Instagram und Tik TokSo werben Unternehmen in sozialen Medien um Azubis

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Immer mehr Jugendliche informieren sich zur Berufsorientierung in den sozialen Medien (Symbolbild).

Köln – Ein Tik-Tok-Tanz der Chefin oder eine Instagram-Story vom Personalreferenten – sieht so in Zukunft die Bewerberakquise bei Jugendlichen aus? Eine aktuelle Studie des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft hat ergeben, dass bereits jeder vierte Jugendliche soziale Medien zur Berufsorientierung nutzt. Vor allem audiovisuelle Plattformen, wie Instagram oder Youtube, seien bei Schülerinnen und Schülern zu diesem Zweck beliebt, heißt es. Während der Corona-Pandemie ist die Informationssuche über digitale Plattformen noch wichtiger geworden – doch auch nach der Krise sollten Unternehmen verstärkt auf die Ansprache über Social Media setzen, um Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen, so die Macher der Studie.

So bewerteten die befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der KOFA-Studie Youtube mit 83,4 Prozent und Instagram mit 60,2 Prozent als besonders hilfreiche Informationsquellen für Ausbildung und Arbeitsleben. „Unternehmen sollten diese Plattformen aktiv in ihr Berufsorientierungsangebot einbinden und dort ihren Betrieb, das Team und den Ausbildungsalltag zeigen“, sagte Valeska Martin, Studienautorin und Referentin am KOFA.

Bewerbungsgespräche vom Sofa aus

An dieser Handlungsmaxime versucht sich der Kölner Chemiekonzern Lanxess zu orientieren. „Die sozialen Netzwerke haben in den vergangenen Jahren definitiv an Bedeutung gewonnen, um potenzielle Bewerber auf uns aufmerksam zu machen“, sagt Pressesprecher Mark Mätschke. Das läge nicht zuletzt auch an der Corona-Pandemie, durch die viel in den digitalen Bereich verlagert worden sei. 170 Ausbildungsplätze bietet der Konzern in diesem Jahr an. Um die Stellen zu besetzen, arbeite man zielgruppenorientiert. Am vergangenen Wochenende konnten sich Schülerinnen und Schüler vom Sofa aus um eine Ausbildungsstelle bewerben – inklusive webbasiertem Einstellungstest und Vorstellungsgespräch.

Überzeugende Bewerber hatten noch am selben Tag ihren Ausbildungsplatz als Chemikant in der Tasche. „Das ist sehr gut angekommen“, berichtet Mätschke. „Wir wollten interessierten Bewerbern den Weg zu uns möglichst einfach machen.“ Seit zwei Jahren sei das Unternehmen mit dem Karrierekanal auf Instagram („lanxesskarriere“; etwa 1800 Follower). Und auch vor Tik Tok oder ähnlichen Plattformen würde man nicht zurückschrecken. „Wer stillsteht, hat langfristig gesehen einen Nachteil“, so Mätschke.

Handwerkskammer wirbt auf Tik Tok

Die Handwerkskammer zu Köln hat daher im August vergangenen Jahres als erste Handwerkskammer in Deutschland einen eigenen Tik-Tok-Kanal aufgebaut. Dort wolle man „aufs Handwerk aufmerksam machen und im besten Fall Jugendliche für eine handwerkliche Ausbildung gewinnen“, heißt es auf Anfrage. Die Videos mit der meisten Reichweite haben rund 221.000, 67.000 und 25.000 Klicks erreicht, so die Handwerkskammer. Aktuell etabliere ein FSJler als „TikTokTil“ das „Handwerk ABC“ und schaue in 26 Kurzvideos hinter die Kulissen der Mitgliedsbetriebe. Dadurch wolle man auch auf das Beratungsangebot der Karrierewerkstatt aufmerksam machen.

