Kommentar zum BrexitDer Deal wird der Wirtschaft in NRW schaden

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Grenze Dover

Sicherheitskräfte überwachen einen Übergang in der britischen Grenzstadt Dover.

Verfolgte man am Nachmittag des Heiligen Abends die Medien, dann wurde von allen Seiten suggeriert, nun werde irgendwie doch alles gut. Briten und Rest-Europäer seien angesichts der nahenden Feiertage zur Vernunft gekommen und hätten sich endlich geeinigt auf einen „Deal“. Das Angst-Wort des No-Deal war vom Tisch, die Lkw-Schlangen auf der Insel hätten die Akteure zur Vernunft kommen lassen. So lauteten viele Kommentare.

Der Deal nur ein Befreiungsschlag?

„Die Vernunft hat gesiegt“, ließ Nordrhein-Westfalens liberaler Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart am Wochenende verkünden. Das „Worst-Case-Szenario“ sei abgewendet, legte Pinkwart nach, der als Professor für Ökonomie lehrte.

Ist dieser Deal denn nun ein Befreiungsschlag? Viele sagen Ja– nicht völlig zu Unrecht. Besser dieser Deal als gar kein Deal. Aus Sicht der NRW-Wirtschaft aber ist der Tag, an dem Großbritannien und Nordirland endgültig die EU verlassen werden, ein tiefschwarzer Tag.

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Dabei geht es nicht etwa nur darum, dass der Traum von einem geeinten Europa wie eine Blase zerplatzen könnte. Nein, es sind handfeste wirtschaftliche Nachteile, die den Unternehmen an Rhein und Ruhr bald Probleme bereiten werden. Schließlich gibt es allein in Nordrhein-Westfalen 1400 britische Unternehmen mit etwa 129 000 Arbeitnehmern. In NRW leben 25 000 Menschen aus Großbritannien – ein Fünftel der Briten in Deutschland.

EU muss Großbritannien künftig kontrollieren

Ja, es gibt Zollfreiheit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Aber die Briten haben auch die Freiheit, Zollverträge mit Staaten zu schließen, die nicht mit der EU verbandelt sind. Die Europäische Union muss daher künftig sicherstellen, dass über Großbritannien nicht Waren nach Europa gelangen, die seinen Sozial-, Gesundheits- und Ökologiestandards widersprechen.

Aus diesem Grund wird es ab 1. Januar strenge Grenzkontrollen zwischen der EU und Großbritannien geben. Diese hemmen den freien Strom von Waren und Personen. In einer Zeit von hochkomplexen und äußerst effizienten Lieferketten sind Zolldokumente und zeitraubende Kontrollen pures Gift für den Wohlstand.

Furcht der Wirtschaftsakteure vor dem Brexit 

Übrigens für die Briten wie auch für uns. Die schiere Furcht der Wirtschaftsakteure vor dem Brexit belegt dies eindrucksvoll bitter. Die Bedeutung des Vereinigten Königreichs als Handelspartner hat seit dem Referendum bereits deutlich abgenommen – von Rang vier der wichtigsten NRW-Handelspartner 2015 auf Rang acht im Jahr 2019.

Britannien droht zum Singapur Europas zu werden. London akzeptiert den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht als Schlichtungsinstanz – ein Zugeständnis der EU und vielleicht der größte Fehler, den sie nun verantworten muss. Fühlen sich EU-Unternehmen auf der Insel benachteiligt, müssen sie das bald vor einem britischen Gericht beweisen. Was Europa ab dem 31. Dezember erlebt, ist kein Brexit-Light. Sondern ein Albtraum. 

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