Die Steuer könnte Gastronomen und Kunden hart treffen. Der Cappuccino wird teurer, und auch bei McDonalds würde es mehr kosten als außerhalb der Stadt.
„Steuereintreiber der Stadt“So reagiert die Gastronomie auf eine Verpackungssteuer in Köln

Mit einer Verpackungssteuer auf Einweggeschirr will die Stadt Köln Müllberge bekämpfen – Kölner Gastronomen und Wirtschaftsverbände reagieren skeptisch.
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50 Cent extra für einen Einweg-Kaffeebecher, eine Pommesschale oder eine Sushi-Box – solch ein Aufschlag könnte ab 2026 auf Menschen in Köln zukommen. Hintergrund ist die Einführung einer Verpackungssteuer, die im Februar vom Stadtrat beschlossen wurde und jährlich rund zehn Millionen Euro in den Haushalt spülen soll.
Aktuell befinde sich die Verwaltung in der Ausarbeitung eines Konzepts, weitere Details wie ein konkretes Startdatum nennt die Stadt jedoch nicht. Nur so viel ist laut Beschlussvorlage bekannt: Vorbild ist Tübingen. Seit 2022 erhebt die Stadt Steuern auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für Speisen und Getränke, die sofort verzehrt oder mitgenommen werden. 950.000 Euro hat Tübingen einem Sprecher zufolge 2022 so eingenommen, das Mehrwegangebot hat sich seitdem vervierfacht.
Köln, die erste deutsche Millionenstadt mit Verpackungssteuer, will obendrein noch eine Regel für Drive-In-Angebote einführen und damit Müll im öffentlichen Raum sichtbar reduzieren – so steht es zumindest im Antrag, den die Kölner Grünen und CDU eingereicht hatten.
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Verpackungssteuer ist „teuer, aufwendig und überflüssig“
Nordrhein-westfälische Wirtschaftsverbände bezweifeln derweil, „dass eine solche Steuer einen nennenswerten Lenkungseffekt hätte und es zu einer spürbaren Verringerung von Verpackungsmüll käme“. In einem gemeinsamen Positionspapier warnen die Landesvorsitzenden, unter anderem vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und der Industrie- und Handelskammer (IHK) vor Wettbewerbsnachteilen, Verwaltungsaufwand und „komplizierten Auslegungsvorschriften“.

Mit Aushängen im Schaufenster rufen Betriebe zu einer Petition gegen die Verpackungssteuer auf, wie hier der „Der Brotspezialist“, eine Konditorei im Agnesviertel.
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Inzwischen ruft sogar eine Petition, initiiert durch die Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft und getragen von zahlreichen weiteren regionalen Wirtschaftsverbänden, dazu auf, kommunale Verpackungssteuern landesweit gesetzlich zu untersagen. Auch Kölner Geschäfte, darunter Metzgereien und Bäckereien, schließen sich den Forderungen an.
„Nein zur Verpackungssteuer“ ist etwa im Schaufenster vom „Brotspezialist“ im Agnesviertel zu lesen. Auf dem Plakat steht, dass die Abgaben Mehrkosten für Kundinnen und Kunden bedeuten könnten. Ein Minus im Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger prognostizieren auch Kölner Gastronomen, die sich infolgedessen vor Umsatzeinbußen fürchten.
Der Gast wird natürlich denken, wir Gastronomen sind gierig und wollen mehr verdienen. Ist aber nicht so, wir geben dieses Geld nur weiter. Wir sind die Steuereintreiber der Stadt Köln
„Ich finde das absolut unmöglich“, schimpft etwa Jannis Konstantinidis. Er betreibt das Bistro Klaaf am Eigelstein. Dort gibt es neben Coffee to go auch Mittagessen zum Mitnehmen. „Viele Gäste rufen aus dem Büro bei uns an und bestellen drei bis vier Portionen für sich und die Kollegen.“ Käme da noch eine Verpackungssteuer drauf, würde das womöglich den Rahmen sprengen. Kundinnen und Kunden reagieren Konstantinidis zufolge empfindlich auf Preisanhebungen. „Wer sonst fünfmal kommt, kommt dann nur noch dreimal“, sorgt sich der Klaaf-Betreiber.
„Der Gast wird natürlich denken, wir Gastronomen sind gierig und wollen mehr verdienen. Ist aber nicht so, wir geben dieses Geld nur weiter. Wir sind die Steuereintreiber der Stadt Köln“, kritisiert er.
Schockiert zeigt sich auch Blerim Shala, Betreiber der mobilen Kaffee-Bar Uncappuccio in Ehrenfeld. Mit Verpackungssteuer für Becher und Löffel müsste er den Cappuccino für 3,80 Euro anbieten. „Das ist einfach nicht menschlich“, sagt er in einem Video der IHK Köln. Die Einführung der Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild sei in Shalas Augen ein undurchdachtes Projekt. Er fürchte um seine Existenz.

In Kölner Filialen von McDonalds und Burger King könnten Burger, Pommes und Eis bald mehr kosten als außerhalb der Stadtgrenzen.
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Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es dafür zwar keinen Anlass – zumindest in der baden-württembergischen Universitätsstadt habe man keine Anhaltspunkte für zunehmende Insolvenzen in Folge der Verpackungssteuer feststellen können. Trotzdem bekräftigt auch die NRW-Wirtschaft die Sorgen der beiden Kölner Gastronomen.
Die Verpackungssteuer sei „teuer, aufwendig und überflüssig“, schreiben die Verbände. „Wir befürchten, dass sich neben dem bürokratischen Aufwand der ohnehin hohe Wettbewerbsdruck, dem gerade die vielen Klein- und Kleinstbetriebe unterliegen, (...) weiter verschärft“, erklärt Patrick Rothkopf, Präsident von Dehoga NRW.
Richter lehnen Verfassungsklage gegen Tübinger Verpackungssteuer ab – Planungssicherheit für Köln
Doch nicht nur inhabergeführte Betriebe zeigen sich betroffen. Auch die Systemgastronomie und überregional tätige Unternehmen stellt die Steuer vor Herausforderungen. Kommunale „Insellösungen“, so schreibt es McDonalds auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, würden zu überbordender Bürokratie führen und den Wettbewerb verzerren.
In Tübingen hatte die Betreiberin einer McDonalds-Filiale deshalb sogar Klage eingereicht – und ist gescheitert. Die erhobene Abgabe auf Einwegmaterialien sei als „örtliche Verbrauchsteuer“ zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar, urteilte das Bundesverfassungsgericht im Januar. Zwar regt sich in anderen Ländern Widerstand. Der Freistaat Bayern etwa verbietet die Einführung von Steuern auf Einwegbecher und Essensschachteln in seinen Kommunen. Die Rechtssprechung von oberster Instanz in Karlsruhe dürfte Städten wie Köln zunächst aber Planungssicherheit geben.
McDonalds Spar-Menü könnte in Köln teurer werden
Auch wenn hier die konkrete Ausgestaltung noch in den Sternen steht, wäre folgendes Szenario bald denkbar: Während es das Spar-Menü im McDonalds-Restaurant in Frechen für den Standardpreis von 6,99 Euro gibt, könnte es nur 1,6 Kilometer entfernt, auf der Dürener Straße in Köln-Marsdorf, 8,99 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer kosten. So zumindest verfährt der Fastfoodriese eigenen Angaben zufolge in Tübingen und gibt die Steuer „transparent an die Gäste weiter“. Bei zwei Burgern, einer Portion Pommes und einem Softdrink fallen mit jeweils 50 Cent pro Verpackung zwei Euro extra an – „für eine mehrköpfige Familie entsprechend mehr“, schreibt eine Pressesprecherin.
Sparen könnten sich Gäste die Zusatzkosten bei ausgewählten Speisen und Getränken durch wiederverwendbare Verpackungen. McDonalds führt ein eigenes Mehrwegpfandsystem bereits seit 2022, berichtet das Unternehmen. Jedoch gilt es nur für Eis sowie Kalt- und Heißgetränke. „Was wir allerdings auch sehen, ist, dass unsere Gäste diese Option nur zu einem sehr geringen Anteil nutzen.“

David Keuenhof (links) und Sofien Kouraichi von Sushi Ninja würde eine Verpackungssteuer besonders hart treffen: 60 Prozent ihres Umsatzes entfallen auf Speisen zum Mitnehmen oder Lieferungen.
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Zwar brüstet sich McDonalds damit, dass „die kontinuierliche Müll- und Verpackungsreduktion ein wichtiger Teil unserer umfassenden Nachhaltigkeits-Strategie“ ist. Wie ernst es dem Konzern mit dem Thema ist, oder ob er sich nur am Verpackungsgesetz (§33 VerpackV) orientiert, nach dem Alternativen zu Einwegverpackungen verpflichtend angeboten werden müssen, ist fraglich.
Zudem zeigt ein Blick nach Frankreich: Es geht auch anders. Nach einem nationalen Gesetz zur Abfallvermeidung, das Einweggeschirr unter anderem in Fast-Food-Läden verbietet, stellten französische McDonalds-Filialen komplett auf Mehrweg um. Die Frage, welche Schlüsse daraus für den deutschen Markt gezogen werden könnten, blieb von der McDonalds-Pressestelle unbeantwortet.
Mehrwegsysteme als Alternative
Mehrwegsystemen offener gegenüber zeigt sich die Kölner Gastrokette Sushi Ninja. Drei Restaurants betreiben die Geschäftsführer David Keuenhof und Sofien Kouraichi bereits, ein viertes ist in Planung. Mit 60 Prozent des Umsatzes seien das Take-away-Angebot sowie Lieferungen zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells, so Keuenhof.
Restaurants wie diese treffe die geplante Steuer besonders hart. „Gerade in Zeiten stark steigender Personalkosten, inflationsbedingter Preissteigerungen und dem höheren gesetzlichen Mindestlohn kommen neue Abgaben zur Unzeit“, sagt der Gastronom. Auch Sushi Ninja werde daher die Verpackungssteuer nicht aus eigener Tasche zahlen können. „Aktuell prüfen wir differenzierte Lösungen – etwa durch freiwillige Aufpreise“, so Keuenhof.
„Wichtig ist, dass wir nicht einfach nur teurer werden, sondern sinnvolle Alternativen bieten können.“ Bereits jetzt arbeite Sushi Ninja mit dem Mehrwegsystem der Recup GmbH, die Schüsseln und Becher gegen eine Pfandgebühr verleiht. „Die Nutzung im Restaurant funktioniert gut, viele Gäste kennen die Systeme und bringen die Behälter regelmäßig mit.“ Bei Lieferungen sei die Akzeptanz geringer.
Mittelfristig wollen Keuenhof und Kouraichi auch eigene wiederverwendbare Sushi-Boxen anbieten – „der Impuls, Mehrweg auszubauen, ist also da“, sagt der Geschäftsführer. Das zu fördern – etwa in Form von Zuschüssen, Pfandsystemen oder logistischen Infrastrukturen –, wäre sinnvoller, als Einweg in der Stadt Köln pauschal zu sanktionieren, so Keuenhof. „Nachhaltigkeit funktioniert besser mit Kooperation statt mit Strafe.“