Die Beratung hat auch die Agentur für Arbeit Köln schon vor einiger Zeit auch auf digitale Kanäle verlagert. „Das Thema ist für uns kein Neues“, sagt Bianca Winter von der Arbeitsagentur. Wir machen ganz, ganz viel digital: zum Beispiel unsere Facebook-Seite ‚Das bringt mich weiter‘ (120.000 Likes, Anm d. Red.) oder unseren Youtube-Kanal, auf dem regelmäßig Berufe vorgestellt werden. Im Live-Chat können Interessierte Fragen stellen.“ Auch digitale Messen hätten weiter an Bedeutung gewonnen, in dieser Woche sei man bei der „Karriere digital“ vertreten.

Digitale Messen noch kein Ersatz

Angebote wie virtuelle Ausbildungsmessen oder eine Online-Berufsberatung werden bereits von 28 Prozent der befragten Schülerinnen und Schülern genutzt, so das KOFA. „Dieser vergleichsweise niedrige Anteil zeigt aber auch, dass bislang digitale Wege zur Berufsorientierung noch nicht flächendeckend und ausreichend etabliert sind.“ Der Wunsch nach persönlicher Beratung und praxisnahen Einblicken in Unternehmen bestünde weiterhin.

Besonders die durchschnittlichen Schülerinnen und Schüler würde man über digitale Kanäle schlechter erreichen, sagt Torsten Brandt, beim Leverkusener Konzern Bayer zuständig für das Ausbildungsmarketing. „Die brauchen manchmal einen Lehrer, der sie motiviert und sagt: Geh doch mal zu dieser Berufsmesse. Dabei kann man die Jugendlichen dann persönlich überzeugen.“

Social Media kann persönlichen Kontakt nicht auffangen

Mithilfe digitaler Messen hat auch die Rhein-Energie (Instagram: „rheinenergie_ag“; etwa 2800 Follower) während der Pandemie versucht, Auszubildende für sich zu gewinnen – mit mäßigem Erfolg, wie Pressesprecher Adrian Bolz berichtet. Den Austausch durch ein persönliches Gespräch können Chaträume oder Videoangebote nicht richtig ersetzten. Trotzdem versucht sich das Energieunternehmen auch an ungewöhnlichen Maßnahmen, um Auszubildende für sich zu gewinnen; veranstaltete beispielsweise ein Speed Dating.

„Social Media ist ein Element“, so Bolz. Aber Messen oder den Tag der offenen Tür am Ausbildungszentrum können die Plattformen nicht ersetzen. Am Tag der offenen Tür beispielsweise bewerben sich ein Drittel der Kandidaten. „Das kann digital nicht aufgefangen werden“, so Bolz.

Bei Bayer versucht man indes, Social Media bestmöglich zu nutzen, um Jugendliche zu erreichen. Neue Formate wie „Game and Talk“, ein Stream, in dem sich ein Chemikant und ein Profi-E-Sportler von Bayer 04 Leverkusen gegenseitig befragt und dabei Videospiele gespielt haben, sollen bei den Jugendlichen einen positiven Eindruck des Unternehmens hinterlassen. „Wir achten aber darauf, dass es die Schüler nicht total erschlägt“, sagt Brandt.

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„Nicht krampfhaft versuchen, hip zu sein“

„Junge Menschen informieren sich eher beiläufig bei Instagram über Karrierechancen und suchen nicht gezielt danach.“ Auf dem Bayer-Ausbildungskanal setze man daher auf Storytelling. „Wir versuchen, die jungen Leute in den Vordergrund zu stellen: Beispielsweise, wenn wir einem Auszubildenden in einem Instagram-Takeover über die Schulter schauen“, so Brandt.

Dazwischen sollen leichte Themen, wie ein EM-Orakel, für Unterhaltung sorgen. „Auf unserem Ausbildungskanal haben wir natürlich größere Freiheiten. Trotzdem wollen wir auch nicht krampfhaft versuchen, hip zu sein. Man muss immer authentisch bleiben“, erklärt Brandt.

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