ProjektSelbstbehauptung trainieren

Wehr dich! lautet das Credo von Trainer Hilker Bierbrauer-Kurtoglu.
Copyright: Thomas Banneyer
Kerpen – „Du hast aber hässliche Schuhe an“, sagt der Kursleiter zu Yusuf. Er will den Achtjährigen absichtlich provozieren. Der antwortet gelassen: „Ich hab zu Hause zwei Paar, die sind sogar noch viel hässlicher“, und geht triumphierend weg.

Yusuf
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Es ist Dienstag, kurz vor 9 Uhr morgens. Die Klasse 2a der Albertus-Magnus-Grundschule in Kerpen hat heute ihren zweiten Mut-tut-gut-Tag. Ein Projekt für Schulen und Kindergärten, das Kindern dabei hilft, selbstbewusster zu werden, eigene Grenzen zu benennen und besser miteinander umzugehen. Kursleiter Hilker Bierbrauer-Kurtoglu zeigt, wie Kinder auf „blöde Anmache“ reagieren können. Zum Beispiel mit einer lustigen Quatsch-Antwort, die gar keinen Sinn macht.
Provokationen auf dem Pausenhof
„Wichtig ist, danach unbedingt wegzugehen und die eigenen Worte wirken zu lassen.“ So kann sich die Situation nicht hochschaukeln. Genau diese Art von Provokationen sind es, die auf den Schulhöfen die meisten Probleme entstehen lassen. „Bei 60 Prozent der Konflikte geht es um Beleidigungen“, sagt Klassenlehrerin und stellvertretende Schulleiterin Nicola Metzmacher. 20 bis 30 Prozent der Konfliktfälle gingen auf Missverständnisse zurück.

Titus
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„Die Großzügigkeit fehlt heute vielen Kindern. Ganz viele steigen in jeden kleinen Konflikt sofort ein“, so Metzmacher. Vielleicht auch, weil manchen noch ein großes Stück Selbstbewusstsein fehlt. Oder die eigenen Grenzen noch nicht bewusst sind.
Stark sein, sich selbst schützen
„Viele Grundschulkinder sind stark impulsgesteuert. Sie müssen erst lernen und immer wieder einüben, dass sie sich in schwierigen Situationen wehren oder Hilfe holen können.“ „Mut tut gut“ ist ein Programm, das Kinder stark machen will, damit sie sich selbst schützen können. „Was macht ihr, wenn ich meine Hand ablecke und euch damit durchs Gesicht fahren will?“, fragt Kursleiter Bierbrauer-Kurtoglu in den Stuhlkreis der 2a.
Die Mädchen kreischen auf, die Jungs verziehen das Gesicht. „Keiner darf euch anfassen, wenn ihr das nicht wollt. Dann dürft ihr laut und deutlich Stopp sagen. Am besten mit dem ausgestreckten Arm vor eurem Körper“, vermittelt der Anti-Gewalt-Experte. Jetzt sind die Schülerinnen und Schüler dran, sie üben das „Stopp-Sagen“ im Kreis so laut und deutlich sie können. Gerade fremden Erwachsenen gegenüber trauten sich viele Kinder oft nicht, eindeutig Nein zu sagen. „Das können sie nicht von selbst, sie müssen darauf trainiert werden“, so der Kursleiter, der gleichzeitig Kampfsport-Trainer und Vater von vier Kindern ist.

Lena
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Abwehren und Nein sagen lernen
Besonders eindrücklich wird das in dem Spiel mit der Froschmaske. Ein Kind stellt sich in die Mitte des Stuhlkreises und zieht sich eine Binde in Frosch-Optik über die Augen. Jetzt soll es blind ein anderes Kind ertasten. An den Haaren, an den Augen, an der Nase. Die Kinder kichern. Als Titus im Gesicht befühlt wird, ist ihm das sichtlich unangenehm. Der Siebenjährige guckt gequält, weicht zurück, lässt die Berührungen aber über sich geschehen. „Warum hast du mitgemacht, obwohl du gar nicht wolltest?“ fragt ihn der Trainer später in der Runde. „Weil es eben ein Spiel war“, erwidert Titus.
„Auch wenn es ein Spiel ist, müsst ihr nichts mitmachen, was euch unangenehm ist. Ihr allein bestimmt, wer euch anfassen darf.“ Eine Erfahrung, an die der Siebenjährige und seine Klassenkameraden bestimmt noch öfter zurückdenken.
Kaum Budget für Prävention
Das „Mut-tut-gut“-Training kostet für vier Unterrichtsstunden 480 Euro pro Klasse. Meist werden die Kosten von den Fördervereinen getragen. „Da es in und um Köln aber viele Schulen mit einem knappen Budget für Präventionskurse gibt, entstand 2012 die Idee, mit ehrenamtlichen Mitstreitern einen Verein zu gründen, der sich um Fördermittel kümmern soll“, sagt Bierbrauer-Kurtoglu.

Nikolay
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So trägt der „Förderer sozialer Kompetenzen in Schulen e. V.“ als gemeinnütziger Verein nun dazu bei, dass auch Schulen, Kindergärten und Jugendzentren mit wenig finanziellem Spielraum Gewaltpräventionskurse und Medienkompetenztrainings anbieten können. „Jede Spende hilft uns, Präventionskurse in sozialen Einrichtungen zu etablieren.“
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