MediennutzungClever und sicher im Netz

Lesezeit 4 Minuten

Köln – Wer erinnert sich noch an die beliebteste App des Jahres 2007?“, fragt der Kölner Kriminalhauptkommissar Dirk Beerhenke die Teilnehmer der Fachtagung „Gewalt und Kinderschutz“ des Deutschen Kinderschutzbundes NRW. Schweigen in der Runde. „Das ist auch kein Wunder“, kommentiert der Experte für Cyberkriminalität und Opferschutz, und erinnert daran, dass sich das Smartphone erst ab 2008 in Deutschland verbreitet hat. Vor elf Jahren gab es also noch gar keine Apps – was zeigt, wie neu das Thema eigentlich noch ist, zumindest für die meisten Erwachsenen.

Naiver Umgang mit dem Internet

Kinder dagegen wachsen mit Apps und Videoplattformen auf, für sie ist das Agieren im Netz so selbstverständlich wie für uns das Autofahren. Und dennoch: Viele Kinder und Jugendliche gehen mit dem Internet viel zu sorglos um, so das Fazit des Kriminalhauptkommissars. Und noch mehr Eltern wissen nicht, was ihr Nachwuchs am Smartphone überhaupt treibt. Des rät der Experte, folgende Regeln zu beachten:

So wenig Privates wie möglich

Persönliche Daten sollten stets sparsam verwendet werden – in sozialen Netzwerken wie in Messenger-Diensten. Kinder und Eltern vergessen oft, dass jedes Chat-Mitglied jederzeit alle Inhalte des Chats sichern und verbreiten kann. Das bedeutet: Nacktfotos kann man zwar auf dem eigenen Gerät löschen, nicht aber auf den Smartphones der anderen. Auch sollten die individuellen Privatsphäre-Einstellungen in allen Profilen und sozialen Netzwerken immer wieder überprüft werden. Oft sind in den Grundeinstellungen viele Angaben oder Fotos automatisch öffentlich. Das sollte man unbedingt ändern in „privat“ oder „nur Freunde“.

Auf Details im Hintergrund achten

Wer ein Video von sich online stellt, sollte auch auf den Hintergrund im Zimmer achten. Wenn dort eine Urkunde mit Namen an der Wand hängt oder ein Briefumschlag mit der eigenen Adresse auf dem Schreibtisch liegt, kann das jeder mitlesen. Dass auch Sekundensequenzen aus Videos (etwa aus Younow.com) von anderen überall im Netz verbreitet werden können, ist vielen nicht bewusst.

Vorsicht bei Sexnachrichten

Auch wenn es abwegig und gefährlich ist: Realität ist, dass viele Jugendliche intime Fotos und Videos von sich im Internet verschicken. Dabei sollte die abgebildete Person nie identifiziert werden können – also Gesicht und Körper niemals zusammen auf einem Foto zeigen. Keine Tattoos fotografieren, keinen Schmuck, keine Bilder oder Fotos im Hintergrund. Aus einer Studie von 2015 geht hervor: Jede vierte private Sexnachricht wird mit anderen geteilt.

Medienvertrag und klare Regeln

Vor der Anschaffung eines Smartphones sollten Eltern einen Medienvertrag mit ihrem Kind abschließen, um dauerhaft klare Regeln aufzustellen. Viele Infos dazu gibt es unter www.mediennutzungsvertrag.de Eltern müssen sich für das interessieren, was die Kinder im Internet tun. Was sind das für Chats und Spiele, die mein Kind immer wieder nutzt? Gemeinsam mit dem Kind sollten sie neue Programme ausprobieren, sich das Internet vom Nachwuchs erklären lassen.

Chatverlauf kontrollieren

Dirk Beerhenke rät auch dazu, Kontrollen des Handys oder Computers anzukündigen, gemeinsam mit dem Kind den Verlauf durchzugehen und bei Verstößen klare Konsequenzen aufzustellen. „Wir lassen unsere Kinder ja auch nicht 24 Stunden am Tag allein durch die Großstadt laufen.“

Jugendschutzfilter nicht vergessen

Es lohnt sich, an jedem Gerät einen jeweiligen Jugendschutzfilter einzustellen, auch wenn das mitunter technisch kompliziert ist und Jugendliche alles daran setzen, diese Filter zu knacken. Aber auch an fast jedem Router lassen sich Filter und Nutzungszeiten einstellen.

Eltern sollte bewusst sein: In so gut wie jedem Internetspiel für Kinder und Jugendliche gibt es die Möglichkeit zum Chat. Und gerade diese Funktion nutzen auch Erwachsene, um mit Kindern in Kontakt zu kommen. Sie geben sich zum Beispiel als Gleichaltrige aus und beginnen zunächst ein harmloses Gespräch. Cybergrooming nennt sich das Phänomen. Nicht selten fordern die Täter später Nacktfotos oder ein reales Treffen mit dem Kind. Dirk Beerhenkes Fazit: „Wenn Eltern klare Limits für Medienzeiten am Handy, Computer oder Tablet festlegen und mit ihren Kindern immer wieder besprechen, was sie im Internet erlebt haben, wäre schon viel erreicht.“

Viele weitere Infos gibt es unter anderem hier:

www.klicksafe.de

www.polizeifuerdich.de

www.susii.koeln

Diese Apps sind bei der Jugend beliebt

www.musical.ly: Mit dieser App können Kinder eigene Videoclips drehen – zu der Musik international bekannter Lieder. Darauf erhalten sie sofort Feedback von anderen Usern – Lob, Kritik und auch beleidigende Kommentare.

Bottle-App: Chat-Prinzip des Flaschendrehens: Ein Teilnehmer wird zufällig mit einem anderen zum gemeinsamen Plausch verbunden. Kinder sollten diese App nie ohne Aufsicht nutzen.

Houseparty-App: Nutzer, die sich in dieser Chat-App miteinander verbinden, hören gleichzeitig dieselbe Musik.

Tellonym: Hier geben sich die Nutzer gegenseitig ein anonymes Feedback, etwa auf Fotos. Weshalb das Forum von vielen genutzt wird, um andere zu mobben, also fertig zu machen.

Chatroulette.com: Chatpartner werden per Video zufällig miteinander verbunden. Diese Internetseite ist definitiv nichts für Kinder.

Younow.com: Hier drehen Jugendliche eigene Filme, Teenies berichten quasi aus ihrem Zimmer – und die Zuschauer können Einfluss nehmen. Kommentare wie "Du bist fett!" oder „Zieh mal deinen Pullover hoch“ fallen hier regelmäßig.

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren