Projekt nicht klassische Musik vermitteln, sondern, O-Ton, ‚geile Musik‘.


Der Verein und Infos für interessierte Schulen oder Kulturinstitution 

  • Der gemeinnützige Verein: „agon e.V.“, ein Verein von jungen Menschen für junge Menschen mit Sitz in Bonn, hat sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche für klassische Kultur zu begeistern.
  • Als gemeinnützige Bildungsinitiative entwickelt der Verein, der von den beiden in Bonn lebenden Brüdern Arthur (24) und Victor (20) Abs ehrenamtlich geleitet wird, innovative Projekte und fördert die Ideen junger Kreativer, um so Jugendliche zu erreichen, die einen erschwerten Zugang zu kultureller Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe haben – etwa in Form von digitalen Kulturprojekten, kostenfreien Workshops oder Podiumsdiskussionen.
  • Das Bildungsprojekt: „Beethoven Opus 360“, das auch von „wir helfen“ gefördert wird, feierte im August 2022 im Beethoven-Haus Bonn Premiere und hat seitdem rund 40 000 Jugendliche erreicht. Es war zu Besuch in Bildungs- und Kulturorten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA.
  • Die bundesweite Schultour startete im Februar 2023 in Hamburg. Es wird dauerhaft im Unterricht zum Einsatz kommen in Kooperation mit Landesministerien, Kulturinstitutionen und Schulträgern. Zentrales Element sind mobile Ausstellungskoffer in zwei Größen, die 2/4 VR-Brillen und 1/2 Tablets samt Lernspiel enthalten. Weitere Informationen gibt es hier

Ihr seid ein kleiner, gemeinnütziger Verein mit geringem Budget – und neben den größten Entwickler-Studios nominiert für den deutschen Computerspielpreis 2023 in der Kategorie ‚Beste Innovation‘ sowie für den Deutschen Entwicklerpreis, Chapeau!

Victor Abs: Danke! Wir sind überzeugt, dass kulturelle Bildung und die Förderung von Kreativität wichtige Grundlagen für eine freiheitliche demokratische Gesellschaft sind. Deshalb setzen wir uns ehrenamtlich für Chancengleichheit und kulturelle Teilhabe ein. Die Nominierung beim Deutschen Computerspielpreis, der wichtigsten Auszeichnung der Game-Branche, ist eine großartige Anerkennung für die ehrenamtliche Arbeit unseres siebenköpfigen Teams, dem auch ein Rapper, Programmierer, Motion-, Sound-Designer und Beatproduzenten angehören.

Arthur Abs: Ich glaube, die Jury überzeugte, dass das VR-Spiel neben der professionellen technischen und visionären Umsetzung vor allem die ganzheitliche Vision von Bildung auszeichnet. Das bestätigt uns in unserer Mission von neuartiger Bildungsvermittlung und spornt uns an, mehr Ideen zu entwickeln, die Schule verändern.

Euer Projekt ist mehrfach ausgezeichnet und europaweit auf Tour. Sind noch Wünsche offen?

Victor Abs: Ein Traum wäre natürlich, wenn ‚Beethoven Opus 360‘ an allen Schulen hierzulande zum Einsatz käme. Wir führen gerade entsprechende Gespräche mit Verantwortlichen eines Bundeslandes, um unser Projekt ab dem kommenden Schuljahr flächendeckend als Unterrichtsmaterial einzusetzen.

Arthur Abs: Wir wünschen uns möglichst viele Schulträger, die den Mut haben, neue Lösungen zuzulassen und auszuprobieren. Das wird die größte Herausforderung sein. Wer sich persönlich von unserem Projekt überzeugen möchte, kommt in die Comedia Köln, wo wir vom 25. bis 29. Mai zu Gast sein werden.  


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