Wann die fristlose Kündigung drohtWie sehr darf man seinen Lebenslauf schönen?

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Annalena Baerbock hat ihren Lebenslauf korrigiert.

  • Ein Gastbeitrag.

Das Suchvolumen nach dem Begriff „Lebenslauf“ bei Google hat sich im vorigen Monat in Deutschland mehr als verdoppelt. Am häufigsten waren die Anfragen mit dem Namen Annalena Baerbock verbunden. Selten bekommt ein individueller Lebenslauf so viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Diskussion über den Lebenslauf der Grünen-Kanzlerkandidatin, aber auch den ihres CDU/CSU-Konkurrenten Armin Laschet führt automatisch zu der Frage, wie viel „Spielraum“ bei der inhaltlichen Gestaltung eines Lebenslaufs erlaubt und sinnvoll ist.

Zunächst einmal ist es dabei völlig unerheblich, ob ein Lebenslauf für die Kandidatur um ein politisches Amt oder für die Besetzung einer freien Position in der Wirtschaft verwendet werden soll. In beiden Fällen geht es letztlich um eine Bewerbung. Bei der politischen Bewerbung entscheidet allerdings nicht ein einzelner Personalverantwortlicher, sondern indirekt die ganze Wählerschaft über die Anstellung.

Joachim Vranken ist ausgebildeter Verlagskaufmann. Er ist geschäftsführender Gesellschafter von „CV Coach Deutschland“ und Sprecher des Digitalnetzwerks Web de Cologne e.V.

Joachim Vranken ist ausgebildeter Verlagskaufmann. Er ist geschäftsführender Gesellschafter von „CV Coach Deutschland“ und Sprecher des Digitalnetzwerks Web de Cologne e.V.

Ein Lebenslauf (oft abgekürzt als CV für das lateinische Curriculum Vitae) listet die individuellen Daten zu einer Person auf. Der Lebenslauf soll ein umfassendes Bild über die erworbenen Qualifikationen und Bildungsgrade sowie über bisherige Arbeitserfahrungen und Kompetenzen geben. Der Lebenslauf ist in der Regel der zentrale Baustein einer Bewerbungsunterlage und soll dem künftigen Arbeitgeber helfen, sich einen Eindruck von der Eignung eines Bewerbers oder einer Bewerberin für die ausgeschriebene Stelle beziehungsweise Position zu verschaffen.

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Regelmäßig erleben Personalverantwortliche mehr oder weniger gelungene Versuche, dem beruflichen Karriereweg mehr Glanz zu verleihen, als in Wirklichkeit vorhanden ist. Es gibt Untersuchungen, wonach in etwa 20 Prozent aller Lebensläufe nicht alle Angaben vollständig korrekt sind. Doch Lügen führen selten zum Ziel und sind im Zweifel sogar sehr schädlich. Personaler sind darauf geschult, Ungereimtheiten oder Widersprüche in der Präsentation der Kandidaten zu erkennen. Nicht selten kontrollieren Personalabteilungen routinemäßig die wichtigsten Angaben. Das Internet und Social Media sorgen für Überprüfbarkeit und Transparenz, auch über berufliche Stationen, die schon lange zurückliegen.

Besonders kritisch ist es, wenn berufliche Erfahrungen angegeben werden, die mit einer entsprechenden Kompetenz verknüpft sind und diese maßgeblich für die Einstellung sind. Klaffen hier die Angaben im Lebenslauf und die Wirklichkeit auseinander, kann dies den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllen und auch nachträglich zu einer fristlosen Kündigung und sogar Schadensersatz-Forderungen führen. Falsche Angaben zu erworbenen Qualifikationen, vorherigen Arbeitgebern, Noten und Abschlüssen sind also kein Kavaliersdelikt.

Im Fall von Annalena Baerbock ist die Angabe, sie sei von 2005 bis 2008 unmittelbar nach ihrem Studium Büroleiterin einer Europa-Abgeordneten gewesen, sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Sicht zweifelhaft. Zumindest die Angaben auf der Webseite der Abgeordneten zeichnen ein anderes Bild. In jedem Einstellungsgespräch würde dies zu einem intensiven Nachfragen der Personalentscheider führen. Insofern darf Baerbock sich nicht darüber wundern, wenn in ihrem Fall die breite Öffentlichkeit darüber diskutiert.

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Nicht alle Karrieren laufen glatt, und viele Lebensläufe weisen heute Unterbrechungen oder Brüche auf. Auch Personalabteilungen wissen dies und können damit umgehen, wenn sie professionell erklärt werden. In der Politik zählen Erfahrungen besonders und sind in der Regel wichtiger als die formale Ausbildung.

Immer wieder kommt es vor, dass Hochschulabschlüsse oder sogar Studiengänge samt Zeugnisdokumenten schlicht erfunden werden. In den Bereichen Medizin, Jura oder Ingenieurwesen ist der Ausbildungsstand für das Erreichen einer Führungsposition ein „Must-have“. Ohne Abschlüsse ist eine Bewerbung wenig sinnvoll, mit gefälschten Abschlüssen aber noch viel weniger. In anderen Berufsfeldern ist eine akademische Ausbildung nicht allein entscheidend: Fehlende Diplome lassen sich durch umfangreiches Fachwissen, langjährige Praxis-Erfahrungen oder überzeugende berufliche Erfolge mehr als kompensieren. Auch den „Soft Skills“ wie Teamfähigkeit, Flexibilität, Empathie oder Anpassungsfähigkeit kommt eine immer größere Bedeutung zu, was gerade Quereinsteiger für sich nutzen können.

Es gibt für das Amt des Bundeskanzlers keine formalen Anforderungen, die qua Zeugnis nachgewiesen werden müssten. Umso mehr verwundert es, dass die Lebensläufe führender Politiker fehlerhaft sind. Eine professionelle Prüfung im Vorfeld hätte dies möglicherweise verhindert. Das Vertrauen ist im Arbeitsleben wie in der Politik ein hohes Gut. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schwer gestört, kann dies sogar zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Die Abwahl oder die Nicht-Wahl ist im politischen Leben das Pendant. Dieses Risiko ist für Kandidatinnen und Kandidaten weitaus größer als der scheinbare Gewinn durch einen geschönten Lebenslauf.

Joachim Vranken ist ausgebildeter  Verlagskaufmann. Er  ist geschäftsführender Gesellschafter von „CV Coach Deutschland“ und Sprecher des Digitalnetzwerks Web de Cologne e.V.

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