1100 MitarbeiterDas ist die Frau, die das Ford-Presswerk leitet

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Sara Gielen ist Leiterin des Presswerks bei Ford.

  • Sara Gielen ist die Chefin des Presswerks in Köln. 1100 Mitarbeiter arbeiten für sie.
  • Bei ihrem Studium in Portugal war sie an ihrer Fakultät war die einzige Frau.
  • Gielen arbeitet in einer männerdomierten Branche – und sagt trotzdem, sie sei „ein bisschen allergisch“ gegen Feminismus.

Köln – Wenn Sara Gielen ein Organigramm aufmalt, das die Struktur ihres Teams zeigt, ist sie selbst der einzelne Punkt unten. Von diesem Punkt gehen dann viele Pfeile nach oben zu ihren Mitarbeitern. Würde ein männlicher Chef das Organigramm genau andersherum zeichnen? Vermutlich. Sich selbst an die einsame Spitze. „Ich sehe mich als Dienstleisterin für meine Abteilung“, erklärt die 46-jährige Ingenieurin. „Statt zu sagen, was die Mitarbeiter machen sollen, hole ich mir ihre Vorschläge: Was können wir anders machen?“

Und ihre Mitarbeiter beraten sie gerne. Wenn Gielen mit einem offenen Lächeln und den blonden Locken durch die Produktionshalle läuft, rattern über ihr die silber-metallenen Karosserien wie Auto-Skelette über das Band, während die Chefin unten am Boden Hände schüttelt, herzlich grüßt, sich mit jedem kurz unterhält. Die Belgierin leitet bei Ford Köln das Presswerk und den Roh-Karosseriebau, 1100 Angestellte arbeiten für sie. Im Presswerk werden die Autoteile von modernen Großpressen geformt, im Rohbau werden diese Teile anschließend zur nackten Karosserie zusammengebaut.

Bekennende Nicht-Feministin

Zurück an ihrem Schreibtisch mitten im Großraumbüro betont die bekennende Nicht-Feministin („dagegen bin ich ein bisschen allergisch“), der weibliche Führungsstil sei nicht besser, sondern anders. „Frauen wollen alle einbinden, sich kümmern“, sagt Gielen. „Bei einem Meeting schauen sie offen in die Runde, sprechen jeden Teilnehmer an. Merken sofort, wenn jemand unzufrieden ist.“ Zusammen mit der Zielstrebigkeit und der Kreativität der Männer wäre die Kombination gemischter Teams am besten. Gielen fördert gerne Mitarbeiterinnen, „die nicht so extrovertiert sind wie ich und einen kleinen Schubs brauchen“, wehrt sich aber gegen die pauschalen Forderungen nach mehr Frauen in technischen Berufen. „Das Interesse muss einfach da sein, sonst funktioniert es nicht.“

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Bei ihr war es so. Sie hat schon als Kind ihre Spielsachen auseinandergebaut, um zu sehen, wie sie funktionieren. Geholfen, wenn ihr Vater – ebenfalls Ford-Ingenieur – sein Auto reparierte. Gielen war außerdem sportlich, im Jugendzentrum, in der Musikschule, Klassensprecherin – „heute würde man wohl sagen, ich hatte ADHS“ – eine häufige Diagnose bei Kindern, die nicht still sitzen können. Viel Energie hat die verheiratete Mutter zweier Töchter auch heute noch. Neben vielen sportlichen Aktivitäten und ihrem hohen Arbeitspensum engagiert sie sich in den drei fordweiten Frauennetzwerken, die zum Austausch innerhalb des Unternehmens dienen. Im gesamten Ford-Management liegt der Frauenanteil bei 14 Prozent, in der gesamten Belegschaft bei 12,5. Kein spezielles Ungleichgewicht bei Ford, sondern ein Problem der gesamten Branche, wie Unternehmenssprecher Marko Belser betont.

Kaum andere Frauen

Wie viele Frauen kennt Gielen, die in der Automobilbranche eine vergleichbare Position innehaben? „Bei Ford fallen mir spontan Kerstin Lauer, Werkleiterin in Saarlouis, und Josephine Payne ein, sie leitet unser Motorenwerk in Craiova. Aber von anderen Herstellern habe ich noch keine getroffen.“ Ihr ansteckendes Lachen folgt auf die Antwort. Sie erzählt von einer Konferenz, bei der sich Automobilhersteller über neue Technik austauschen. Sie habe bei ihrem Vortrag auf der Bühne gestanden, in den Saal geschaut und keine einzige Frau im Publikum entdeckt. „Da habe ich mich dann doch ein bisschen erschrocken.“ Ihre Präsentation wurde am Ende des Tages mit einem Preis ausgezeichnet. Ob ihre die Beste war oder ob man einfach gerne einmal eine Frau auszeichnen wollte? Wird sie wohl nie erfahren.

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Dass Gielen mit ihrem Berufswunsch in ein männlich dominiertes Umfeld kommt, sei ihr schon bei ihrem Studienbeginn in Belgien klar gewesen. Dort waren sie 30 Mädchen von 300 Studenten. An der technischen Universität in Portugal, wo sie ihr Ingenieurstudium nach dem Umzug ihrer Familie beendete, sei sie die einzige Frau der ganzen Fakultät gewesen.

Seit 2000 ist Gielen bei Ford, seit fünf Jahren am Kölner Standort. „Das Schöne an Ford sind die vielen Chancen, die ich hier bekommen habe.“ Gielen hat sie genutzt. Hat auf ihrer vorherigen Position die Endmontage geleitet und dort Veränderungen angestoßen. Kommunikation auf Augenhöhe ist der Managerin ein wichtiges Anliegen. Gielen hat die Produktionszahlen für alle an großen Bildschirmen transparent gemacht und einen „Wusstet ihr, dass…“-Flyer mit Wochen-Nachrichten zu Fakten und Veränderungen am Arbeitsplatz etabliert. „Das hat die Gespräche am Mittagstisch auf ein anderes Niveau gehoben.“ Gielen möchte eben, dass jeder mit ihr mitreden kann.

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