Gegen den BundestrendKölner Start-ups sammeln 2022 mehr Geld ein

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ARCHIV - 18.05.2022, Hamburg: Zahlreiche Teilnehmer besuchen die Stände in der Start-Up-Halle der Digitalmesse OMR. Die Investments in deutsche Start-ups sind nach einem Rekordjahr eingebrochen. (zu dpa «Finanzierungen für deutsche Start-ups brechen ein») Foto: Jonas Walzberg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Start-Up-Halle der Digitalmesse OMR war im Mai 2022 gut besucht.

Köln sticht mit seiner Entwicklung im deutschlandweiten Vergleich positiv hervor. Das hängt mit dem Kölner Ökosystem zusammen.

Kölner Start-ups haben 2022 mehr Investorengeld einsammeln können als im Vorjahr. Einer Analyse der Beratungsgesellschaft EY zufolge stieg das Investitionsvolumen von 126 Millionen Euro auf 153 Millionen Euro. Auch die Zahl der Investitionen erhöhte sich demnach von 36 auf 42. Die  Köln-Business Wirtschaftsförderung setzt diese Werte mit 48 Finanzierungsrunden und 164 Millionen Euro sogar noch etwas höher an.

Mit dieser Entwicklung hebt sich Köln spürbar vom NRW- und Bundesschnitt ab. Denn vor dem Hintergrund der eingetrübten Konjunktur haben sich Investments dort zuletzt abgeschwächt. Im vergangenen Jahr warben Wachstumsfirmen in NRW rund 467 Millionen Euro Risikokapital von Geldgebern ein und damit rund 17 Prozent weniger als ein Jahr zuvor (599 Millionen Euro). Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg jedoch. Auch in anderen Bundesländern gab es herbe Einbußen, in den Gründungshochburgen Berlin und Bayern brachen die Finanzierungssummen sogar um etwa die Hälfte ein.

Goße Deals vor allem in München und Berlin

Start-ups sind auf Investoren angewiesen, da sie anfangs keine Gewinne erwirtschaften. Große Fonds und Konzerne stecken Geld in junge Firmen und hoffen dabei, dass sich deren Ideen durchsetzen. Angesichts steigender Zinsen sowie der Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg und die künftige Konjunktur saß das Geld bei Investoren oftmals nicht mehr so locker.

Dass die Situation in Köln besser aussieht als anderswo, hat mit der Struktur des hiesigen Start-up-Ökosystems zu tun. Denn es waren vor allem große Deals mit einem Volumen über 50 Millionen Euro, die 2022 ausblieben. „Diese Deals finden traditionell in München und Berlin statt“, sagt EY-Partner Thomas Prüver. „In Köln gab es sie nie – deshalb ist die Stadt von dieser Entwicklung relativ unangetastet geblieben. Im kleinen und mittleren Segment gibt es immer noch eine rege Investitionstätigkeit.“ Zum Vergleich: In Berlin lag das Investitionsvolumen 2022 bei insgesamt 4,9 Milliarden Euro, in München bei zwei Milliarden. Köln folgt hinter Hamburg (547 Millionen) mit deutlichem Abstand auf Rang vier. 

Köln gilt als guter Standort für junge Start-ups

Köln gilt als guter Standort gerade für junge Start-ups. „Es ist in Köln in den letzten Jahren ein tolles Ökosystem aus verschiedensten Akteuren – beispielsweise Hochschulen, Köln-Business Startplatz, Pirate Summit – entstanden und diese Akteure arbeiten immens gut zusammen“, sagt Timo Marks, Sprecher des Startup-Verbands NRW. Außerdem gebe es immer mehr Risikokapitalgeber in der Region und motivierende Gründungsgeschichten wie die von DeepL – Kölns erstem Start-up mit Milliardenbewertung. „Köln profitiert in den Zahlen von der Zugkraft großer Start-ups wie DeepL und SoSafe.“

„Die anhaltend hohen Investitionen in Kölner Start-ups im Jahr 2022 belegen, dass Köln auch in Krisenzeiten ein attraktiver Gründungsstandort ist“, sagt auch Köln-Business-Geschäftsführer Manfred Janssen. „Vor allem Startups, die noch ganz am Anfang stehen, finden hier Investorinnen und Investoren, die innovativen Ideen zum Erfolg verhelfen wollen. Das stärkt den Wirtschaftsstandort insgesamt und schafft die Arbeitsplätze von morgen.“

Härtere Zeiten für die Gründerszene

Grundsätzlich müsse sich Deutschlands Gründerszene auf härtere Zeiten einstellen, so Prüver von EY. „Angesichts steigender Kapitalkosten und sinkender Bewertungen achten Investoren mehr auf Rentabilität als auf langfristige Wachstumsversprechen.“ Start-ups müssten einen klaren Weg zu Profitabilität aufzeigen. „Ich glaube aber, dass das System und gerade auch Standorte wie Köln stabil und resilient sind.“

„Der starke Rückgang bei Startup-Finanzierungen kommt angesichts des geänderten Zinsumfelds und der global angespannten konjunkturellen Lage nicht überraschend – Umfragen zufolge beeinträchtigt dies jedoch nicht den Dealflow, Finanzierungsrunden finden weiter statt“, sagt auch Marks. „Start-ups mit guten Ideen und Geschäftsmodellen werden auch weiter eine Finanzierung erhalten, allerdings legen Investoren mehr Wert auf nachhaltige Wege zur Profitabilität.“ Umdenken müssten Unternehmen mit einer hohen „Burnrate“, die auf expansives Wachstum mit hohen Ausgaben setzen.

Das könnte zum Beispiel (Schnell-)lieferdienste treffen, die häufig lange tief in den roten Zahlen stecken.

Entwicklungsschübe bei KI erwartet

Marks erwartet vor allem im Bereich künstliche Intelligenz (KI) Entwicklungsschübe. In Europa bestehe allerdings ein „beträchtlicher Rückstand“ im technologischen Wettlauf mit den USA und China. „Umso wichtiger sind jetzt die richtigen politischen Antworten auf Bundesebene, wie die angekündigten besseren Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung und einfachere Zuwanderung für internationale Tech-Talente.“

Start-ups erlebten in der Pandemie einen Boom, im Rekordjahr 2021 konnten sie laut EY bundesweit die Summe von 17,4 Milliarden Euro einwarben. Sie profitierten davon, dass Geld billig war und die Digitalisierung in Corona-Zeiten einen Schub bekam - etwa bei Finanzgeschäften, Online-Shopping oder Essenslieferungen. Nun hat sich der Markt gedreht: Einige Start-ups strichen Jobs, andere wie der Berliner Lieferdienst Gorillas wurden übernommen. (mit dpa)

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