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„Verlust von rund einer Milliarde Euro“Was der Zoll-Deal mit Trump für die NRW-Wirtschaft bedeuten könnte

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Mona Neubauer (Bündnis 90/Die Grünen) spricht auf einer Pressekonferenz der Landesregierung neben Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubauer (Bündnis 90/Die Grünen) warnt nach dem europäischen Zoll-Deal mit den USA vor Milliardenverlusten

Während einige vor Milliardenverlusten und Arbeitsplatzrisiken warnen, reagieren andere Kölner Unternehmen gelassen auf den Deal zwischen EU und USA.

Die Zoll-Einigung zwischen der EU und den USA ist in Nordrhein-Westfalen auf harte Kritik gestoßen. „Die neuen Zölle werden den Außenhandel spürbar belasten – auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Für unsere Wirtschaft bedeutet das einen Verlust von rund einer Milliarde Euro“, sagte Wirtschaftsministerin Mona Neubauer (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dieser Betrag beziehe sich auf die ersten zwölf Monate nach Inkrafttreten des Deals.

Mit dem Abkommen müsse die europäische Wirtschaft einige Kröten schlucken, um einen Zollkrieg zu vermeiden, beklagte Neubauer. Im Energiebereich drohten neue Abhängigkeiten, dabei habe „uns gerade die technologische und militärische Abhängigkeit in die aktuelle, schwierige Verhandlungsposition gebracht“. Deshalb gelte nun umso mehr: „Wir müssen gezielt in Europas Wettbewerbsfähigkeit investieren – und gleichzeitig unsere Sicherheit und Eigenständigkeit stärken.“

US-Präsident Donald Trump schüttelt der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen die Hand, während sie sich auf dem Turnberry Golfplatz treffen.

Bei einem Treffen in Schottland einigten sich US-Präsident Donald Trump und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, auf einen Deal im Zoll-Streit.

Zwar wendete die Europäische Union die von US-Präsident Donald Trump zum 1. August angedrohten Zölle in Höhe von 30 Prozent auf die Einfuhr europäischer Produkte in die USA ab. Um eine Eskalation und die Bedrohung von Arbeitsplätzen zu verhindern, akzeptierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen allerdings, dass die USA künftig Zölle in Höhe von 15 Prozent auf die große Mehrheit der Importe aus Europa erheben dürfen.

Während der Deal in den Vereinigten Staaten jährlich Zusatzeinnahmen in Milliardenhöhe in die Staatskassen spülen dürfte, könne man in Europa kaum von Entlastung sprechen, sagt Ralf Mittelstädt, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammern (IHK)  Nordrhein-Westfalen. Er sieht in der Einigung zwar „ein wichtiges Signal – aber nur einen Anfang“. Denn selbst die vereinbarten 15-Prozent-Zölle auf zahlreiche europäische Produkte – beispielsweise auf Autos, Pharmazeutika und Halbleiter – „stellen für unsere Unternehmen eine erhebliche Belastung dar“, so der IHK-NRW-Chef.

Maschinenbau, Möbelhersteller und Werkzeugproduzenten besonders hart betroffen

Nordrhein‑Westfalen exportiert insbesondere Maschinen, chemische Erzeugnisse und pharmazeutische Produkte in die Vereinigten Staaten und hat im Gegensatz zu Deutschland bzw. der EU keinen Handelsbilanzüberschuss mit den USA, sagt Mittelstädt. Das von Trump kritisierte wirtschaftliche Ungleichgewicht muss Nordrhein-Westfalen dennoch mit ausbaden. 

Besonders hart treffen könnte es etwa Unternehmen aus dem Maschinenbau, Möbelhersteller oder Werkzeugproduzenten. Denn die für Stahl und Aluminium geltenden 50-Prozent-Zölle bleiben zunächst bestehen. Die EU hofft, dass bestimmte Mengen davon ausgenommen werden, konkrete Daten wurden allerdings bislang nicht genannt – „ein massiver Kostenfaktor“, bemängelt die IHK. Nach dem Hin und Her der vergangenen Monate seien eine Einigung und verlässliche Handelsbeziehungen für die nordrhein-westfälischen Unternehmen deshalb unerlässlich, so Mittelstädts Einschätzung.

Bei exportstarken Kölner Maschinenbauern wie Schütte, Chemieunternehmen wie Bayer und Lanxess oder dem Kabelproduzenten NKT-Cables drohen Auftragsverluste und erhöhen sich Arbeitsplatzrisiken
Witich Roßmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Köln

Ähnlich äußert sich der Leverkusener Kunststoffkonzern Covestro. Die Einigung schaffe „wichtige Planungssicherheit für die Industrie – auch wenn Herausforderungen für den globalen Handel bestehen bleiben“. Allerdings sei das Unternehmen nur indirekt von den Zöllen betroffen, sie produzieren „in der Region für die Region“, so Covestro. „Unsere bedeutende Produktionsstätte in Amerika befindet sich in Houston, USA, wodurch US-Kunden überwiegend lokal beliefert werden.“ Die Verlagerung globaler Lieferströme, die zu Preisdruck führen, spüre die Firma dennoch.

Kölner Konzerne spüren Zölle indirekt

Ein Sprecher des Kölner Chemie-Konzerns Lanxess berichtete dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits im April von einer ähnlichen Lage. Man sehe den direkten Auswirkungen durch Einfuhrzölle gelassen entgegen. „Wir haben unsere Produktionsbasis in Amerika in den vergangenen zehn Jahren deutlich ausgebaut. 30 Prozent unseres weltweiten Umsatzes und unserer weltweiten Produktion finden jetzt dort vor Ort statt.“ Trotzdem: „Am Ende des Tages sind Zölle Gift für den globalen Handel und schaden allen Seiten.“

Ein aktuelles Statement von Lanxess blieb jedoch aus, genauso wie eine Einschätzung durch die Bayer AG. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne der Pharma-Riese noch keine Angaben zu den Auswirkungen des Zoll-Deals machen. Gleiches ließen der Kölner Automobilhersteller Ford und der Motorenbauer Deutz AG verlauten.

Dafür wagt Witich Roßmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Köln, eine Prognose. „Bei exportstarken Kölner Maschinenbauern wie Schütte, Chemieunternehmen wie Bayer und Lanxess oder dem Kabelproduzenten NKT-Cables drohen Auftragsverluste und erhöhen sich Arbeitsplatzrisiken“, so der DGB-Vorsitzende. Die deutsche Industrie werde mit dem Zoll-Deal bestraft, die Einigung sei im Streit mit den USA sei „kein Ruhmesblatt für die EU-Verhandler“.