KulturförderungDen Kunsttempeln fehlen Jugendliche

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Diskutierten angeregt (v. li.): Louwrens Langevoort, Hedwig Neven DuMont, Stephan Berg, Ruth Gilberger und Arthur Abs.

Bonn – „Gedanken hat das Alter, die Jugend hat Ideen.“ Ob die jungen Gründer der agon-Gesellschaft zur Förderung von Theater und Musik  diese Weisheit kennen oder nicht: Sie könnte  als Motto der Podiumsreihe dienen,  zu deren Auftakt Arthur Abs, 19, und Johannes zu Oettingen-Wallerstein, 19, in das Auditorium des Kunstmuseums Bonn geladen hatten,  um mit Kulturschaffenden und Jugendlichen darüber zu diskutieren, wie man das kulturelle Potenzial junger Menschen besser herauskitzeln und fördern kann. Auf der Gästeliste standen neben dem Hausherrn Stephan Berg auch der Chef der Kölner Philharmonie Louwrens Langevoort, „wir helfen“-Vorsitzende Hedwig Neven DuMont sowie Ruth Gilberger, Mitglied des Vorstands der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft. Sie erörterten in angeregter Debatte  unter anderem  diese Fragen:

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Das Ensemble "Zeitraum. Spielraum. Freiraum" begleitete die Podiumsdiskusssion im Kunstmuseum Bonn

Wie kann das  Potenzial der Jugend gefördert werden?

„Die Eigeninitiative junger Menschen wird  in unserer Gesellschaft allgemein  wie im künstlerischen Bereich im Speziellen zu wenig gefördert“, kritisierte Abs – und  erklärte damit auch seine Motivation,  im April 2017 die „agon-Gesellschaft“ zu gründen, die diese  Lücke schließen soll. Indem sie von der Jugend initiierte künstlerische Projekte professionell unterstützt. Blieb die Frage, wer für diese Förderung verantwortlich ist. Die Vertreter der kulturellen Institutionen plädierten dafür, dass vor allem die Politik  – und jeder Einzelne als Wähler – gefragt sei, da Museen, Konzert- und Theaterhäuser mit ihren  Angeboten den Auftrag der Kulturbildung und -förderung bereits erfüllten.

Sind die Kulturstätten nicht mehr zeitgemäß?

Diese Angebote  seien aber, so die Kritik der Jugend,  von Erwachsenen für Jugendliche gestaltet.  Weshalb das Publikum  der Kunststätten parallel zum Programm vergreise.     Zwar gebe es zahlreiche museums- und theaterpädagogische Angebote für Fünf- bis Zwölfjährige, kaum aber für Jugendliche, die, so Abs, „eine coole Freizeitgestaltung suchen, auf Partys gehen und  sich bevorzugt in der digitalen Welt bewegen“. Stephan Berg gab zu Bedenken, dass Museen  zwar „auch Orte des Vergnügens, der  Überraschung und der Erholung  bieten sollen    – aber keine Orte der Bespaßung im Partystil sind“.  Ruth Gilberger war der Meinung, dass man die Jugend am ehesten ernst nähme, wenn man ihr kein speziell auf sie zugeschnittenes Programm anböte, sondern eines, das überrascht,  Fremdes, Neues, Anderes bietet, als  das, was die  Lebenswelt der Jugend bereithält.   „Meine Begeisterung für klassische Musik  wurde auch nicht im Jugendzentrum geweckt“, kommentierte Louwrens Langevoort knapp und treffend.

Wer sollte als Impulsgeber agieren?

Der Konter der Jugend folgte  auf dem Fuße: „Wir brauchen keine Ideengeber! Einfälle und Neugierde haben wir genug, wissen selbst am besten, was uns interessiert –  müssen aber bei der Umsetzung unserer Ideen ernster genommen und professioneller unterstützt werden.“ Jugendliche sollten deshalb  nicht nur als passive Besucher, sondern als aktive Teilnehmer  gewonnen werden.  Die beiden Intendanten betonten, dass ihre Häuser  regelmäßig Veranstaltungen  von Jugendlichen anböten –  das Problem aber sei, dass Studierende die kaum wahrnehmen würden und generell  zu den seltensten Besuchern ihrer Häuser zählten.

Wer weckt das Interesse an Kultur  und wann?

Einig waren sich Jung und Alt, dass das Interesse möglichst vor Pubertät und Partyzeit geweckt werden müsse. „Um eine Neugierde für Musik zu entfachen“ bietet die Philharmonie etwa seit Jahren Babykonzerte in verschiedenen Stadtteilen Kölns an. Und das Bonner Kunstmuseum setzt sich mit dem Modellprojekt „Museumscurriculum“ dafür ein, dass Museen schon in den Grundschulen  in die Lehrpläne implementiert werden, „um eine natürliche und langfristige  Bindung an solche Orte  zu erreichen“, so Berg.

Inwiefern sind Eltern in der Pflicht?

Ruth Gilberger regte an,  in der Frage der Vermittlung von Kunst die Beteiligung der Eltern stärker einzubeziehen.   Dafür  müsse über eine andere Form der Kommunikation nachgedacht werden. Denn: „Kunst ist nicht, wie Eltern meist vermittelt wird, das elitäre Sahnehäubchen der Bildung, sondern deren integraler Bestandteil.“  

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Ensemblemitglieder "Zeitraum. Spielraum. Freiraum"

Wie können alle  Kinder erreicht werden?

Als Paradebeispiel dafür, dass Jugendliche auch Anreize von  außen  brauchen,  nannte  Hedwig Neven DuMont den Kölner Verein „Planet Kultur e.V“. Das  von „wir helfen“ initiierte   und geförderte Theater- und Ausbildungsprojekt beweise anschaulich, wie sehr  Musik und Schauspiel dazu in der Lage sind, Jugendliche, die  im Abseits der Gesellschaft stehen, wieder in deren Mitte   zu bringen – und zu einem Schulabschluss zu motivieren. Hedwig Neven DuMont: „Wenn Jugendliche aktiv an einem Theaterprojekt beteiligt werden, fördert das ihre  Verantwortung, Disziplin und Teamfähigkeit. Wenn sie abschließend auf einer großen Bühne der Stadt beklatscht werden, gibt ihnen das Selbstvertrauen, das Gefühl endlich auch Erfolg zu haben – und nicht immer der Versager zu sein.“

Verhindert die digitale Welt kulturelle Teilhabe?

Abschließend  wurde heftig darüber diskutiert, inwieweit sich  Museen, Konzertsäle, Bühnen,  allesamt letzte Bastionen des Analogen,  der Digitalisierung stellen sollen. Und ob die virtuelle  Welt, Lebensmittelpunkt junger Menschen, Kulturerlebnissen in Echtzeit  im Wege steht.    Ruth Gilberger mahnte an, dass man aufhören müsse, in Gegensätzen zu denken.  „Schließlich bergen  etwa virtuelle Rundgänge durch Museen die Chance für alle, von Zuhause aus die Kunstwelt zu erkunden. Dadurch wächst auch das Bedürfnis,  Kunst vor Ort erleben zu wollen.“ Auch wenn Arthur Abs und Johannes zu Oettingen-Wallerstein an diesem Abend  keine Patentrezepte für die professionelle Förderung der Jugend erhielten, so ist ihnen ihr zweites Ziel – neben der Kulturförderung – gehörig gelungen:  Einen gesellschaftlichen Diskurs über das künstlerische Potenzial der Jugend zu starten.

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