Eine neue Studie kommt zu einem für Köln dramatischen Ergebnis. Die Wirtschaft in der Region hofft mehr denn je auf einen Deal der EU mit Trump.
Milliarden in GefahrTrumps Zollkrieg trifft Köln härter als jede andere Region

US-Präsident Donald Trump zeigt Fotografen am Donnerstag vor dem Weißen Haus eine Siegesgeste.
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Ein Zollkrieg zwischen Europa und den USA würde Köln und sein Umland fast fünf Milliarden Euro pro Jahr kosten. Er träfe die Region damit so hart wie keine andere in Deutschland. Diese Erkenntnis stammt aus einer am Freitag veröffentlichten Studie, die der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Gabriel Felbermayr, im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen federführend erstellt hat.
Untersucht wurden verschiedene Szenarien für Deutschland und einzelne Regionen. So wurde im Szenario „Zollkrieg“ angenommen, dass Trump pauschale Zusatzzölle von 25 Prozent auf alle Güterimporte aus der EU einführt und die EU mit Zusatzzöllen in Höhe von 25 Prozent auf Güterimporte aus den USA antwortet. Zusätzlich wurde angenommen, dass auch Dienstleistungsimporte aus den USA besteuert werden. Ergebnis: Infolge eines solchen Zollkriegs würden die deutschen Exporte in die USA um fast 43 Prozent einbrechen, die gesamtdeutschen Exporte würden um 3,2 Prozent sinken und das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 0,2 Prozent.
Zölle treffen Pharma- und Chemiebranche hart
Die größten Produktionsrückgänge würde es laut Studie in den Sektoren mit der größten Exportabhängigkeit von den USA geben. Der pharmazeutische Sektor wäre mit einem langfristigen Produktionsrückgang von 8,7 Prozent am stärksten getroffen, es folgten die Sektoren Kraftfahrzeuge (minus 4,1 Prozent) und Maschinen (minus 3,8 Prozent). Überproportional betroffen wären Regionen, in denen diese Industrien stark vertreten sind – und dabei sticht der Regierungsbezirk Köln besonders hervor. So würden die Produktionsrückgänge hier für einen Verlust von 4,9 Milliarden Euro sorgen. Ebenfalls stark belastet wären demnach Hamburg (minus vier Milliarden Euro), Darmstadt (minus 3,9 Milliarden Euro), Berlin (minus 3,2 Milliarden Euro) und Oberbayern (minus 2,2 Milliarden Euro).
Gleichsam könnte Köln aber auch mehr als andere Regionen von einem Ende des Zollkriegs durch einen Handelsdeal der EU mit Trump profitieren, selbst wenn er nicht so umfangreich sein sollte, wie das vor Jahren gescheiterte Freihandelsabkommen TTIP. Die Studie geht in diesem Szenario für den Kölner Raum von einem Gewinn von 7,5 Milliarden Euro aus.
Die Studie und die für Köln erschreckende Nachricht sind erst wenige Stunden in der Welt, da meldet sich US-Präsident Donald Trump auf seinem Netzwerk Social Truth zu Wort und kündigt Einfuhrzölle auf EU-Waren in Höhe von 50 Prozent an. Damit übersteigt er sogar den in der Studie angenommenen Worst Case.
Noch vor Trumps Einlassung warnt Frank Oelschläger, Regionalvorsitzender des Verbands Die Familienunternehmer in Köln-Bonn, dass der Mittelstand erheblich vom Zollstreit herausgefordert sei: „Die wirtschaftlichen Folgen sind bereits spürbar, die Nachfrage sinkt, Investitionen werden gehemmt und Arbeitsplätze in Deutschland sind gefährdet.“ Zu diesem Zeitpunkt hofft er noch auf eine schnelle Einigung, doch dann eskaliert der Streit.
