Wenn Kinder trauernTipps zum behutsamen Umgang

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Ein kleines Mädchen sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und betrachtet einen Kerzenständer mit brennenden Kerzen.

Trauernde Kinder brauchen Rituale.

Kindern möchte man die Begegnung mit dem Tod gerne ersparen. Doch auch die Kleinsten sollten an den Themen Verlust und Sterben beteiligt werden – Ein Trauertherapeut erklärt, wie das behutsam gelingen kann

Corona, Erdbeben, Kriege – in Zeiten wie diesen ist der Tod plötzlich greifbar nah, was er in unserer„Spaßgesellschaft“lange Zeit nicht war. Gerade Kindern möchte man die Begegnung mit dem Tod gerne ersparen, was laut Experten nicht immer richtig ist.

Krisenzeiten bieten da eine Chance, das Thema Tod und Trauer ihnen gegenüber nicht länger zu ignorieren und auszublenden. Was auch denjenigen jungen Menschen hilft, die ein Elternteil oder eine andere, geliebte Person verloren haben. Wie Erwachsene sie dabei begleiten können, erklärt der Trauertherapeut und Autor Roland Kachler.

Trauer ist bei Kindern sprunghaft

„Trauer zeigt sich bei Kindern sprunghaft, so kann ein Kind plötzlich sehr wütend oder sehr albern sein“, sagt Roland Kachler. Und das sei auch gut so, denn „alle Reaktionen eines Kindes in einer Verlustsituation sind erlaubt, auch Albernheit“. Damit Kinder verstehen können, was gerade passiert, sollte ihr Umfeld diese Gefühle also begrüßen – und klar benennen. Erwachsene können, wie Kachler rät, in dieser Situation zum Beispiel sagen: Du bist wütend, weil der Opa gestorben ist, oder? Das verstehe ich, und es ist völlig in Ordnung! Wichtig ist zu signalisieren: Es ist okay, traurig, wütend, hoffnungslos – oder eben albern zu sein, wenn ein Kind mit Abschied und Verlust konfrontiert wird.

Wenn sich die Trauer in Form von körperlichen Schmerzen zeigt, sollte man darauf eingehen, den Schmerz ernst nehmen und Hilfe anbieten: Deine Trauer macht sich bestimmt gerade in deinem Bauch bemerkbar. Soll ich dir eine Wärmflasche machen, damit es besser wird?

Die Art zu trauern ist abhängig vom Alter des Kindes

Hilfreich ist zu wissen, dass Kinder je nach Alter unterschiedlich auf einen schmerzhaften Verlust reagieren. „Kinder unter fünf Jahren haben noch kein Zeitgefühl. Sie verstehen nicht, was ‚für immer‘ bedeutet“, sagt der Trauerexperte. Erst ab fünf Jahren könnten Kinder allmählich Gefühle erkennen und benennen, später verstehen, dass die oder der Verstorbene nicht mehr wiederkommt.

Trauer zeigt sich bei Kindern sprunghaft, so kann ein Kind plötzlich sehr wütend oder sehr albern sein
Roland Kachler, Trauertherapeut

So können Erwachsene Kinder in ihrer Trauer unterstützen

Damit die Situation Kinder nicht überfordert, sollten sie ihrer Trauer unter Anleitung Ausdruck verleihen und sie gestalten können. „Man kann das Kind animieren, ein Bild seiner Trauer zu malen oder ein schönes Erlebnis mit der verlorenen Person aufzuschreiben, oder einen Brief“, rät Kachler.

Da Kinder dazu neigten, zusätzlich zur eigenen Trauer, auch die von anderen Menschen zu übernehmen, insbesondere wenn die Eltern großen Schmerz empfinden, könne sie das in ihrer eigenen Trauerbewältigung überfordern und blockieren – was zu Ängsten und Verunsicherungen führt.

Eltern sollten daher ihre Gefühle zwar nicht verbergen oder leugnen, aber darauf achten, dass sie ihre Trauer gegenüber dem Kind begrenzen, indem sie etwa sagen: Ich bin sehr traurig. Aber darum musst du dir keine Sorgen machen. Um meine Gefühle kümmere ich mich selbst oder spreche mit meiner Freundin darüber.

