Lehrkräfte befürchten mangelnde soziale und kommunikative Kompetenzen junger Menschen durch den Einsatz von KI in der Schule
SchulbarometerSorge um die Generation ChatGPT

Der verantwortungsvolle Umgang mit Künstlicher Intelligenz sollte mehr Einzug in Schulen erhalten, fordern Experten.
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„wir helfen: dass Kinder wieder mutig in die Zukunft gehen“ – unter diesem Motto unterstützt der Hilfsverein dieser Zeitung für Kinder und Jugendliche in Not in diesem Jahr Projekte in der Region, die die Zukunftskompetenzen von jungen Menschen fördern und stärken.
Wie es um die Vermittlung dieser Fähigkeiten im Schulunterricht bestellt ist, zeigt das aktuelle Schulbarometer, mit dem die Robert Bosch Stiftung seit 2019 jährlich die aktuelle Situation an deutschen Schulen untersucht. Erstmals beleuchtet die repräsentative Studie nämlich auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Klassenzimmer und die Demokratiebildung – mit dem zentralen Ergebnis, dass Deutschlands Lehrkräfte mehrheitlich skeptisch auf den Einfluss von KI blicken.
Lehrerinnen und Lehrer sind unsicher, im Umgang mit KI
Ein Gros erwartet durch Chatbot-Anwendungen wie ChatGPT überwiegend negative Auswirkungen auf ihre Schülerinnen und Schüler – vor allem, was deren soziale und kommunikative Fähigkeiten (61 Prozent) und das kritische Denkvermögen (60 Prozent) betrifft. Das Schulbarometer offenbart außerdem deutliche Defizite im Umgang mit KI: 62 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich unsicher, ein Drittel hat KI-Tools im vergangenen Jahr beruflich gar nicht genutzt, und wenn doch, dann hauptsächlich zur Aufgabenerstellung (58 Prozent) und Unterrichtsplanung (56 Prozent), deutlich seltener zur Leistungsbewertung (sechs Prozent) oder Analyse von Lerndaten (drei Prozent).
Nur so können Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierten und verantwortungsvollen Umgang befähigt werden. Richtig eingesetzt, kann Künstliche Intelligenz Lehrkräfte entlasten und ihnen mehr Freiraum für pädagogische Aufgaben verschaffen
Da ChatGPT und vergleichbare Anwendungen längst wichtiger Teil der Lebenswelt junger Menschen seien und sich auch durch Verbote nicht mehr aus dem schulischen Alltag verbannen ließen, rät die Studienautorenschaft den Lehrkräften dringend dazu, eigene Erfahrungen mit diesen Technologien zu sammeln. Darüber hinaus seien systematische Fortbildungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht unerlässlich. „Nur so können Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierten und verantwortungsvollen Umgang befähigt werden. Richtig eingesetzt, kann Künstliche Intelligenz Lehrkräfte entlasten und ihnen mehr Freiraum für pädagogische Aufgaben verschaffen.“
Mehr Demokratiebildung im Unterricht
Was die Demokratiebildung betrifft, ist mit 54 Prozent mehr als die Hälfte der befragten Lehrkräfte der Meinung: In diesem Bereich muss viel mehr getan werden! Der Umsetzung stünden allerdings praktische Herausforderungen im Weg. Als größtes Hindernis nennen mit 77 Prozent rund drei Viertel der Lehrkräfte den Mangel an Unterrichtszeit. Fast die Hälfte (45 Prozent) sieht zudem fehlendes Fachwissen des Kollegiums als problematisch an.
Dabei berichten Lehrkräfte im Osten der Republik häufiger von Desinteresse im Kollegium (38 Prozent, gegenüber 26 Prozent im Westen). Auch die Sorge vor Konflikten unter Schülerinnen und Schülern (29 Prozent gegenüber 17 Prozent) sowie befürchtete Widerstände von Eltern (27 Prozent gegenüber neun Prozent) werden dort häufiger als Hürden genannt.
Schulen müssen zu demokratischen Orten werden
Widersprüchlich ist die Einschätzung der Mitbestimmungsmöglichkeiten: Zwar sehen 68 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer die Anliegen der Schülerschaft bei Entscheidungen an der Schule berücksichtigt, doch 45 Prozent sprechen den Schülervertretungen realen Einfluss ab. „Demokratieerziehung findet nicht nur im Politikunterricht statt. Schulen müssen sich zu demokratischen, partizipativen und inklusiven Orten entwickeln, die von Lernenden und Lehrenden gemeinsam gestalten werden“, fordert Studienleiterin Dagmar Wolf.
„Dafür brauchen wir einen echten Wandel – strukturell, personell und kulturell. Ein wichtiger Schritt ist die konsequente Umsetzung des angekündigten Investitionsprogramms Bildung und des Digitalpakts 2.0 durch Bund und Länder.“
Dafür brauchen wir einen echten Wandel – strukturell, personell und kulturell. Ein wichtiger Schritt ist die konsequente Umsetzung des angekündigten Investitionsprogramms Bildung und des Digitalpakts 2.0 durch Bund und Länder.
Für eine wachsende Zahl von Lehrkräften stellt das Verhalten der Schülerinnen und Schüler die größte Herausforderung im Schulalltag dar. 42 Prozent der Befragten sehen darin ihre Hauptbelastung – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr (35 Prozent). Als mögliche Ursachen nennen die Lehrerinnen und Lehrer die steigende Anzahl von jungen Menschen mit psychischen Störungen sowie die übermäßige Nutzung digitaler Medien.