Kommentar zum„Schrauben-König“Reinhold Würth erweist sich mit AfD-Warnung als wahrer Patriot

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ARCHIV - 13.12.2022, Baden-Württemberg, Künzelsau: Reinhold Würth, Vorsitzender des Unternehmensbereirats der Würth-Gruppe, bei einem Interview mit der dpa in der Firmenzentrale in Künzelsau.  (zu dpa: «Unternehmer und «Schraubenkönig» Würth rät Mitarbeitern von AfD ab») Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Reinhold Würth, Vorsitzender des Unternehmensbereirats der Würth-Gruppe, bei einem Interview mit der dpa in der Firmenzentrale in Künzelsau.

Würths Warnung vor der AfD ist ein Bruch mit bundesrepublikanischer Tradition. Doch in diesen Zeiten helfen Traditionen nicht weiter.

„Schrauben-König“ – diesen Spitznahmen mag Reinhold Würth gar nicht. Zwar ist es durchaus anerkennend gemeint, wenn Medien zur Beschreibung eines Unternehmerlebens einen Adelstitel erfinden, aber nur Schrauben zu regieren, das ist dem 88-Jährigen zu wenig. Wenn schon ein Label, dann doch bitte „Patriarch“ hat der Unternehmer aus dem Südwesten einmal gebeten. Darunter verstehe man gemeinhin einen „weisen, alten Mann“. Damit könne er leben.

Jetzt hat der Patriarch gesprochen. Er hat sich per Brief an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewendet und eine Wahlempfehlung ausgesprochen. Zum ersten Mal in seinem Leben, wie Würth betont. Sie mögen bitte nicht aus Unmut über die Ampelregierung die AfD wählen, appelliert er an die Belegschaft. Stattdessen sei es an der Zeit, die pluralistische Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen.

AfD: Würths Worte haben Gewicht

Es ist ein Statement, das an Klarheit nichts vermissen lässt. Und es ist bemerkenswert, dass es ausgerechnet aus der baden-württembergischen Unternehmerschaft kommt, wo die Grenzen zwischen Wirtschafts- und Nationalliberalismus mitunter fließend sind.

Würths Worte haben Gewicht. Zum einen, weil er nicht verdächtig ist, Vorsitzender des links-grünen Fanclubs oder gar Anhänger eines vermeintlichen „woken“ Mainstreams zu sein. Zum anderen, weil hier jemand das deutsche Staatswesen verteidigt, der selbst mit dessen Behörden und Bestimmungen gehadert hat.

Ende der 2000er-Jahre musste sich Würth gegen Vorwürfe der Steuerhinterziehung rechtfertigen. Grund waren unterschiedliche Auffassungen zwischen ihm und den Steuerbehörden bezüglich der Kostenverrechnungen zwischen inländischen und ausländischen Konzernteilen. Um einen jahrelangen Rechtsstreit zu vermeiden, akzeptierte Würth seinerzeit zähneknirschend einen Strafbefehl, auch wenn selbst die Staatsanwälte einräumten, dass er persönlich keinen Vorteil erlangt habe. Würth nahm aus Wut die österreichische Staatsbürgerschaft an und überlegte, die Firmenzentrale in die Schweiz zu verlegen. Aber er blieb – und erweist sich jetzt als Verfassungspatriot.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob es legitim ist, wenn ein Chef seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Wahlempfehlung mit auf den Weg gibt. In der bundesrepublikanischen Tradition war diesbezüglich eher eine gewisse Zurückhaltung üblich.

Deutsche Demokratie unter Druck

Nur: Was helfen die Rezepte der Vergangenheit, wenn sich die Herausforderungen der Gegenwart ändern? Seit 1949 war die erst west- und dann gesamtdeutsche Demokratie noch nie so unter Druck wie jetzt. Es ist an der Zeit, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen.

Anders als andere vermeintliche Mittelstandskönige aus dem Südwesten, die sich lieber an ihrer Delegitimierung beteiligen, hat Reinhold Würth das verstanden. Er ist ein Patriarch – im besten Sinne.

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