Hilfe vor Ort, im Netz und in der Literatur

  • TrauBe Köln: Beim Verein „TrauBe“ haben trauernde Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die Chance, sich in Gruppen und unter Anleitung von Expertinnen und Experten mit betroffenen Gleichaltrigen auszutauschen und zu erfahren, dass sie nicht alleine sind.
  • Kölner Trauerchat: Beim von den beiden Kölnerinnen Romy Kohler und Anna Raisch ins Leben gerufene „Doch etwas bleibt“ -Trauerchat für Kinder und Jugendliche bieten jeden Montag zwischen 20 und 22 Uhr junge Chatbegleiterinnen und -begleiter, die selbst Trauererfahrungen gemacht haben, jugendlichen Betroffenen ein offenes Ohr und Gespräche an.
  • Weitere Hilfen und Informationen für trauernde Kinder und Jugendliche: www.klartext-trauer.de, www.allesistanders.de, Sorgentelefon: 0800 5892125
  • Lesetipp: Roland Kachler: „Wie ist das ... mit der Trauer?“, für Kinder von 6 bis 12 Jahren, Gabriel Verlag, 13 Euro

Kinder können ruhig aktiv an Verstorbene erinnert werden

„Für Kinder ist eine Erinnerungskultur hilfreich“, sagt Kachler. Wer von der oder dem Verstorbenen spricht, sollte die Person aber nicht idealisieren. Besser sei, von gemeinsamen Momenten zu erzählen und was den Menschen auszeichnete. Das Kind sollte aber immer Zeitpunkt und Tempo des Gespräches bestimmen, etwa indem es Fragen stellen kann. Ist das Kind traurig, kann man den Fokus auf schöne Erlebnisse lenken – und, wie Kachler vorschlägt, für jede Erinnerung einen Halbedelstein in ein Glas legen oder gemeinsam Fotos von der verstorbenen Person anschauen.

So kann man auf die Fragen des Kindes reagieren

Häufig stellen Kinder in Trauersituationen besonders viele Fragen. So schwer es einem in diesem Moment selbst fällt: „Eltern sollten die Fragen ernst nehmen, ehrlich und in einer einfachen, bildlichen Sprache beantworten. Am besten schafft man dafür eine ruhige Atmosphäre“, sagt Kachler.  Auf die Frage: Wo ist die Oma jetzt? könnte man beispielsweise antworten: Ich denke, die Oma ist jetzt auf einem Stern und passt da gut auf dich auf. Auch Bücher, die das Thema „Tod“ kindgerecht aufbereiten, können helfen, über die Trauer zu sprechen.

Was, wenn das Kind keine Trauer zeigt?

Wenn Angehörige stark mit ihrer Trauer beschäftigt sind, spüren Kinder das laut Kachler sehr genau – und leugnen dann häufig ihre eigenen Trauergefühle, um die Angehörige nicht zusätzlich zu belasten. Auch da hilft, dass Eltern die Gefühle klar ansprechen und dem Kind Möglichkeiten aufzeigen, die Trauer auszuleben. Kachler : „Wichtig ist, dass Kinder einen eigenen Raum für ihre Trauer bekommen.“ Steine könnten etwa die Schwere der Trauer symbolisieren. Kinder können sie bunt bemalen. Nach einiger Zeit sollten Eltern das Kind fragen, ob es die Steine für seine Trauer noch braucht, ohne es dabei unter Druck zu setzen. Wenn das Kind bereit ist, kann man die Steine gemeinsam in einen See oder Fluss werfen. „Und so die Trauer Stück für Stück gehen zu lassen, während die Liebe, also die innere Beziehung zum verstorbenen Menschen bleiben darf.“

Die Begegnung mit betroffenen Gleichaltrigen ermöglichen

Besonders schwierig ist es für Kinder und Jugendliche, wenn sie sich vom Freundeskreis in ihrer Trauer nicht verstanden fühlen, weil es da gerade um ganz gegenteilige Gefühle und Themen wie Verliebtsein und Party geht. Dann fühlen sich die Betroffenen häufig doppelt einsam und alleine gelassen. Initiativen vor Ort, wie zum Beispiel der Verein „TrauBe Köln“ oder Chats im Internet bieten die Chance, sich dort mit betroffenen Gleichaltrigen zu treffen und auszutauschen (mit dpa)

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