Millionen-VerlustWie die Industrie am Rhein künftig vor Dürren geschützt werden soll

Lesezeit 4 Minuten
20180730max-langel10_2

Frachtschiffe auf dem Rhein im Juli 2018

  • Die Industrie am Rhein hat 2018 unter der Trockenheit extrem gelitten – das soll sich ändern.
  • Gelingt es nicht, sie besser vor Niedrigwasser zu schützen, drohen Verluste in Millionenhöhe.
  • Der Rhein soll auch baulich verändert werden.

Köln – Im Sommer und Herbst 2018 regnete es über Monate kaum, der Pegel des Rheins sank von Tag zu Tag. In Köln hatte der Fluss 2003 eine historische Tiefe von 81 Zentimetern erreicht, im Oktober des vergangenen Jahres sank er nun auf ein Rekordtief von 67 Zentimetern. Für die Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt (KD) war es kein harter Schlag, eine Woche vor Saisonschluss mehrere Panorama-Routen ihrer Ausflugsschiffe einzustellen. Die Industrie in Nordrhein-Westfalen hatte deutlich schwerer mit den Folgen der Dürre zu kämpfen.

Für die Binnenschifffahrt, die beim Transport von Rohstoffen und fertigen Produkten eine zentrale Rolle bei zahlreichen Unternehmen einnimmt, waren die Auswirkungen dramatisch: Viele Frachtschiffe konnten nur noch ein Drittel oder die Hälfte ihrer üblichen Fracht laden. Besonders hart traf das den Leverkusener Chemiekonzern Covestro, dessen drei NRW-Standorte Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen direkt am Rhein liegen: Um die gleichen Mengen wie bei voller Beladung transportieren zu können, mussten zusätzlich Schiffe eingesetzt werden. Weil das Problem aber viele Unternehmen hatten, wurden die Schiffskapazitäten immer enger. Gleichzeitig stiegen die Kosten durch Niedrigwasserzuschläge.

100 Lkw, um ein Schiff zu ersetzen

Also versuchte Covestro, die Lieferungen seiner Vorprodukte auf Schienen und Straßen zu verlagern. Man braucht jedoch fast 100 Lkw, um ein Binnenschiff mit einer Tragfähigkeit von 2000 Tonnen zu ersetzen. Das Ergebnis waren Engpässe bei Rohstoffen und Verzögerungen beim Abtransport der fertigen Erzeugnisse. Die Menge der produzierten Waren sank um etwa zehn Prozent – und konnte bis Jahresende auch nach Einsetzen von stärkeren Regenfällen nicht mehr kompensiert werden. Die Dürre war einer der Gründe, die im Spätherbst zur Gewinnwarnung der Leverkusener führte. Hohe Logistikkosten und die geminderte Produktion belasteten das Ergebnis des Konzerns jeweils im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

„Für uns ist die Beschiffbarkeit des Rheins unheimlich wichtig“, resümiert Covestro-Technikvorstand Klaus Schäfer am Donnerstag auf dem kleinen Ausflugsschiff MS Mainz. Das Bundesverkehrsministerium hat auf den Rhein eingeladen – am KD-Anleger in Porz geht es auf eine knapp anderthalbstündige Schifffahrt zum Dom und wieder zurück. Thema des Termins ist die Vorstellung eines Aktionsplans „Niedrigwasser Rhein“. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist gekommen, um Maßnahmen zu präsentieren, damit langfristig Voraussetzungen für zuverlässig kalkulierbare Transportbedingungen auf dem Rhein herrschen. Der Aktionsplan soll helfen, „die Versorgung der Bevölkerung und den Wirtschaftsstandort auch für die Zukunft zu sichern“, sagt Scheuer: „Wir müssen jetzt handeln, um die Transportbedingungen auch mit Blick auf klimatische Veränderungen konstant hoch zu halten.“

Neue, leichtere Schiffstypen

Vier Handlungsfelder mit acht Einzelmaßnahmen umfasst das Papier: Kurzfristig sollen etwa mit den Daten des Deutschen Wetterdienstes oder der Bundesanstalt für Gewässerkunde bessere Prognosen über den Wasserpegel bereitgestellt werden – bis zu sechs Monate in die Zukunft sollen Trendvorhersagen reichen. Mittelfristig sollen bestehende Transportkonzepte optimiert und neue, leichtere Schiffstypen entwickelt werden. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 soll dahingehend beschleunigt umgesetzt werden, bestimmte Rhein-Fahrrinnen zu vertiefen.

Weitere wasserbauliche Optionen zur Sicherstellungen der Transportbedingungen am Rhein sollen langfristig untersucht werden, dazu gehören Stau- und Speicherlösungen. „Die Schaffung von Akzeptanz für notwendige Infrastrukturmaßnahmen wie auch die Untersuchung zukünftiger Anpassungsmaßnahmen an Klimaänderungen am Rhein bedürfen eines intensiven gesellschaftlichen Dialogs“, heißt es dazu.

Bündnis für den Lebensraum Rhein

Dessen Unterzeichner wollen für den gesellschaftlichen Dialog ein „Bündnis für den Lebensraum Rhein“ initiieren, wurde außerdem angekündigt. Neben Covestro-Manager Schäfer sind auch Vertreter anderer Unternehmen gekommen, um das Aktionspapier zu unterzeichnen. Sie alle sind vom Rhein abhängig: Aus der Stahlsparte von Thyssenkrupp sind zwei Vorstandsmitglieder angereist und berichten von einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag, der dem Konzern vergangenes Jahr durch die Dürre verloren ging. BASF-Vorstand Michael Heinz spricht von Einbußen in Höhe von 250 Millionen Euro aufgrund von Lieferengpässen und Produktionsausfällen.

Rainier van Roessel, Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied beim Kölner Spezialchemiekonzern Lanxess, ist ebenfalls an Bord der MS Mainz. „Ist der Rhein nicht schiffbar, stellt uns das vor Herausforderungen, wie die extreme Niedrigwasserperiode des vergangenen Jahres gezeigt hat“, sagt van Roessel, der die Einbußen für Lanxess nicht beziffert, aber sich über den unterzeichnete Aktionsplan freut: Dieser schaffe „mehr Planungssicherheit, sodass Auswirkungen von Niedrigständen des Rheins besser kalkulierbar werden“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn es mit dem aktuell trockenen Wetter noch zwei Wochen weitergehe, drohe womöglich ein Niedrigwasser, das an den Extremsommer 2018 erinnere, sagt Minister Scheuer und warnt: „Wenn der Motor am Rhein zum Stottern kommt, spürt das ganz Deutschland. Wenn die Schiffe auf dem Rhein nicht fahren können, bleiben die Tankstellen leer und Unternehmen müssen ihre Produktion zurückfahren.“

KStA abonnieren