Die neue digitale Technologie verändert radikal auch die Spielregeln der Arbeitswelt. Wann das ein Grund zur Sorge ist - und wann nicht.
Die Job-KolumneWie mache ich die KI zu meinem Werkzeug – statt zu meinem Wettbewerber?

Mit dem Begriff der Künstlichen Intelligenz werden derzeit viele Hoffnungen, aber auch viele Sorgen verbunden.
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Neulich saßen mein Kollege Philip und ich mit Kunden gemeinsam beim Abendessen. Wir tauschten uns aus zu diversen Themen und stellten fest, dass ganze Teams auf Seiten unseres Kunden bei uns nur eine Person sind – unterstützt durch Künstliche Intelligenz. Wenn der Kunde von seinem Media-Production-Team spricht, dann ist das bei uns Selda. Wenn der Kunde von seinem Learning-Management-Team spricht, dann ist das bei uns Janet. Und in vielen Fällen schaffen unsere Ein-Personen-Teams die gleiche Menge an Arbeit wie eine ganze Abteilung – weil sie KI gezielt und souverän einsetzen.
Und es geht nicht nur uns so. Viele Wissensarbeiter erleben gerade, wie produktiv sie mit den richtigen KI-Werkzeugen sein können. Programmierer schreiben besseren Code in kürzerer Zeit. Marketingteams entwerfen Kampagnenkonzepte in Stunden statt Tagen. Personalabteilungen verfassen Stellenausschreibungen, entwerfen Trainings oder bewerten Bewerbungen – unterstützt durch digitale Assistenten.
Was früher undenkbar war, ist heute Realität: Kleine Teams verlieren ihre Grenzen – sie skalieren. Und sie behalten ihre Stärken. Weniger Abstimmung. Mehr Verantwortung. Schnellere Entscheidungen. Klarere Kommunikation.
Früher waren kleine Teams oft wie Schnellboote – wendig, schnell und effizient, aber nicht für große Distanzen gebaut. Ihnen fehlten die Strukturen, die Ausdauer und manchmal die Hebelwirkung, um große Projekte umzusetzen. Heute ist das anders. Künstliche Intelligenz gibt ihnen genau das: Reichweite, Tiefe, Stabilität. Was sie früher an Ressourcen brauchten, liefern ihnen heute kluge Werkzeuge.Und genau das verändert alles.
Natürlich: Künstliche Intelligenz ersetzt nicht den Menschen. Aber sie verändert die Spielregeln. Wer heute allein mit den richtigen Tools und Kompetenzen arbeitet, kann Aufgaben übernehmen, für die früher ganze Teams zuständig waren. Und das oft besser. Diese Entwicklung ist kein Grund zur Panik. Im Gegenteil: Sie ist eine Einladung. Eine Einladung an jede Organisation, sich zwei Fragen zu stellen:
Erstens: Wie können wir mit Künstlicher Intelligenz unser bestehendes Geschäft verbessern? Zweitens: Was können wir damit neu schaffen – was vorher nicht möglich war? Vielleicht ist es ein Markt, den Sie bisher nicht bedienen konnten. Oder ein Produkt, für das bislang die Kapazität fehlte. Vielleicht ist es auch einfach die Chance, schneller und kundenorientierter zu arbeiten – ohne zusätzliches Personal.
Diese Fragen sind nicht nur für Start-ups interessant. Auch Mittelständler und Konzerne stehen vor einem Wendepunkt. Wer heute noch klassisch plant, genehmigt und verteilt, verliert an Tempo. Wer kleinen Teams mit Künstlicher Intelligenz echte Verantwortung überträgt, gewinnt an Wirkung.
Ob Künstliche Intelligenz Werkzeug oder Wettbewerber wird, entscheiden nicht die Algorithmen – das entscheiden wir. Wer sie nutzt, um Menschen zu entlasten, Kompetenzen zu stärken und Neues zu schaffen, macht sie zum Hebel. Wer sich von Angst leiten lässt oder nur Kosten reduzieren will, überlässt anderen den Fortschritt. Deshalb braucht es jetzt beides: Führungskräfte, die in Möglichkeiten denken – nicht nur in Einsparungen. Und Mitarbeitende, die gestalten wollen – statt sich als Opfer des Wandels zu sehen. Denn Künstliche Intelligenz ersetzt keine Menschen. Aber sie verändert, was wir leisten können – wenn wir sie lassen. Mensch + KI = Magie. Werkzeug oder Wettbewerber? Die Antwort liegt bei uns. Von nichts kommt nichts.
Zur Person und Kolumne

Sohrab Salimi
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Sohrab Salimi ist Gründer und CEO der Agile Academy. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Trainer für kleine bis sehr große Unternehmen. Sohrab Salimi lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Köln. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt er in seiner Kolumne „Von nichts kommt nichts“ einmal im Monat über Fragen und Themen rund um die Arbeitswelt.