Abo

Beste Nachwuchs-Goldschmiedin„Ohne Luxusgüter kann man leben, muss man aber nicht“

4 min
Eine junge Frau mit kurzen Haaren und gestreifter Bluse lächelt in die Kamera.

Goldschmiedin Sina Schnabel von der Goldschmiede Drösser in Leverkusen ist Lehrling des Jahres 2025 im Kammerbezirk Köln. 

Goldschmiedin Sina Schnabel ist „Lehrling des Jahres“ im Kölner Kammerbezirk. Wie sich ihr Handwerk gegenüber der Billig-Konkurrenz behauptet und welche Auswirkungen der Goldpreis aufs Geschäft hat.

„Ohne Luxusgüter kann man leben, muss man aber nicht“, sagt Sina Schnabel mit einem Schmunzeln im Gesicht. Die Aussage ist kaum verwunderlich, schließlich sichert die Nachfrage nach teurem Schmuck ihre Zukunft. Denn Schnabel ist Goldschmiedin, gerade hat sie ihre Ausbildung beendet. Als Jahrgangsbeste wurde sie von der Kreishandwerkerschaft Köln als „Lehrling des Jahres“ ausgezeichnet.

So ganz ernst darf man ihre Aussage aber nicht nehmen. Schnabel ist weder vom vielen Gold verblendet, noch abgehoben. Und trägt auch selbst keinen Schmuck: keine Kette, kein Armband und erst recht keine Ringe. Ihre Hände brauche sie schließlich zum Arbeiten. Lediglich ein paar Piercings verzieren ihr Ohr: „Edelstahl“, sagt Schnabel. Aus Gold habe sie sich schon einmal ein eigenes Kettchen gefertigt, das trage sie allerdings nur zu besonderen Anlässen. Es dürfe zwar gerne mehr werden, doch: „Bisher hatte ich ja gar nicht das Kapital, um mir solchen Schmuck zu leisten.“

Das Goldschmiede-Handwerk ist seit 2025 Unesco-Kulturerbe

Wer Schmuck vergleichsweise günstig kaufen will, geht häufig zur Drogeriekette DM, zum Accessoire-Anbieter Bijou Brigitte oder shoppt online bei Purelei oder Luamaya. Diese Firmen sind nur bedingt eine Konkurrenz für Goldschmiede: „In der industriellen Fertigung wird viel gepresst und gestanzt. Bei uns ist es Handarbeit und die Liebe zum Detail“, sagt Schnabel.

Dass ihr Handwerk aussterben könnte, glaubt sie nicht. Genauso wenig wie Ingo Telkmann, Obermeister der Juwelier-, Gold- und Silberschmiede-Innung Köln: Schmuck sei ein ganz besonderes Produkt, getragen, gepflegt, angepasst, über Generationen weitergegeben und so am Leben erhalten, sagt er. Seit März dieses Jahres ist das Handwerk sogar eingetragenes Unesco-Kulturerbe. 

Der aktuell hohe Goldpreis macht sich trotzdem in den Aufträgen bemerkbar, berichtet Schnabel. Nachgefragt werden vor allem minimalistische Designs: „Keine fetten, breiten Ringe oder Ketten, sondern schmaler und dünner“, sagt sie. Auch gradlinige Formen seien in Mode. Werde doch mal eine florale Optik bestellt, freue sie sich besonders. Eine ihrer Lieblingsarbeiten war eine opulente, silberne Halskette, bestehend aus vier Orchideen, die sich umeinander winden und ein zierliches Aderngeflecht zeigen. Daran ist eine kleine Perle befestigt. Bei ihrem Gesellenstück, einem goldenen Dreieck mit einem Zylinder als Verschluss, ließ sie sich von einer Figur aus der Zeichentrickserie „Gravity Falls“ inspirieren.

Ohnehin sei sie ein kreativer Mensch, erzählt Schnabel: „Ich bastle, zeichne, nähe, stricke, male, habe auch mal einen eigenen Teppich gewebt.“ Ihr Vater ist Dachdecker, die Verbindung zum Handwerk liegt nahe. In der Freizeit baut er Skulpturen aus Kupfer.

Im Kammerbezirk Köln gibt es 200 Goldschmiede-Werkstätten

Was sie an ihrem Job besonders begeistert? „Alles“, sagt die 26-Jährige. Sie legiert Gold, gießt und walzt es, bringt es in Form, lötet, graviert, poliert. „Man ist beim ganzen Prozess dabei und immer entsteht etwas Neues.“ Selten habe sie etwas zweimal gefertigt. Die Goldschmiede Drösser in Leverkusen, die sie ausgebildet hat, sei zudem ein besonderer Betrieb: „Wir sind eine verhältnismäßig große Schmiede und haben vier Meister angestellt, das ist recht ungewöhnlich“, sagt sie. Auch moderne Technik wie 3D-Druck und Lasergravuren gebe es in anderen Betrieben seltener.

Gearbeitet werde mit recyceltem Material, denn der Abbau von Gold ist umweltschädlich. Angeliefert wird es von Scheideanstalten in kleinen Kügelchen. Durch Schmelzen und das anteilige Hinzufügen von Silber und Kupfer entstehen die verschiedenen Legierungen: 330er- oder 750er-Gold etwa, erklärt Schnabel.

Der Arbeitsplatz in der Goldschmiede Drösser in Leverkusen.

Der Arbeitsplatz in der Goldschmiede Drösser in Leverkusen.

Die Goldschmiede liegt in einer ruhigen Siedlung im Stadtteil Küppersteg, hat einen kleinen Verkaufsraum mit fein dekorierten Vitrinen. Im hinteren Teil des Hauses liegt die verwinkelte Werkstatt. Für Schnabel war der Betrieb ein Glücksfall: Sie suchte während der Corona-Hochphase nach einem Ausbildungsplatz, viel Auswahl gab es nicht. Aktuell sind rund 200 Werkstätten im Kammerbezirk gelistet.

„Wir benötigen mehr Ausbildungswerkstätten. Allerdings ist das aufgrund der Betriebsgröße und Ausrichtung nicht immer möglich“, sagt Obermeister Telkmann. Ein Nachwuchsproblem gebe es im Goldschmiede-Handwerk in Nordrhein-Westfalen hingegen nicht. „Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist groß“, sagt Telkmann. Auch dank Weiterbildungsmöglichkeiten zum Meister, Betriebswirt oder Gestalter im Handwerk oder einem Studium im Bereich Schmuck- oder Produktdesign.

Trotz großer Nachfrage gehört Sina Schnabel zum letzten Jahrgang, der an der Berufsschule in Köln ausgebildet wurde. Der Nachwuchs muss nun zur Lehre nach Essen. 25 Auszubildende zählt die Eingangsklasse dort. Einen weiteren Standort gibt es in Münster. Die Gesellin will jetzt erst einmal weiter Erfahrungen sammeln. Einen Tag in der Woche arbeitet sie weiterhin bei den Drössers, die restlichen Tage bei der Goldschmiede Brune in Bensberg. Im Moment übt sie sich im Gravieren: ein wenige Millimeter großes Otterpärchen soll die Innenseiten zweier Eheringe zieren.