Immer häufiger stehlen Kriminelle Kabel von Ladesäulen und sabotieren die Anlagen, auch in Köln. Dahinter stecken nicht nur lukrative Gründe.
Hunderttausende Euro Schaden in KölnKabel an E-Ladesäulen sind bei Dieben beliebt

Nach Vandalismus hängen meist nur noch Kabelreste an den Schnellladesäulen. Vor allem die kupferhaltigen CCS-Kabel sind bei Metalldieben beliebt.
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An einer E-Ladestation im Kölner Gottesweg hängt der schwarz ummantelte Kabelstumpf zwar noch kläglich an der Ladesäule. Ein Aufladen von E-Autos ist an der Station gerade aber nicht möglich. „Es ist ein Übel, das extrem zugenommen hat“, sagt ein Sprecher der Tank-E GmbH, das für die Ladeinfrastruktur von Elektrofahrzeugen zuständige Tochterunternehmen der Rhein-Energie. Das Phänomen ist nicht nur am Standort in Zollstock zu beobachten. Mit dem Ausbau der Infrastruktur wachsen auch die Zahlen der Kabeldiebstähle und der mutwilligen Beschädigung der Säulen.
Wie viele Vorfälle gibt es?
Allein in Köln beziffert die Tank-E die Zahl der Vorfälle für das laufende Jahr auf knapp über 60. Eigenen Angaben zufolge betreibt die Rhein-Energie-Tochter mehr als 1100 Ladepunkte in der Stadt, davon mehr als 600 im öffentlichen Straßenraum. „Was in der Vergangenheit ein Randphänomen war, entwickelt sich zunehmend zu einem ernsthaften Problem“, teilt Tank-E mit. Seien die Beschädigungen im vergangenen Jahr mit fünf Fällen eine Seltenheit gewesen, verzeichnet die Rhein-Energie-Tochter nun einen deutlichen Anstieg.
Und das dürfte nur einen Bruchteil der tatsächlichen Fälle abbilden, denn nicht nur Tank-E betreibt in Köln Ladesäulen. Die Bundesnetzagentur listet beispielsweise die Eon-Tochter Eon Drive auf, den Parkhausbetreiber Q-Park und Lanxess Deutschland. Auch Supermärkte wie Lidl und Kaufland bieten Ladepunkte auf ihren Parkplätzen, ebenso der Autobauer Tesla.
In anderen Städten ist das Problem ebenfalls bekannt. Als führender Anbieter von Schnellladepunkten in Deutschland spricht der Karlsruher Energiekonzern EnBW von bisher weit über 900 Kabeldiebstählen in diesem Jahr. Bei EWE Go aus Oldenburg liegt die Zahl im mittleren bis hohen zweistelligen Bereich. Ionity mit Sitz in München verzeichnet in Deutschland rund 30 gestohlene Kabel, europaweit etwas mehr als 100.
Was in der Vergangenheit ein Randphänomen war, entwickelt sich zunehmend zu einem ernsthaften Problem
Was sind die Motive der Täter?
„Das können wir nur vermuten“, so Tank-E. „Der Hauptgrund dürfte aber Kabeldiebstahl sein, um das Kupfer darin anschließend auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.“ 40 bis 60 Euro können die Diebe demnach pro Kabel erwirtschaften. Wirklich lukrativ scheint das nicht. „Fest steht: Der Diebstahl von Ladekabeln bringt den Tätern nur einen geringen Materialwert“, so Tank-E.
Andere Ladesäulen-Betreiber vermuten deshalb auch weitere Beweggründe, reiner Vandalismus oder gezielte Sabotage etwa, schreibt EnBW auf ihrer Internetseite. „Manche Taten scheinen ideologisch motiviert zu sein – etwa, weil man die Elektromobilität ablehnt.“ Tank-E hingegen schreibt: „Aktuell spüren wir in Köln keinen Gegenwind gegen die Elektromobilität. In Köln wird das Thema bislang gut aufgenommen und die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich weitere Ladestationen für ihre Veedel.“
Wie hoch ist der Schaden?
Der Schaden liege laut dem Kölner Betreiber bei 8000 Euro je Schnellladestation. Ins Gewicht fallen insbesondere Materialkosten und eine technische Prüfung der Ladesäulen, die vor der Inbetriebnahme vorgeschrieben sei. Dem Unternehmen entstehe noch dazu ein hoher zeitlicher Aufwand, schließlich müssen die Säulen zusätzlich zur Reparatur noch geeicht werden. „Es belastet uns aber auch dahingehend, dass Mitarbeiter sich zunehmend um Instandsetzung von Vandalismusschäden kümmern müssen, anstatt um den Bau neuer Stationen“, sagt Michael Krystof, Geschäftsführer der Tank-E GmbH. Summiert ergebe das einen sechsstelligen Betrag, wie sein Unternehmen auf der Website mitteilt. „Schlussendlich gibt es durch diesen Vandalismus nur Verlierer und unzufriedene Bürgerinnen und Bürger“, sagt Krystof.
