„Es wird nie wieder sein wie vorher“Experte gibt Tipps zur Homeoffice-Organisation

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Arbeit in Hausschuhen - im Homeoffice kein Problem

  • Viele Deutsche arbeiten dieser Tage erstmals im Homeoffice.
  • Wie organisiert man sich im Team, wenn niemand mehr im Büro sitzt? Wie findet man selbst die nötige Struktur? Welche Tools sind hilfreich? Ein Experte gibt Tipps.

Köln – Bis vor einigen Tagen waren die Deutschen noch keine Homeoffice-Nation. Laut Statistischem Bundesamt arbeiten in Deutschland normalerweise nur 12 Prozent der Erwerbstätigen von zu Hause.

Während in einem weitläufigen Land wie den USA bereits seit vielen Jahren digitale Lern- und Arbeitsmodelle üblich sind, galt es in Deutschland lange Zeit als unhöflich, auf persönliche Treffen zu verzichten. Albrecht Kresse, Gründer und Geschäftsführer der Edutrainment Company, gibt Tipps, wie die Arbeit in der aktuellen Krisen-Situation – gerade auch im Team – von zu Hause am besten gelingt.

Die richtigen Rahmenbedingungen

Zunächst einmal ist das Unternehmen am Zug, die richtigen Bedingungen für mobile Arbeit zu schaffen, so Kresse. Welche Programme sollen genutzt werden? Und wie benutzt man sie richtig? Wer legt die Spielregeln fest?

Oft fänden notwendige Schulungen nicht statt – und wenn, dann beschäftige man sich dort bislang zu viel mit der technischen Funktionalität und zu wenig mit der richtigen Anwendung von Programmen wie Microsoft Teams, Zoom und co. „Das ist so als würde man sagen: Ich weiß, wie das Auto anspringt – deshalb kann ich es fahren.“

Die eigene Arbeitsorganisation

„Die Bilder, die uns alle im Kopf rumschwirren, die wir teilweise aus der Werbung kennen, wo eine junge Frau auf ihrem Sofa sitzt, am besten noch im Schneidersitz, telefoniert und nebenbei ihre Webseite designt, das mag für eine junge Gründerin funktionieren", sagt Kresse. „Wer dauerhaft zu Hause arbeitet, wird sich etwas anders organisieren."

Neben einem gut eingerichteten Arbeitsplatz – am besten in einem abgetrennten Raum mit der notwendigen Infrastruktur, zum Beispiel einem beruflichen Smartphone und Zugang zum Firmennetz – können auch Apps hilfreich sein, um Struktur zu schaffen. Denn die Arbeit im Homeoffice erfordert naturgemäß ein hohes Maß an Selbstorganisation.

Zur Person

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Albrecht Kresse

Albrecht Kresse ist Gründer und Geschäftsführer der Coaching-Plattform "Edutrainment Company". Neben der Führung des Unternehmens ist er selbst als Speaker, Trainer, Experte und visueller Zusammenfasser im Einsatz.

Mit Zeiterfassungssoftware wie „Toggl“ kann beispielsweise jedem Projekt eine Zeit zugeordnet werden. Am Ende des Tages lässt sich so genau ablesen, wie lange man an welcher Aufgabe gesessen hat. Außerdem bieten sich To-Do-Listen am Morgen und fest eingeplante Pause ein. Und: „Alle Termine, die man mit Kollegen vereinbart, sollten im Kalender terminiert werden – auch Telefongespräche.“

Teamarbeit – die Praxis

Das Team sitzt zu Hause, Zurufe über den Schreibtisch gibt es nicht mehr. Um weiterhin den Überblick zu behalten, empfiehlt Kresse vor allem auch eins: Redundanzen abzubauen. Die Kommunikation sollte nicht zwischen verschiedenen Chat- und E-Mail-Programmen hin- und herspringen.

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Routinemäßige Kurzmeetings können helfen, den Überblick zu bewahren, wobei diese gut vorbereitet sein müssen. „Schlechte Organisation fällt virtuell stärker auf“, sagt Kresse. Zum Beispiel, wenn ein Moderator fehle, es keine klare Agenda gebe oder Leute nebenbei noch in anderen Chats unterwegs seien. Hilfreich sei auch, wenn sich digital affine Kollegen als Mentoren anböten.

Teamarbeit – die soziale Komponente

„In der virtuellen Zusammenarbeit ist Vertrauen noch wichtiger als in der realen Welt“, sagt Kresse. Es müsse erst offline eine emotionale Basis geschaffen sein, bevor sich Homeoffice anbiete. Teams, die über lange Zeiträume mobil arbeiten, sollten sich gelegentlich auch einmal persönlich sehen – oder sich zumindest Plauderrunden und Chatgruppen für nicht-arbeitsrelevante Inhalte erlauben. Konflikte sollten dagegen vor allem von Angesicht zu Angesicht gelöst werden. „Schriftlich gilt: Das Missverständnis ist die Regel.“

Und der rechtliche Aspekt?

„Weder hat der Arbeitgeber das Recht, Homeoffice zu verordnen, noch kann der Arbeitnehmer es verlangen“, sagt Kresse. Beide Parteien müssten zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Das Unternehmen muss dem Mitarbeiter auch keinen Arbeitsplatz einrichten, diese Verpflichtung gilt nur für ausgeschriebene Telearbeitsplätze.

Für die Versicherung ist entscheidend, in welchem Kontext ein etwaiger Unfall in den eigenen vier Wänden geschieht. Stolpert der Arbeitnehmer bei der Annahme eines Pakets an der Haustür über die Hundeleine, gilt das als privater Unfall. Stolpert er hingegen während eines geschäftlichen Telefonats über sein Laptopkabel, handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

Lehren für die Zukunft

Muss ich wirklich diese Dienstreise antreten? Sind Videokonferenzen nicht eigentlich recht praktisch? Die Homeoffice-Erfahrungen dieser Wochen könnten die Arbeit der Zukunft nachhaltig beeinflussen. „Es wird nie wieder so sein wie vorher“, sagt Kresse. Es mache wenig Sinn, zum Status quo ante zurückzukehren, plötzlich alles wieder in Präsenzformaten abzubilden, was doch eigentlich sehr gut auch zum Beispiel per Online Meeting klappen könne.

Man dürfe jedoch nicht den Fehler machen zu glauben, dass sich alle Treffen in die virtuelle Welt übertragen ließen. Wenn sich zwanzig Experten aus aller Welt in einen Austausch treten wollen, dann funktioniere das schwerlich in einer Videokonferenz. Das Format muss zur Veranstaltung passen.

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