Diese Ankündigung ist ein massiver wirtschaftspolitischer Affront
„Diese Ankündigung ist ein massiver wirtschaftspolitischer Affront“, sagt Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) am Freitagnachmittag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wenn Donald Trump Ernst macht, trifft das Nordrhein-Westfalen – unser Export lebt stark vom transatlantischen Handel.“ Trump agiere oft sprunghaft, ohne verlässliche Linie, sagt Neubaur, „das ist Gift für globale Wirtschaftsbeziehungen.“ Zudem seien seine impulsiven Drohgebärden per Social Media brandgefährlich. „Sie zeigen, wie dringend Europa seine wirtschaftliche Souveränität stärken muss. Wir lassen uns nicht erpressen – NRW steht für offenen und regelbasierten Handel, für Verlässlichkeit und Partnerschaft auf Augenhöhe.“
„50 Prozent Importzölle ist mehr, als bisher selbst in den schlimmsten Szenarien vorstellbar war“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Felbermayr dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ kurz nach Trumps Ankündigung. „Die Konsequenzen wären verheerend.“ Ein Zollschlag dieser Höhe würde Felbermayr zufolge den transatlantischen Handel langfristig wahrscheinlich um 70 bis 80 Prozent schrumpfen lassen. „Alle Branchen wären massiv betroffen, besonders aber jene, die Produkte mit geringen Margen herstellen und wo die Preissensitivität der Konsumenten hoch ist.“ Felbermayr nennt als Beispiel die Zulieferindustrien, die Lebensmittelindustrie, die Landwirtschaft und die im Rheinland so starke Chemie. „Die USA würden sich aber auch massiv selbst schaden“, sagt der Ökonom. „Dementsprechend waren auch die Reaktionen der Aktienmärkte.“ Der deutsche Leitindex Dax stürzte nach Trumps Drohung ab.
„Holla die Waldfee!“
„Holla die Waldfee!“, entfährt es auch David Deißner. Deißner ist Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen und hat die Zollstudie in Auftrag gegeben. „Das ist alles andere als eine Erleichterung“, sagt Deißner. „Es ist ein beunruhigendes Zeichen.“ Doch könne und dürfe das nicht das letzte Wort in den Verhandlungen sein, über die Deißner sagt: „Ich finde es in höchstem Maße besorgniserregend, dass die bisherigen Konsultationen zwischen der EU und den USA offenkundig nicht zu einer konstruktiven Lösung geführt haben.“ Noch kurz vor Trumps Zollhammer hatte Deißner optimistisch verkündet, er hoffe, dass es sehr bald zu einem Deal komme. Jetzt richtet er seine Hoffnung auf die Tatsache, dass die US-Zölle auf chinesische Waren erst in astronomische Höhen gestiegen waren, bevor sie am 12. Mai ausgesetzt wurden.
Studienautor Felbermayr reagiert pessimistischer: „Selbst wenn die 50 Prozent am Ende nicht kommen, was fast schon selbstmörderisch wäre, bliebe doch die Unsicherheit, die durch solche Ankündigungen noch höher getrieben wird“, sagt der Ökonom. Für die deutsche Konjunktur sei das alles kein gutes Omen. Nur ein Deal, der auch langfristig respektiert wird, hätte Felbermayr zufolge einen enormen Wert. „Die EU braucht dringend ein überzeugendes Angebot“, sagt er. Grundsätzlich gelte jetzt: „Jeder Deal ist besser als kein Deal.“
„Wir haben es bei Donald Trump mit einem transaktionellen Präsidenten zu tun“, sagt David Deißner: „Er ist ein Dealmaker.“ Den Verhandlern auf europäischer Seite rät er, Trump nicht mit leeren Händen entgegenzutreten. „Eine Bittsteller-Haltung ist immer der falsche Umgang mit diesem Präsidenten.“ Gleichsam appelliert Deißner an den wirtschaftlichen Verstand Donald Trumps: „Deutsche Unternehmen, vornehmlich Familienunternehmen und Hidden Champions, sind für Produktion und Wertschöpfung der USA von unschätzbarem Wert und nicht von heute auf morgen zu ersetzen“, sagt er. Sehr viele der Unternehmen seien seit vielen Jahren in den USA investiert, teilweise mit eigenen Standorten, bildeten dort aus, sorgten für Wachstum und Beschäftigung. „Ein protektionistisches Amerika ohne Partner und Zulieferer aus Deutschland wäre zum Schaden der amerikanischen Wirtschaft“, schließt Deißner.
Kurzfristig, sagt Ökonom Felbermayr, könnten die Unternehmen an der Situation nichts ändern. „Mittel- und langfristig werden sie darauf reagieren und ihre Liefer- und Absatzbeziehungen diversifizieren, um weniger von US-Schocks abhängig zu sein.“ Und die Großen unter ihnen würden versuchen, stärker in den USA zu produzieren. „Eine Verlagerung raus aus dem Kölner Raum wäre die Folge“, sagt Felbermayer. „Das ist für die Wertschöpfung in der Region keine gute Nachricht.“