Matching wie in der Dating-AppStart-up will Pflegekräfte passgenau vermitteln

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Mecasa Team am Hauptsitz in Stuttgart

Mecasa Team am Hauptsitz in Stuttgart

  • Auch die Charaktere von Betreuungsperson und Pflegebedürftigen müssen zusammenpassen, wenn die Betreuung funktionieren soll, sagt das Start-up Mecasa.
  • Es hat ein Matching-Verfahren entwickelt, das beide passgenau zusammenbringen soll – und einen einheitlichen Standard für die Pflege im eigenen Haus angeregt.

Stuttgart – In einer Gesellschaft, die altert, ist es nur eine logische Folge: Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt. Zuletzt lag sie bei etwa 3,4 Millionen Menschen, von denen rund zwei Drittel zu Hause gepflegt werden.

Auch deshalb ist das Thema „Pflege im Alter“ ein emotionales. Gleichzeitig ist das Geschäft mit der Heimpflege eines, was lange Zeit vor allem informell gehandhabt wurde. Einer Studie der Hans Böckler Stiftung aus dem Jahr 2017 zufolge wird hier schätzungsweise jedes zwölfte Arbeitsverhältnis auf dem Schwarzmarkt geschlossen. „Da passiert sehr viel Ungutes. Manchmal sind die Versorgungskräfte nicht gut geschult, manchmal werden die Betreuungskräfte ausgenutzt, manchmal die Betreuten“, sagt Oliver Weiss. Er ist Mitgründer des Start-ups Mecasa, das in der Branche einiges besser machen möchte. Die Stuttgarter haben ein Konzept entwickelt, um Betreuungskräfte und Pflegebedürftige passgenau zusammenzubringen. Dazu arbeiten sie mit Personaldienstleistern in Polen, Bulgarien und Rumänien, wo die Pflegekräfte angestellt sind.

Prinzip des „Pflege-Matchings“

Beide Parteien kommen dabei über einen Prozess zusammen, den Weiss „Pflege-Matching“ nennt – also das, was man von digitalen Datingplattformen kennt, nur eben nicht amourös, sondern für eine funktionale Betreuungsbeziehung. Das Konzept hat Mecasa gemeinsam mit einem Psychologen der Universität Heidelberg entwickelt, der auf das Thema Persönlichkeit spezialisiert ist. „Neben den pflegerischen Aspekten ist uns vor allem wichtig, auch auf Persönlichkeitsaspekte zu schauen – also Menschen individuell aufeinander abzustimmen, um sicherzustellen, dass ihre Beziehung funktioniert“, sagt Weiss.

Zunächst füllen die Suchenden – in der Regel Angehörige der zu Pflegenden – Fragebögen aus, in denen unter anderem Wohnsituation, Charaktereigenschaften und viele weitere Faktoren erfragt werden. Im Anschluss gibt es ein Gespräch mit Mecasa, danach werden potenzielle Betreuungskraft und Kunden im (Video-)Telefonat einander vorgestellt. Erst wenn dort die Chemie stimmt, wird ein Vertrag geschlossen.

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Vermittelt werden explizit Betreuungspersonen für eine sogenannte 24-Stunden-Pflege – Hilfen, die im gleichen Haushalt leben, aber kein ausgebildetes Pflegepersonal sind. Aufgaben wie das Verabreichen von Injektionen muss ein ambulanter Pflegedienst übernehmen. Der Preis für die Betreuung liegt bei 2400 bis 3500 Euro. Im Juli lag der Eigenanteil für einen Pflegeheimplatz in NRW laut dem Verband der Ersatzkassen bei 2405 Euro.

Verzicht auf Investoren

Weiss und seine Mitgründer haben Mecasa nach eigenen Erfahrungen mit den eigenen Eltern ins Leben gerufen. Expertise aus der Pflege bekommen sie durch Krankenschwestern und Pflegekräfte, die als Berater bei Mecasa arbeiten oder zum Beispiel Leitfäden erarbeiten. „Wir wollen die Pflegefachlichkeit in den Fokus stellen“, sagt Weiss.

Das junge Start-up – 2016 gegründet, 2017 mit dem Markteintritt, etwa 100 Kunden – verzichtet dabei bewusst auf Investoren. Externes Geld gibt es einzig über Fördermittel. Gefördert wurde es dabei in der Vergangenheit zum Beispiel von der Europäischen Union und dem Land Baden-Württemberg. Aktuell arbeiten die Stuttgarter vor allem mit Kunden im Südwesten des Landes, auch in Köln gibt es einige, mittelfristig soll ganz Deutschland abgedeckt werden.

Mecasa will mit seinen Standards Druck auf die gesamte Branche aufbauen – um klare Spielregeln in die Hausbetreuung zu bringen. Geschäftsführer Oliver Weiss hat gemeinsam mit weiteren Anbietern, Pflegewissenschaftlern, Verbraucherschützern und Juristen einen DIN-Standard erarbeitet, der konkrete Anforderungen an eine Pflegebeziehung formuliert – sowohl für Unternehmen in Deutschland, die Personaldienstleister im Ausland und die Betreuungskräfte selbst. „Unser Ziel ist es, Transparenz in diesen sehr undurchsichtigen Markt zu bringen“, sagt Weiss. Der Standard wird im November veröffentlicht. Er ist eine freiwillige Selbstverpflichtung – der die Anbieter, die noch nicht mit dabei sind, unter Handlungsdruck setzen soll.

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