Internetknoten DE-CIXStromausfall sorgte bundesweit für Panik

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Rechenzentrum Frankfurt

Im Internetknotenpunkt DE-CIX gab es einen Stromausfall.

Berlin – Nutzer in ganz Deutschland konnten in der Nacht zu Dienstag über Stunden nicht oder nur verlangsamt auf Twitter, Facebook, Whatsapp, Youtube oder Spotify zugreifen. Serien bei Netflix streamten zögerlich oder überhaupt nicht. Live-TV-Übertragungen von RTL, Pro Sieben und VOX hingen sich auf, die Deutsche Bahn konnte auf ihrer Homepage keine Auskünfte erteilen. Das Internet war lahmgelegt.

Grund für die Drosselung oder den kompletten Stillstand auf zahlreichen Webseiten war ein Stromausfall in einem Rechenzentrum in Frankfurt-Fechenheim. Hier – nicht etwa im US-amerikanischen Silicon Valley - liegt der gemessen am Datenverkehr größte Internetknoten der Welt namens DE-CIX. Pro Sekunde werden über seine Rechner 6,4 Terabit Daten ausgetauscht, das sind ins Analoge umgerechnet DIN-A-4-Seiten, beschrieben und gestapelt, in 140 Kilometer Höhe. Betrieben wird der Knotenpunkt von dem Unternehmen Deutsche Commercial Internet Exchange (DE-CIX), einer Tochter des größten europäischen Internetwirtschaftsverbands eco.

Nutzer profitieren von einer sehr viel besseren Performanz

Knotenpunkte wie DE-CIX ermöglichen Internet-Providern und Unternehmen, die Inhalte im Web liefern, kostenneutralen und schnellen Datenaustausch. So sparen Firmen sich den teuren internationalen Datenversand, außerdem können die Daten über kürzere Strecken schneller fließen – Nutzer profitieren also von einer sehr viel besseren Performanz. Je mehr Knotenpunkte, desto schneller das Netz – für die Branche, in der jede Millisekunde zählt, sind sie einer der wichtigsten Innovationstreiber.

Mehr als 850 Internetprovider und -unternehmen aus 21 Ländern sind Kunden bei DE-CIX, darunter Vodafone, Kabel Deutschland, die Deutsche Telekom, Facebook und Twitter. Hinter ihnen stehen Millionen von Nutzern – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Die bekamen Montagnacht zu spüren, was ein Fehler im System bewirken kann: In einem von 21 Rechenzentren, die DE-CIX in Frankfurt nutzt, fiel gegen 21 Uhr für rund zwei Stunden der Strom aus. Gegen 5 Uhr am Dienstagmorgen sei es zu weiteren Ausfällen gekommen, teilt DE-CIX mit. 220 Kunden waren nach Aussage des Unternehmens von der Störung betroffen. Wie viele Endnutzer, bleibt unklar. Mittlerweile sollen alle Systeme wieder stabil laufen.

Strom liefert das Frankfurter Energieunternehmen Mainova

Das betroffene Rechenzentrum FRA 5 wird vom Dienstleister Interxion betrieben, den Strom liefert das Frankfurter Energieunternehmen Mainova. Seitens der Mainova habe es keine Störung gegeben, sagte Unternehmenssprecher Sven Birgmeier. „Das Problem liegt kundenseitig.“ Interxion spricht bisher lediglich von einer „technischen Störung“, man arbeite an Ursachenforschung und Problemhebung, teilte Sprecherin Mareike Jacobshagen mit.

Lässt sich das Internet in Deutschland also so leicht abschalten? Nein, sagt Thomas King, Chief Innovation Officer bei DE-CIX. Eigentlich seien die Rechenzentren des Internetknotens durch ein sogenanntes redundantes System gleich mehrfach gegen Stromausfälle gesichert. „Alle Geräte haben zwei unabhängige Stromleitungen und –Stecker. Falls ein Stromversorger ausfällt, greift der andere. Fällt auch der aus, können wir Strom über Batterien und Dieselgeneratoren liefern.“ 

Dasselbe Sicherheitssystem sollte allerdings auch Dienstleister Interxion haben. Es ist Voraussetzung, damit DE-CIX sich in Rechenzentren einmietet. Nachdem die primäre Stromversorgung ausgefallen sei, sollte eigentlich nach zwei Sekunden ein Dieselgenerator als sekundäre Stromversorgung anspringen. Doch die technische Störung habe sich auch auf diesen Generator übertragen, und auf den nächsten, „wie bei Dominosteinen“, sagte Interxion-Sprecherin Jacobshagen. „Unsere Techniker arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, die Ursache des Problems herauszufinden“, sagte sie.

Fehler nährt Spekulationen und Panik online

Der Fehler nährt Spekulationen und Panik online: Was, wenn der größte Internet-Knotenpunkt ganz ausfällt? Was, wenn Deutschland plötzlich ohne Netz dasteht? Thomas King beruhigt: Aus seiner Sicht gehe die Wahrscheinlichkeit gegen 0, dass DE-CIX komplett ausfallen könnte. „Wir haben ein sehr hohes Sicherheitslevel.“ Man lasse sich jährlich vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizieren. Wer die Rechenzentren betreten wolle, müsse seine Identität zweifach bestätigen: per Ausweiskarte und Fingerabdruck. „Durch Videoüberwachung wissen wir zu jedem Zeitpunkt, wer im Rechenzentrum ist und was dort passiert.“

Doch selbst, wenn der Knotenpunkt ausfallen sollte: „Der Endnutzer wird immer Internet haben, vielleicht nur ein bisschen langsamer“, sagt King. Das Netz sei von Beginn an so gebaut und strukturiert, um auch einen Atomschlag überwinden zu können. Gebe es einen Ausfall, suche es sich andere Wege. Auch bei dem Ausfall Montagnacht sei der Traffic automatisch auf andere Rechenzentren in Europa verlegt worden, zum Beispiel nach Amsterdam. „Das ist ähnlich wie bei einer Baustelle: Man muss einen kleinen Umweg fahren. Es wird langsamer, aber es läuft weiter.“

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