Hinzu kommt der immaterielle Schaden: Das Vertrauen in eine zuverlässige Ladeinfrastruktur leide unter Vandalismus. „Kabelklau darf nicht zur Achillesferse der Verkehrswende werden“, so die Rhein-Energie-Tochter. „Wir können nur an die Bevölkerung appellieren, Diebstähle sofort zu melden.“
Welche Folgen haben die Vorfälle für Leute, die laden wollen?
Tank-E spricht für Köln von „massiven Einschränkungen“, die auf die Nutzerinnen und Nutzer zukommen. „Die betroffenen Ladepunkte stehen für mehrere Tage oder sogar Wochen nicht zur Verfügung“, schreibt das Unternehmen. Laut „Express“ sei eine zerstörte Ladesäule im Gottesweg für knapp zwei Monate gesperrt. Wenn die Schäden nicht registriert sind, kann das für doppelten Frust sorgen: Da wird ein Ladepunkt vielleicht auch mal umsonst angesteuert oder es fallen Umwege an.
Sind bestimmte Regionen besonders betroffen?
Als überregionaler Anbieter nennt EnBW Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als Schwerpunkte von Vandalismus. Vereinzelte Fälle habe es im vergangenen Jahr auch in Thüringen und Rheinland-Pfalz gegeben. Ebenso gibt es den Angaben nach immer wieder Wiederholungstaten – also erneute Diebstähle an gerade erst reparierten Ladesäulen.
Weniger betroffen sind Standorte, die stark frequentiert sind. An Autobahnen etwa werde rund um die Uhr geladen, erläuterte eine Sprecherin des Energieunternehmens Ionity, das europaweit Ladesäulen betreibt. Für Kriminelle sei es dort deutlich schwieriger, unbeobachtet vorzugehen. Dazu passt auch, dass an Ladesäulen von Aral Pulse einem Sprecher zufolge nur selten Kabel gestohlen wurden. „Unsere Ladesäulen befinden sich in der Regel an Aral Tankstellen, von denen ein großer Teil 24/7 geöffnet ist.“
Was machen die Anbieter, um Vandalismus zu verhindern?
„Wir bemühen uns aktiv um Vandalismus-Prävention und prüfen, welche Maßnahmen wirkungsvoll und umsetzbar sind. Mit den Herstellern stehen wir in regelmäßigem Austausch, um technische Schutzmaßnahmen und robustere Bauweisen zu entwickeln“, so der Kölner Ladesäulen-Betreiber. Allerdings brauche die Modifizierung von Ladekabeln Zeit, bis sie marktreif sei. Und es gebe weitere Grenzen: „Insbesondere im öffentlichen Straßenraum stoßen Maßnahmen wie Videoüberwachung auf datenschutzrechtliche Fragestellungen.“
Tut es die Videoüberwachung nicht, könne auch verstärkte Beleuchtung abschreckend wirken, das teilt EnBW mit. Doch auch diese lasse sich nicht ohne weiteres an allen Standorten installieren. Diebstähle sollen deshalb auch technisch erschwert und unattraktiv gemacht werden. In Planung seien etwa Systeme, die Manipulationen in Echtzeit erkennen und sofort Alarm schlagen.

Die Ladesäule von Tank-E im Kölner Gottesweg war im September unbenutzbar – Kriminelle kappten hier das Kabel.
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„Zusätzlich suchen wir den Kontakt mit den Ermittlungsbehörden, um gemeinsam nach präventiven Maßnahmen zu suchen“, erklärte Volker Rimpler, der bei EnBW als Technologiechef für die E-Mobilität zuständig ist. Ferner sei die Politik gefragt: „Wenn Ladekabel rechtlich als Teil der öffentlichen Energieinfrastruktur eingestuft werden, könnten strengere Strafrahmen greifen“, heißt es auf der Internetseite.
Bereits selbst aktiv gegen den Vandalismus kämpfen andere Unternehmen mit weiteren Maßnahmen: Ionity stattet Kabel zunehmend mit Farbpatronen aus, die beim Aufschneiden platzen und unübersehbare Spuren hinterlassen. Die Kabel seien so eindeutig als gestohlen erkennbar, die Diebe sind ebenfalls gekennzeichnet. „Erste Erfahrungen zeigen, dass Diebstahlversuche an so gesicherten Standorten bereits abgebrochen wurden“, teilte eine Sprecherin mit. Zudem teste das Unternehmen verschiedene Tracking-Maßnahmen, um die Kabel verfolgen zu können und den Weiterverkauf zu erschweren.
Hingegen sieht EWE Go beim Einsatz von Tinte die Gefahr, die eigene Infrastruktur zu verunreinigen. Das verursache wiederum Kosten für Reinigung und Instandhaltung – und führe somit dazu, dass die Ladestation nicht so schnell wieder einsatzbereit sei. (mit dpa)